Teil IV - Das Exposé

Man stelle sich folgende Aufgabe vor: man ruft einen guten Freund an und hat lediglich zwei Minuten Zeit, ihm zu erzählen, was im gerade geschriebenen Werk steht und warum er es unbedingt lesen soll...
Das Verfassen des Exposés beinhaltet prinzipiell nichts anderes. Zwei Minuten: das ist ungefähr die Zeit, die man braucht, um eine Seite Text vorzulesen, viel länger sollte das Exposé also nicht sein.
Warum aber überhaupt ein Exposé? Beim Exposé handelt es sich gewissermaßen um einen appetitlichen Köder, der ausgeworfen wird, um den Leser (und natürlich auch den Lektor) zum Text zu locken. Das Exposé ist bildlich gesprochen das Lockmittel, das dem potentiellen Leser mitteilen soll, daß hier genau DAS Manuskript schlummert, was er schon so lange gesucht hat.

Das Manuskript wurde mittlerweile professionell aufbereitet, man hat alle Regeln befolgt und das Manuskript wird sich von der Form her schon deutlich vom Durchschnitt abheben.
Man muß sich daran erinnern: Ziel ist es, die eigentliche Geschichte, das Manuskript, formell so zu präsentieren, daß es Aufmerksamkeit auf sich zieht, und nicht einfach irgendwo im Stapel der niemals gelesenen Einsendungen endet. Der Traum vom eigenen Buch ist möglich, aber vieles hängt von der Gesamtqualität der Präsentation des Werkes ab.

Viele andere werden auch ein ansprechendes Manuskript abliefern, es herrscht ein starker Wettbewerb, wie bereits angedeutet wurde. Der erste Leser, der von einem Manuskript fasziniert werden muß, ist der Lektor des Verlages. Wie bringt man ihn aber dazu, überhaupt das eigene Manuskript und nicht eines der anderen zu prüfen? Um das zu erreichen, braucht man ein erstklassiges Exposé.
Das Exposé beschreibt zusammengefaßt den Inhalt des Werkes, wobei es nicht länger als eine Schreibmaschinenseite sein sollte. In kurzen, prägnanten Sätzen informiert das Exposé aus Sicht einer dritten Person über die wichtigsten Aussagen des Werkes. Die wichtigsten Handlungsstränge werden vorgestellt.
Wie soll man so etwas aber nun verfassen? Es ist hilfreich, die Klappentexte bzw. Rückseiten von den Büchern durchzulesen, die man in letzter Zeit begeistert gelesen oder gekauft hat. Diese Klappentexte sind sehr gute Ausgangspunkte für die Art und Weise, wie ein Exposé wirken muß.
Im Exposé finden Eigennamen, Orts- und Zeitangaben nur dann Erwähnung, wenn es wirklich nötig ist. Der Ausgang einer dramatischen Handlung bleibt offen, diesen soll der Leser natürlich im Manuskript erfahren.

Verlage behandeln ein Exposé so, als würde es zu einem bereits bestehendem Buch gehören. Da Lektoren, Verleger und Hersteller von Büchern tagtäglich ihr Geld mit dem Aufspüren guter Manuskripte verdienen, haben sie eine ausgeprägte Vorstellungskraft vom fertigen Endprodukt und spüren anhand des Exposés, ob ein Manuskript sie anspricht.
Man sollte das Verfassen des Exposés also mit der selben Ernsthaftigkeit angehen wie das Schreiben des eigentlichen Manuskriptes zuvor. Vieles kann davon abhängen. Verlage sind trotz der unzähligen Neuerscheinungen immer auf der Suche nach brillanten neuen Texten und jungen Autoren. Und hier wirkt dann die Vorlage eines Exposés immer professionell. Anders ausgedrückt: der Autor steigt sogleich im Ansehen des angeschriebenen Verlages.

Nun fürchten aber viele Autoren, an den Komplikationen eines Exposés scheitern zu können. Es ist zugegeben auch kompliziert, präzise und packende Aussagen über das eigene Werk zu liefern. Dabei sollten die Formulierungen stets sachlich bleiben. Jede eigene Bewertung des Werkes sollte vermieden werden.
Es sind allein Sachaussagen zum Werk gefragt. Lob und Tadel kann dann später von den Rezensenten verteilt werden. Ins Exposé gehören sie aber nicht.
Es sollten auf jeden Fall auch allzu bunte Phrasen vermieden werden, solche Sätze wie "Feuerwerk der Sprache, Potpourri der Phantasie" führen garantiert zum Mißerfolg.

Es ist am hilfreichsten, wenn man, wie schon erwähnt, sich die Rückseiten oder Klappentexte von Büchern aufmerksam durchliest. Man kann selbst beurteilen, ob der Text dazu beitrug, das Buch zu kaufen, ob er auch das hielt, was versprochen wurde, ob er neugierig machte oder nur verwirrte.
Ein ideales Expose, und somit auch ein gelungener Klappentext, sollte beiden Ansprüchen genügen, es sollte zum Kauf anregen und nicht zuviel versprechen, so daß der Leser am Ende enttäuscht ist.
Man sollte nicht denken, daß so ein Exposé später doch ohnehin von den Profis im Verlag selbst geschrieben wird. Vielleicht wird der selbst erstellte Werbetext redaktionell überarbeitet oder umgeschrieben, aber den ersten Schritt, den muß man selbst tun. Man muß den Lektor im Exposé mit der eigenen Formulierkunst begeistern. Hat man dies geschafft, dann ist eine weitere große Hürde genommen.