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Die phantastischen Abenteuer des
William Sanfold
Wo sind die Sterne?
Es war eine dieser finsteren Nächte im Universum. Dabei
war eigentlich jede Nacht im Universum finster, aber diese war finsterer als
alle anderen. Nein, sie war es nicht, noch nicht, aber würde es bald
sein. Sie begannen zu lachen. Ihr Lachen war von solch bösartiger Macht,
daß jeder der es hören würde, Angst vor ihnen bekäme.
Sie waren fest davon überzeugt es zu tun, sie müßten wieder
eins werden. Was bot sich da? Sterne, die gab es. Millionen, Milliarden, Abermilliarden
von Sternen und alle schimmerten sie in einer gewissen Friedfertigkeit, die
einen irgendwie beruhigte. Doch sie würden es beenden, diese Friedfertigkeit
sollte ihnen dienen, sie wollten nicht einsam sein, sie wollten zusammensein,
sie müßten die Qualen des Alleinseins beenden. Sie begannen mit
der Prozedur.
Das Raumschiff begann, sich zu schütteln und in einem gewaltigen Schlag
war alles vorbei. Es war dunkel, so dunkel, wie nie vorher. Sie spürten
die Macht in sich und wie sie in ihnen aufstieg und sie wieder zusammenbrachte.
Sie lachten erneut, aber diesmal waren sie wieder eins.
Das Universum war groß, sehr groß, das brauchte ich wohl niemandem
zu sagen. Was ich mich aber manchmal fragte, war, wie groß das Universum
wohl sei. "Dies ist eine berechtigte Frage, mein Junge." Pflegte mein Vater
immer zu sagen. Dann begann er immer eine Geschichte zu erzählen, von
fremden Kulturen, Zivilisationen und Planeten.
Er wich dieser Frage immer aus. Heute wußte ich, daß das Universum
wohl grenzenlos sein muß, aber ich konnte mir nie vorstellen, was grenzenlos
war. Mein Vater wich mir immer mit diesen Geschichten aus, die mich immer
in den Bann zogen, so daß ich meine Frage vergaß.
Nun schwebte ich in meinem Schifflein durch das Universum und fragte mich,
warum mein Vater mir nie sagte, daß er nicht wußte, wie groß
es sei. Vermutlich wollte er gegenüber mir noch irgendwie allwissend
bleiben. Doch es konnte natürlich nicht ewig so weitergehen.
Irgendwann, ich war bereits älter, fragte ich ihn wieder einmal, und
es sollte das letzte Mal sein, wie groß denn nun das Universum sei,
und er antwortete mir etwas sonderbares: "Mein Junge, wie groß das Universum
auch sein mag, in seiner Größe übertrifft es doch nicht die
Größe der Güte und Liebe des menschlichen Herzens!" Ich dachte
damals, ich wüßte was er damit meinte, aber irgendwie hatte ich
nun so das Gefühl, daß ich doch nicht wußte, was er damit
eigentlich sagen wollte. Vater starb nur einen Tag später völlig
unerwartet und ohne triftigen Grund. Irgendwie kam mir dieses Zitat jetzt
in den Sinn, ich wußte nicht warum, aber ich wußte, daß
es nun an der Zeit war, ein bißchen zu interpretieren, um mehr über
die Menschen zu erfahren, zu denen ich eigentlich gehörte, die mir aber
in den letzten Jahren sehr fremd geworden waren.
Leider wurde ich aber abrupt aus meinen Überlegungen herausgerissen,
als das Schiff begann, sich kräftig zu schütteln. Kurze Zeit später
kehrte wieder Ruhe ein, doch dann ergriff das Dunkel des Universums ein mächtiges,
gleißend helles Licht, das mich so sehr blendete, daß ich das
Gefühl hatte, zu erblinden.
