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Der Mond der verlorenen Seelen Eine Kurzgeschichte aus dem "Ragnoruniversum",
die ich für einen Themenwettbewerb mit dem Thema "Tanz der Schatten"
des Autorenringes geschrieben habe. Ich habe sie dann ebenfalls verwendet,
um beim Goody-Award des Basteiverlages mitzumachen und habe dort einen dritten
Platz in der Rubrik Fantasy errungen. Nur langsam gewöhnten sich Ragnors Augen an das Halbdunkel, das im Inneren des Tempels herrschte und es bestand kein Zweifel, daß es sich um einen solchen handelte. Doch welch ein Gegensatz zu den freundlichen Heiligtümern Amas, der segensreichen Kraft des Guten im Universum und der meist verehrten Gottheit auf Makar. Die finsteren steinernen Dämonenfratzen, die auf Podesten längs seines Weges standen, schienen ihn anzugrinsen, als er langsam tiefer in das düstere Gebäude hinein schritt auf der Suche nach einem Platz für die Nacht. Als er die mächtige Haupthalle betrat, erschauerte er vor der gewaltigen Götzenfigur, die drohend im Zentrum des Raumes kauerte, einen wuchtigen, fingerdick mit Staub bedeckten, Altar in seinen mächtigen Klauen. Vorsichtig sah er sich um und trat langsam näher an den Altar heran und, wie unter Zwang, wischte er den Staub von dem porösen Stein. Entsetzt zuckte seine Hand zurück, als er selbst in dem Zwielicht, das hier herrschte, erkannte, daß der poröse graue Stein des Altars durch und durch von einer schwarzen eingetrockneten Flüssigkeit durchtränkt war und er war sich sicher, ohne daß er es wirklich wußte, daß es sich dabei um Reste von Menschenblut handelte. Während er auf den Stein starrte, zuckte vor seinem inneren Auge eine schnelle Folge von Bildern vorüber, in denen schwarz gewandte Ximonpriester ihren schreienden Opfern das Herz aus dem Leibe schnitten, um es Ximon dem Abscheulichen zu opfern. Ja, er war sich sicher, daß er vor einem uralten Altar seines finsteren Feindes stand, der in alter Zeit wohl unendlich viel Grauen über die Menschen, die hier einmal gelebt hatte, gebracht hatte. Die Abscheu vor dem hier Geschehenen wischte seine Müdigkeit hinweg und eine gnadenlose Wut über die schändliche Stätte des Verfluchten, kochte in ihm hoch. Bevor er recht wußte, was er tat, zog er sein Quasarschwert Quorum aus der Scheide und hob es mit beiden Händen über seinen Kopf. Und dann fuhr das kristallene Schwert, das unter seinen tobenden Gefühlen hell aufzuflammte und das dämonische Szenario in ein blauweißes Licht badete, auf den Altar nieder der, unter dem mächtigen Hieb, klirrend in tausend Stücke zersprang. Bevor Ragnor recht wußte, wie ihm geschah, erglühte der steinerne Götze in tiefrotem Licht und ein glutrotes Tor öffnete sich dort, wo einst der Altar gestanden hatte. Es saugte die Altartrümmer gierig in sich auf und der junge Mann stürzte von einem gewaltigen Sog erfaßt in das rote Auge, wobei er, bevor er tatsächlich in dieses eintauchte, das Bewußtsein verlor. Als er wieder erwachte, lag er, im hellen Tageslicht inmitten von Trümmerstücken des Altars, auf rotem grobkörnigem Sand. Langsam rappelte er sich auf, klopfte den Sand aus seinen Kleidern und sah sich vorsichtig um. Daß das hier nicht die Urwälder von Gromor waren, war auf den ersten Blick klar, denn er befand sich inmitten einer gebirgigen Landschaft, die nur aus roten Felsen und rotem Sand zu bestehen schien, welche nur vereinzelt von verkrüppelten Pflanzen, die an die Agaven des Nordkontinents erinnerten, durchsetzt war. Heiß und rot stand die mächtige Sonne Makars am Himmel und erschöpft von der Hitze, in der er wohl einige Zeit bewußtlos gelegen haben mußte, machte er sich auf um nach einem schattigen Plätzchen zu