29. Oktober 2001

Das Geheimnis der Magie

Goldene Knöpfe zierten eine dunkelblaue Jacke, goldene Schnüre schmückten sie auch und zwei dunkle Augen blickten uns an. Sie versprachen am Eingang in jenes Reich schon so viel, das wir es kaum erwarten konnten, die schmale eiserne Treppe hochzugehen, um von dort aus den gold-rot-schimmernden Vorhang zu entdecken, über dem das Podium schwang, welches Musik erklingen ließ. Mal laut, mal leise, majestätisch und verspielt und dann plötzlich ... die kleine Welt herum hielt den Atem an... verstummte sie.

Leise zog sich der Vorhang beiseite und im blausilbernen Licht tummelten sich rassige Araber und sanfte schneeweiße Schimmel. Leise setzte die Musik ein, und acht Paar Beine der schönsten Pferderassen der Welt tanzten dazu einen seltsamen Reigen, um irgendwann wieder in die Dunkelheit zu verschwinden.
Als das Licht wiederkam, schmückte sich es mit einer anderen Farbe - rot. So rot wie der Vorhang, hinter dem wohl noch mehr Geheimnisse steckten. Eines von diesen schwebte über uns. Ein magischer Ring wurde zur Bühne für eine Ballerina der Lüfte. Grazil und scheinbar schwerelos tanzte sie dort ihr Ballett, nur für sie geschaffen. Es endete viel zu schnell.

Noch schneller wurde die Musik, spielte Bolero, danach einen Tango und versetzte uns mit ihren temparamentvollen spanischen Akzenten in einen Rausch. Die Begeisterung wuchs an, als glitzernde Bumerangs über unsere Köpfe flogen, Sombreros im Takt dazu schwangen, gefolgt von Bällen und Keulen und mittendrin ein Tänzer, der dieses Wunder vollbrachte, jenen Gegenständen dieses Leben einzuhauchen.

Die Musik wurde plötzlich geheimnisvoller. Buschtrommeln hallten in unseren Ohren wieder. Erst fern, dann immer näher und näher. Der Rhythmus ging in die Beine, ließ das Blut rauschen. Ein Feuer ward entfacht, es schien zu leben. Es wurde bezwungen von fünf Tapferen, die sich davon nicht schrecken ließen. Sie sprangen darüber und tanzten darunter hindurch. Sie bauten Pyramiden, ließen dabei die Lichter in exotischer Weise für sich spielen.

Nach diesem Feuerwerk wurde es wieder still. So still, das wir unsere Herzen hören konnten, die laut schlugen. War es schon vorbei?
Doch nein ... was war das für ein Rauschen... ein Wasserfall ergoß sich vor uns, wurde kräftiger und lauter. Da setzte auch wieder die Musik ein. Sie plätscherte dahin, wie das Wasser, welches bald so viel wurde, dass ein See vor uns entstand. Wie aus dem Nichts tauchten, so schien es uns, zwei Elfen auf, die mitten im Wasser ihren Reigen begannen. Sie bogen ihre Körper so grazil und wunderschön, wie wir es noch nicht gesehen hatten. Purpurrot ergoß sich das Licht auf sie, welches bald dämmrig wurde und die beiden mitnahm...

Nebel kam auf und zog über den See seine Schleier. Es war wieder still und wir hörten nur das Wasser plätschern. Selbst der Wasserfall war verstummt.
Da tauchte aus dem roten Vorhang ein Seerosenboot auf. Die Seerose öffnete sich und hervor kam die Pfauentaubenprinzessin, auf ihren Schulten, ihren Händen und selbst auf ihren Kopf flatterten gurrend weiße Tauben. Sie spielte mit ihnen und die Tauben mit ihr - bis sich die Seerose wieder schloß. Der Zauber war vorbei... doch wir irrten uns, er begann von neuen. In blau-weißes Licht gehüllt tanzte ein Paar über dem Wasser ein poetisches Pas de Deux. Sie schwebten, tanzten, ließen sich fallen, eingehüllt in langen Tuchbahnen, das einzige was sie hielt.

Immer schneller ging die Zeit voran, doch wir merkten es nicht. Immer wieder setzte die Musik von neuen ein, ließ uns andere Zaubereien sehen. Es war Magie. Genauso viel Magie, wie diese vier dort hoch oben, die über ein dünnes Seil über den See balancierten. Als dann die Wasser anfingen zu tanzten, mal purpurrot, dann blau, dann grün uns sogar gelb und die Musik im Drei-Viertel-Takt spielte, wußten wir, dass es nicht mehr langen dauern würde.
Wir mußten wieder gehen...

Das Geheimnis der Magie war an jenem Abend ganz sicherlich nicht die Eintrittskarten für den Zirkus, der unsere Stadt besuchte. Sie waren der Weg dorthin. Das Geheimnis liegt vielleicht auch nicht bei den Artisten, Jongleuren und Clowns begründet. Sie haben es uns näher gebracht. So nah, dass wir ihnen unendlich dankbar waren.
Das Geheimnis lag wohl eher in leuchtenden Augen und Herzen, die wieder zu Kindern wurden oder es noch immer sind.

[geschrieben von gabi
nach einem Besuch des Zirkus "Fliegenpilz" - Zirkus unter Wasser der in München gastierte.
www.fliegenpilz.com]

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