Als ich wieder zu mir fand, bemerkte ich absolute Dunkelheit,
und ich dachte schon ich sei tatsächlich erblindet, da kam die Energie,
die kurze Zeit ausgefallen war, zurück und durchflutete mein Schiff wieder,
bis sämtliche Lichter wieder schienen. Doch das Universum blieb dunkel,
gewiß, es war nicht außergewöhnlich, das Universum als dunkel
zu betrachten, doch so dunkel erblickte ich es nie, denn es fehlte etwas -
die Sterne.
Ich dachte zuerst an eine Sinnestäuschung, aber ich war meiner wieder
völlig bewußt und spürte, daß ich mich ausgesprochen
gut fühlte und deshalb nicht annahm, daß etwas mit mir nicht stimmen
könne. Trotz allem überprüfte ich mein eigenes Wohlbefinden
und dann das des Schiffes (obwohl man bei einem Schiff nicht vom Wohlbefinden
ausgehen sollte, man würde es sonst zu leicht mit der Komplexität
und Genialität der Konstruktion des menschlichen Körpers in Verbindung
bringen können). Ich befand mich bei bester Gesundheit, und auch das
Schiff meldete, daß der Status der vollen Funktionstüchtigkeit
entsprach.
Ich blickte erneut in den unendlichen Raum hinaus, der sich vor meinen Augen
im absoluten Nichts ausbreitete. Dieser Anblick rief in mir Entsetzen hervor,
absolutes, totales Entsetzen. Die klaustrophobische Schwärze des Universums
begann, mich in Angst zu versetzen. Ich war nie ein klaustrophobisch veranlagter
Mensch gewesen, doch dieser Anblick rief in mir in aller Härte und Extremität
einen gewissen Angstzustand hervor. Meine Gedanken wußten noch nicht,
diesen Anblick zu verarbeiten, so daß ich starr vor Entsetzen minutenlang
hinaus in das sternenleere Universum stierte.
Es dauerte einige Zeit, bis ich alles verarbeitet hatte, bis
ich mich damit zurechtfand, bis ich die Angst einigermaßen im Zaum halten
konnte, bis ich realisierte, was geschehen war, bis mir ein erschreckender
Gedanke kam. Was wäre, wenn nicht nur die Sterne verschwunden wären?
Was wäre, wenn sämtliche Planetoiden und vielleicht sogar sämtliche
Raumschiffe und -stationen verschwunden seien. Obgleich ich mir noch keine
Gedanken darüber machte, warum mein Raumschiff denn dann noch existierte,
versuchte ich mir sofort Klarheit über diese beängstigende Situation
zu verschaffen.
Ich begab mich an den Computer und begann ihn darüber abzufragen. Zu
meiner Erleichterung beschränkte sich die Sternlosigkeit auf einen, im
Vergleich zu der Gesamtheit des Universums gesehen, äußerst kleinen
Raum (obwohl jeder noch so große Raum in der Gesamtheit des Universums
klein erschien).
Ich konnte erleichtert aufatmen, als ich dann noch feststellte, daß
es noch eine Menge Planetoiden in meiner Nähe gab. Nun versuchte ich,
einen Grund für dieses unglaubliche Phänomen zu finden, so daß
ich die Aufzeichnungen des Computers durchging. Der zeigte an, daß dieses
Phänomen von einem unbekannten mächtigen Raumschiff in der Nähe
ausgegangen war. Ich nahm Kurs auf die Koordinaten und tatsächlich, dort
befand sich ein riesiges Raumschiff, auf dem ein mächtiges, mir unbekanntes
Gerät montiert war. Ich vermutete eine Waffe. Der Computer verglich die
gesammelten Daten und berichtete mir, daß das Phänomen, das für
das Verschwinden der Sterne verantwortlich war, von diesem Gerät stammen
mußte. Das Raumschiff trieb bewegungslos im All und schien mich nicht
bemerkt zu haben. Ich näherte mich vorsichtig.
Auf einmal erschien auf meinem Schirm ein mächtiges Wesen.