suchen, in der Hoffnung dort auch etwas Wasser zu finden. Es dämmerte schon, als er endlich, am Fuße der höchsten Erhebung der Gegend einen Felsüberhang fand, dessen Wand feucht und von grünen Flechten bewachsen war. Nach einigem Suchen, fand er ein kleines Rinnsal, das aus einer Felsnische rann. Dankbar trank er von dem nicht besonders frisch schmeckenden Wasser, aber für ihn, der einen halben Tag durch eine glutheiße Felswüste geirrt war, war es köstlicher als der allerbeste Wein. Dankbar und müde ließ er sich in der Felsnische nieder und schlief erschöpft ein. Als er erwachte und noch ein wenig verschlafen zum Sternenhimmel hinauf sah, glaubte er seinen Augen nicht zu trauen. Anstatt der beiden gewohnten Monde, stand neben dem grünen Mond, der im etwas größer zu sein schien als sonst, ein riesiger blauweißer Himmelskörper am nächtlichen Himmel. Einen Moment konnte er sich keinen Reim darauf machen, bis ihn die Erkenntnis wie ein Schlag traf. Er befand sich nicht mehr auf Makar, seinem Heimatplaneten, sondern auf dem roten Mond Ximonar und das was da so groß und mächtig am Himmel stand, war seine Heimatwelt. Daher der rote Sand und die roten Felsen. Das Loch unter dem Altar war ein Tor nach Ximonar, dem Symbol des Bösen auf Makar, gewesen. Einen Moment jagten sich die Gedanken in seinem Kopf, doch schließlich gewann sein praktisches Naturell die Oberhand und er beschloß erst einmal hier im Schutz der Felswand zu übernachten, denn am Morgen würde er alle Kräfte brauchen, um etwas Eßbares aufzutreiben. Danach konnte anfangen sich Gedanken zu machen, ob es von hier einen Weg zurück nach Makar gab. Immer noch erschöpft schlief er ein. Doch es war ein seltsamer Schlaf, in den er da fiel. Immer wieder vermeinte er Stimmen zu hören, meinte Schatten wahrzunehmen, die um ihn herum tanzten und flüsterten, ohne daß es ihm gelang sich aus seinem seltsamen Wachtraum zu lösen. Am nächsten Morgen erwachte er ziemlich zerschlagen und nur wenig
erholt, aber er machte sich ohne noch einen Gedanken an die seltsamen Träume
zu verschwenden, auf die Suche nach Nahrung. Trotz intensiver Suche fand
er keinerlei Spuren von tierischem Leben auf Ximonar, lediglich einige
Flechten, mit einigermaßen vertrauenserweckenden Beeren konnte er
finden. Er probierte zwei der leicht bitteren Früchte, sammelte den
Rest ein und als es ihm Stunden später immer noch gut ging, beschloß
er auch die anderen zu essen. Gegen Abend kehrte er zurück zu seinem
Felsen und beschloß, nachdem er ausgiebig getrunken hatte, sich über
die Schwertmeditation in seine Domäne Quirinia, die in einer anderen
Dimension lag, zu versetzen, um dort in einer komfortablen Umgebung nach
einer Lösung seines Problems zu suchen. Doch dieser Plan wurde jäh
zu Nichte gemacht. Irgend etwas auf diesem Mond verhinderte, daß
er in den Quasarkristall eintauchen konnte. Weder Schwert, noch Dolch,
noch Ring konnte er erreichen, so sehr er sich auch bemühte. Frustriert
und müde legte er sich nieder und sank schnell in einen tiefen Schlaf.
Wieder hörte er die Stimmen und sah die Schatten, die ihn umtanzten
doch diesmal blieb er nicht in dem ohnmächtigen Schlaf gefangen, sondern
es gelang ihm unter großen Mühen sich aus seinem Körper
zu lösen. Schließlich schwebte er über seinem Körper
und sah auf ihn hinab. Als er die Augen hob, sah er ein Dutzend seltsam
durchsichtige Schattengestalten um seinen Körper tanzen. Schließlich
bemerkte der Geist einer jungen Frau seinen Astralkörper, der
sich langsam über seinem Körper manifestiert hatte und die junge
Frau mit traurigen Augen sprach ihn an, wobei ihre Stimme fast schüchtern
in seinem Kopf fragte: "Seid ihr ein richtiger Mensch, ein Lebender?"