Der furchterregende schwarz-schuppige Kopf mündete in einen bedrohlichen,
ebenso schwarzen Schnabel. Je länger ich darauf schaute, entdeckte ich
immer mehr Feinheiten in dem Gesicht des Wesens. Narben, andersartige Schuppen,
doch keine Augen, Ohren oder eine Nase. Dann erkannte ich Flügel, schwarzes
Gefieder. "Hinfort mit euch oder Ihr werdet auf der Stelle entfernt!"
"Entschuldigt, aber wißt ihr, was mit den Sternen geschehen ist?" fragte
ich.
"Ich hatte euch gewarnt!" es drehte sich zu einem anderen Crewmitglied um,
von dem ich ebenfalls nur den Kopf ausmachen konnte und nickte leicht. Ich
spürte, wie ein Energiestrahl mein Schiff packte, es kräftig durchschüttelte
und es dann wieder losließ. "Verschwindet jetzt", begann das Wesen erneut,
"oder ich werde euch vernichten lassen!" Die Verbindung brach ab und der Bildschirm
schwärzte sich, um wenig später durch den unendlichen sternenleeren
Raum ersetzt zu werden. Erst jetzt wurde mir bewußt, daß mein
Schiff enormen Schaden genommen hatte. Ich lenkte daher lieber ein und verließ
meine Position, um den nächsten Planeten anzufliegen, wobei ich sogar
noch Glück hatte, denn in der Nähe gab es sogar einen bewohnten
Planeten.
Nach der Landung begann ich sofort mit den Reparaturen, hielt
aber das unbekannte Schiff weiterhin mit den Sensoren erfaßt, was mir
durchaus leicht fiel, da es immer noch an der Stelle unserer Begegnung ausharrte.
Die nächsten Tage blieb es weiterhin dort und ruhte, wie es mir schien.
Ich hatte die Reparaturen in der Zwischenzeit fast abgeschlossen und sogar
mit den Bewohnern des Planeten Kontakt aufgenommen. Die Vidanler, deren Aussehen
einem mächtigen, würfelförmigen Gummiballen, mit leicht abgerundeten
Ecken und Kanten, mit einer Art hervorstehendem Auge und Haaren gleicht, sind
ein kleines, aber sehr stolzes Volk, das zwar technisch noch ziemlich unterentwickelt,
aber im Geiste doch um einiges fortschrittlicher war als wir. Dadurch verstanden
sie besser, mit Dingen umzugehen die sie nicht kannten, wie zum Beispiel mein
Raumschiff und seine ausgefeilten Techniken. Ich erklärte ihnen einige
Dinge, und sie begriffen äußerst schnell.
Ich fragte sie, warum sie nicht das Bedürfnis hatten, sich technisch
weiterzuentwickeln. Sie erzählten mir, daß sie es nicht wollten,
sie bräuchten all die modernen Techniken nicht. "Sie bringen nur Unheil",
hörte ich einmal einen alten Mann sagen. Ich fühlte mich sehr wohl
bei ihnen, doch hatte ich noch eine Aufgabe zu erfüllen, das durfte ich
nicht außer acht lassen.
Ich erzählte von meinem Volk, den Menschen. Sie begriffen vieles nicht,
auch wenn ich versuchte ihnen die unverständlichen Dinge zu erklären,
konnten sie es oftmals nicht verstehen. "Was ist Gewalt?" war eine der ersten
Fragen, die ich hörte. Ich war sprachlos, und versuchte es mit Händen
und Füßen zu erklären, erzählte ihnen Beispiele aus der
Erdgeschichte und von anderen Völkern, von deren Gewaltakten ich Zeuge
wurde.
Ich legte Zeugnis ab über die menschlichen Wesenszüge, Gefühle
und den Glauben, erklärte ihnen unsere Probleme und vermittelte ihnen
einen kompakten, wenn auch eher düsteren Eindruck über unsere Gesellschaft.
Oftmals reagierten sie schockiert über einige Dinge, vor allen Dingen,
nachdem ich erklärte hatte, was Gewalt und Haß sei, manchmal verwundert
oder verblüfft.
All diese Dinge kannten die Vidanler nicht, sie kannten nur das `Stollmn´,
eine Art gedankliche, gemeinschaftliche Verbindung, die aus ihnen so etwas
wie ein Ganzes macht. Ich probierte es einmal aus, doch war es für mich,
der nur das individuelle Leben gewohnt ist, eine einzige Qual. Für die
Vidanler hingegen ist das Stollmn die Erfüllung. Die Funktionsweise zu
erklären, ist schwer, aber ich will es mal an einem Beispiel versuchen.
Wenn ein Vidanler, was aber noch nie vorkam, gegenüber einem anderen
Gewalt anwenden würde, würde jeder die Schmerzen spüren, auch
der, der sie verursachte. Die Vidanler erlebten alles gemeinsam, so daß
meine Ankunft und meine Erzählungen, sobald es ein Einzelner erfahren
hatte, sofort an das Stollmn weitergegeben wurden, wodurch dann jeder davon
wußte. Eines Tages fragte mich eine wohl eher kindliche (ich konnte
es nur schwer erkennen) Vidanlerin, wo denn eigentlich die Sterne geblieben
seien. Ich konnte nur mit den Schultern zucken, ließ dabei aber den
Verdacht außer acht, den ich gegen das unbekannte Schiff hegte, das
sich noch immer regungslos an derselben Stelle aufhielt. Das Fehlen der Sterne
machte die Vidanler allgemein sehr nervös, wie ich bemerkte. Ich beschloß,
so bald wie möglich aufzubrechen, um dem unbekannten Schiff einen erneuten
Besuch abzustatten. Am Abend des Tages, an dem ich die Reparaturen fertiggestellt
hatte, verabschiedeten mich die Vidanler freundschaftlich in einem großen
Fest. Ich war gerührt.
Als ich nun im Begriff war aufzubrechen, fragte mich ein Vidanler, der der
Abschiedsdelegation zugehörte, aufgrund meiner Erzählungen von den
Menschen, warum ich dorthin zurückkehren wolle. Ich überlegte kurz
und sagte ihm das, was mein Vater mir einmal gesagt hatte: "Lieber Vidanler,
ich habe manchmal so schlecht von meinem Volk gesprochen, doch wie groß
das Universum auch sein mag, in seiner Größe übertrifft es
doch nicht die Größe der Güte und Liebe des menschlichen Herzens!"
Sie verstanden es und ließen mich ziehen. Der Abschied war mir schwer
gefallen, denn in den letzten Tagen hatte ich die Vidanler richtig liebgewonnen
und ich fühlte mich so gut wie schon lange nicht mehr, denn die Vidanler
besaßen die seltene Gabe, Schmerzen und unangenehme Empfindungen zu
unterdrücken. Ich wußte nicht, ob diese Gabe so gut war und deshalb
versuchte ich mich so gut wie nur möglich von ihnen abzuschotten, ohne
unhöflich zu wirken. Doch nun war ich dabei, sie zu verlassen, denn ich
hatte noch etwas zu tun.
Langsam hob mein Raumschiff ab und begann, sich in den Weltraum zu erheben.
Vorsichtig setzte ich Kurs auf das unbekannte Raumschiff.
Wenig später erreichte ich das Ziel, und da diesmal niemand mit mir Kontakt
aufnahm, um mir zu drohen, versuchte ich sie zu rufen. Dies schlug ebenfalls
fehl, daher nahm ich das Schiff unter die Lupe. Der Computer erklärte
mir, daß es von völlig unbekannter Bauart sei, auch die meisten
Legierungen sind unbekannt, sowie die Waffensysteme und der Antrieb. Der Computer
meldete außerdem noch, daß es von einer Art Kraftfeld umhüllt
war, das mit Waffen nicht zu durchdringen sei, doch meldete er auch, daß
es eine kleine Fluktuation gab, die, bei gezielter Manipulation, dazu führen
könne, daß man das Kraftfeld deaktivieren könnte.