Abrupt erwachte Ragnor aus seiner merkwürdigen Trance und sah sich um. Zuerst schien nichts ungewöhnlich zu sein. Doch dann, als er unter dem Felsvorsprung, heraus trat, bemerkte er, daß die Spitze des Berges in ein finsteres dunkelrotes Licht getaucht war, das gleiche dämonische Licht, in dem der Götze im Tempel geglüht hatte und er wußte instinktiv, daß dort der Feind der jungen Frau zu finden war, den sie Seelenfresser genannt hatte. Lichtfinger, die wie lange rote Tentakel aussahen, liefen vom Berg hinab ins flache Land und es sah im ersten Moment so aus, als ob ein ausgebrochener Vulkan blutrote Lavaströme ins Land ergösse. Schnell trat in die Deckung des Felsvorsprungs zurück und überdachte das soeben Erlebte. Schließlich kam er zu dem Schluß, daß für ihn kein Weg daran vorbei führte. Er mußte dort hinauf und sich dem Gegner stellen, nicht nur, um den Schatten zu helfen, sondern vielleicht auch sich selbst. Denn möglicherweise war es dieses dämonische Wesen, das mit seinen übernatürlichen Kräften seinen Rückzug nach Quirinia blockierte. Der Aufstieg, den er in der ersten Morgendämmerung begonnen hatte,
war beschwerlich gewesen. Glücklicherweise hatte er auf seinem Wege
ein paar der wohlbekannten Flechtenbeeren finden können, die seinen
grimmigsten Hunger gestillt hatten. Es begann bereits zu dämmern als
er in einer Felsspalte kurz unter dem Gipfel eine kurze Rast einlegte,
um etwas zu verschnaufen. Kaum hatte er die Augen für einen Moment
geschlossen, spürte er erneut die Anwesenheit der jungen Frau, die
in der gestrigen Nacht zu ihm gesprochen hatte. Er streckte seine Gedankenfühler
aus, wie er es tat, wenn er mit Tieren Verbindung aufnahm und tatsächlich,
da war sie wieder.
Damit unterbrach er die Verbindung, öffnete die Augen und richtete sich auf. Er legte seine Hand auf den Schwertgriff und die beruhigenden Impulse des Quasars stärkten seine Entschlossenheit. Nun denn, es gab keinen Weg mehr zurück und mit kräftigen Schritten machte er sich auf, die letzten Höhenmeter bis zum Gipfel zu überwinden. Als der schließlich dort anlangte, schickte sich die rote Sonne gerade an, hinter dem Horizont des roten Mondes zu verschwinden. Ihre letzten Strahlen beleuchteten den kahlen Gipfel auf dem nichts, aber auch gar nichts zu finden war. Irritiert sah sich Ragnor um, denn er hatte alles, nur nicht das erwartet. Hier war absolut nichts. Resigniert ließ er sich auf einem Felsblock nieder und beobachtete die untergehende Sonne. Alles war vergebens gewesen, der Feind war nicht hier und es war viel zu spät, um heute noch den Abstieg zu versuchen. Doch kaum war die Sonne untergegangen, begann es im Zentrum des Gipfelplateaus
rot zu schimmern. Zuerst nur ganz zart und dann immer intensiver und schließlich
erhob sich eine dunkelrot leuchtende Säule, in der man schließlich
undeutlich die Fratze eines Dämonen erkennen konnte, die sich langsam
bildete. Ragnor reagierte sofort, zog sein Quasarschwert, ließ es
aufflammen und stieß es tief in die substanzlose Erscheinung.
Als er schließlich wieder erwachte, war es heller Tag. Er hatte
rasende Kopfschmerzen und es gelang ihm nur mit Mühe in den Schatten
der Spalte zu gelangen, in der er vor seinem endgültigen Aufstieg
gerastet hatte. Erschöpft schlief er sofort wieder ein.
Ragnors Annahme, daß der Seelenfresser seine Rückkehr nach
Quirinia blockiert hatte, erwies sich als richtig und als er endlich wieder
in den Annehmlichkeiten seiner Domäne angekommen war, sagte er launig
zu seinem Androiden Quirin-1, als dieser ihn wie üblich, nach der
geplanten Länge seines Aufenthaltes fragte: "Das kann ich dir heute
noch nicht sagen. Zuerst muß ich nach einem Weg suchen, wie ich von
Quirinia aus wieder nach Makar gelangen kann. Von diesem verdammten Mond
Ximonar habe ich erst einmal gründlich die Nase voll."
Jürgen Friemel 1999 |
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