Ich führte die Instruktionen des Computers aus und siehe da, es geschah,
was er vorausgesagt hatte, das Kraftfeld brach nämlich zusammen. Ich
lenkte mein Schiff ganz nah heran und koppelte es an eine Luke an, die ich
sogleich, mit einem Raumanzug bekleidet und einer Waffe in der Hand, öffnete
und sicher passierte.
Ich kam in einen nur etwa einen Meter hohen Raum (es war eher ein Schacht)
und löste sofort den Eindringlingsalarm aus. Ich begann, mich durch den
Schacht zu schleppen, während ich in nicht allzu weiter Ferne schon Geräusche
hörte. In der Hoffnung nicht entdeckt zu werden, versuchte ich verzweifelt,
einen größeren Raum auszumachen, denn mein Rücken schmerzte
schon. Dann kam ich auch in einen Raum, doch war dieser nicht viel größer
als der Schacht, durch den ich zuvor gekrochen war und mein Rücken tat
immer noch weh. Ich ruhte einen Moment.
Das war ein Fehler, denn in diesem Moment schlug neben mir ein von mir unbemerktes
Schott auf, und ein Kopf sah zu mir herein. Es war der Kopf, mit dem ich bereits
bei der ersten Begegnung mit dem Schiff gesprochen hatte. Wohlgemerkt, es
war nur ein Kopf, kein Körper.
"Kommen Sie sofort da raus!" brüllte er mich an. Ich folgte seinem Befehl
und kroch hinaus aus meinem Versteck. Ich befand mich nun in einem mächtigen
Raum, indem noch einige Köpfe im Raum schwebten. Sie bestanden nur aus
dem, was ich vorher als Kopf klassifiziert hatte, doch es war ihr gesamter
Körper. "Was haben Sie hier zu suchen?!" schrie mich das Wesen an, das
mich entdeckt hatte. Ich fürchtete mich, versuchte aber angesichts der
mißlichen Lage noch einigermaßen Würde zu bewahren. Nachdem
ich mich endlich wieder aufrecht stellen konnte und meine steifen Glieder
gestreckt hatte, begann ich: "Was haben Sie mit den Sternen gemacht?"
"Wir haben sie gebraucht, für unsere Zwecke, aber das geht Sie gar nichts
an."
Jetzt wurde auch ich ein wenig laut, obwohl ich es eigentlich nicht hätte
sein dürfen, schließlich war ich der, der sich in der Minderzahl
befand. "Natürlich geht mich das was an, die Sterne sind nicht Ihr Eigentum,
sie gehören uns allen. Ich fordere, daß Sie die Sterne sofort zurückgeben."
Ich war eigentlich nicht in der Lage Forderungen zu stellen, aber ich tat
es trotzdem. Nun horchten auch die anderen auf, die bisher nur teilnahmslos
durch den Raum geschwebt waren. Sie versammelten sich hinter dem Wesen, daß
sich bisher mir zugewandt hatte. Ich vermutete, es sei so eine Art Captain.
Dann begann eine Stimme aus der frisch versammelten Gruppe zu sprechen. "Sie
verstehen das nicht, wir brauchen die Sterne, um zu überleben, wir sind
von ihnen abhängig."
"Inwiefern?" fragte ich. Da sprach wieder der, den ich als Führer vermutete.
"Vor Jahrhunderten kam eine fremde Rasse auf unsere Heimatwelt und mißhandelte
unsere gesamte Spezies. Sie nahmen uns unsere Körper. Sie stahlen sie,
um sie für sich nutzbar zu machen. Sie benutzten gefangene Körper
zur Sklavenarbeit, während sie die Köpfe einfach zurückließen.
Der Großteil unserer Zivilisation kam nie darüber hinweg, vegetierte
vor sich hin und starb. Wir sind die letzten unseres Volkes." Also hatte ich
doch recht mit meinem Verdacht, es wären nur Köpfe. Das Wesen fuhr
fort: "Für uns, die wir überlebten, brach eine Zeit der Qual an.
Wir flüchteten von unserem Planeten, um unser Leid und unseren Kummer
zu vergessen, doch die Qualen hielten an. So suchten wir nach einer Möglichkeit,
unser Leben angenehmer zu gestalten." Es drehte sich kurz zu den anderen um
und widmete sich dann wieder mir. "Folgen Sie mir!" Ich folgte dem Wesen,
während die anderen mir folgten.
Wir gingen durch das gesamte Schiff, und ich machte die seltsamsten Entdeckungen,
bis wir im hinteren Teil ankamen, wo sich der Antrieb befand. In einer benachbarten
Sektion gab es einen großen Raum mit einer interessanten Maschine darin.
Ein riesiger runder transparenter Ball befand sich auf einem kleinen Klotz.
In dem Ball gab es mehrere Dutzend kleine Kammern. Das Wesen, dem ich gefolgt
war, begann wieder, sich mir zuzuwenden: "Dies ist unsere `Tarkes-Kammer´,
diese Kugel benötigt all die Sterne, die wir aufgesogen haben, die sie
dann verarbeitet, um eine Illusion zu erschaffen. Nachdem wir die Sterne aufgesogen
haben, suchen wir uns einen einigermaßen sicheren Platz, um das Schiff
dann, dem Computersicherheitssystem unterstellt, in eine Ruhelage zu versetzen.
Wir schweben dann in diese Kammern, um uns unseren Träumen hinzugeben,
von den Träumern unserer Welt und unserer Körper, die die Sterne
erzeugen. Es sind nur Illusionen, das wissen wir, aber ohne sie können
wir nicht mehr leben, außerdem altern wir während unserer Traumphasen
nicht."
Das Wesen hielt kurz inne. Es schien nachzudenken, fuhr dann aber fort: "Wir
haben nichts Böses im Sinn und wollen keinem Leid zufügen, wir wollen
lediglich diese triste Realität vergessen, in der wir leben und die uns
nur Leid beschert hat." Ich fragte, ob sie die Sterne schon alle verbraucht
hätten. Es verneinte. "Eine Ration reicht schon ein paar Jahrzehnte,
die wir dann in diesen Kammern verbringen. Es kann schon vorkommen, daß
unser Schiff während dieser Zeit angegriffen wird oder, daß irgend
etwas passiert. Dann weckt uns das Computersicherheitssystem, wie es das im
Falle Ihres Eindringens tat." Ich entschuldigte mich dafür, betonte aber
zugleich, daß man nicht noch mehr Sterne stehlen dürfe, da diese
ein wichtiger Bestandteil des Universums seien. "Für uns hat das keine
Bedeutung." Der freundliche Ton war wieder gewichen und wurde durch einen
energischen, schon fast aggressiven ersetzt. Es herrschte einen Moment lang
Schweigen, dann unterbrach ich diese Stille. "Wie sieht es aus, kann ich diese
Kammer auch einmal ausprobieren? Ich bin sehr neugierig." Es erklärte
mir, daß man das Programm aber nicht selbst beenden könne. "Nur
wenn die Sterne ausgegangen sind oder der Computer einen Sicherheitsalarm
auslöst, beendet sich das Programm von selbst." Ich fand das schade,
aber mußte mich damit abfinden. Man führte mich die nächsten
Stunden durch das Schiff und erzählte mir von der Gesellschaft der Getebigh,
denn so hieß die Rasse, von der sie stammten. Einst waren sie eine stolze
Zivilisation voller wundervoller technischer Errungenschaften, von denen man
mir einige mit Stolz präsentierte. Sie waren mächtig in ihrem Sektor
und beherrschten ein großes Gebiet. Doch gibt es immer wieder stärkere
Völker, so auch das Maschinenvolk von XYN, die sich in dieser Periode
ihrer Geschichte immer weiter ausdehnten und zu den mächtigsten Feinden
der Getebigh wurden. Das Maschinenvolk gehorchte bedingungslos dem sogenannten
ADMINISTRATOR, dem sie unterstellt und angeschlossen waren. Man versuchte
ihn zu finden, um ihn zu vernichten, doch es war aussichtslos, denn niemand
wußte, wo er sich befand. Sie führten einen harten und mächtigen
Krieg mit den Getebigh, mit denen sie sogar große Schwierigkeiten hatten.
Sie siegten nur zäh und die Gebetigh leisteten heftigsten Widerstand.
Doch schließlich mußten diese kapitulieren. Die Maschinen waren
einfach zu mächtig und XYN dehnte sich nun auch über das Getebigh-Reich
aus. Man trieb alle Getebigher auf dem Zentralplaneten zusammen und tötete
alle unbrauchbaren, den brauchbaren wurden die Körper genommen, um sie
als willenlose Arbeitskräfte schuften zu lassen. Dann starben fast alle
aufgrund dieser Körperlosigkeit, nur die, denen ich begegnete, haben
ihres Wissens überlebt. Was aus dem Maschinenvolk der XYN über die
Jahrhunderte wurde, konnte man mir nicht sagen, man erzählte mir lediglich,
daß sie noch immer dabei waren, sich auszubreiten, als man ihren Raum
verließ.
Nachdem ich die Geschichte ihrer Zivilisation in Details erfahren hatte, lenkte
ich unsere Unterhaltung auf mein Anliegen, die Sterne zu befreien. Ich sprach
das Thema sehr vorsichtig und behutsam an. Doch die darauffolgende Diskussion
brachte kein vernünftiges Ergebnis. Sie erklärten mir, daß
sie zwar bereit wären, diese Sterne wieder frei zu lassen, daß
sie sich aber in einen anderen Sektor flögen, um sich dort die Sterne
anzueignen, und dies käme auf dasselbe heraus.
Schließlich ermüdete ich und sie boten mir an, im Schiff zu bleiben
und zu übernachten, man könne das Gespräch fortsetzen, wenn
ich ausgeruht sei. Ich nahm dieses Angebot gerne an.
In den paar Stunden Schlaf, die ich mir gönnen wollte, um für die
nächste Diskussion wieder bei Kräften zu sein, kam ich aber nicht
zur Ruhe, sondern überlegte mir etwas, von dem ich überzeugt war,
daß es eine gute Idee sei.
Dann beschloß ich meine Ruhephase zu beenden, ohne mich wirklich ausgeruht
zu haben, und suchte das Schiff nach den Wesen ab. Ich fand sie, allerdings
befanden sie sich in der Tarkes-Kammer, um zu träumen. Ich entdeckte
einen Bildschirm, der wohl das bildlich wiedergab, was sie jetzt träumten.
Erstaunlicherweise befanden sie sich alle in derselben Traumwelt. Ich sah
gebannt darauf.
Einige der Köpfe erkannte ich wieder, doch jetzt hatten sie wieder Körper.
Diese sahen aus wie große Flossen, ähnlich denen einer irdischen
Meerjungfrau. Die Baustruktur der Stadt, in der sie sich befanden, war beeindruckend.
Es erinnerte mich irgendwie an die Baustruktur der ELF, die wir im Krieg völlig
ausgerottet hatten. Was für eine Schande.
Während ich noch der blühenden, fröhlichen Kultur der Getebigh
zusah, begann ich den Wiederauferstehungsprozeß zu initialisieren. Nur
wenige Minuten später hatten sich wieder alle Köpfe gesprächsbereit
vor mir versammelt und ich erklärte ihnen, daß ich eine Idee hätte,
wie wir das Problem lösen könnten.
"Hier in der Nähe gibt es auf einem Planeten ein Volk", begann ich zu
erzählen, "die in einer gedanklich gemeinschaftlichen Verbindung namens
Stollmn leben. Ich habe mir überlegt, daß Sie sich auf diesem Planeten
ansiedeln könnten. Die Vidanler, so nennt sich das Volk, besitzt die
selten Gabe, Schmerzen vergessen zu lassen, und wenn Sie sich erst einmal
dem Stollmn angepaßt hätten, würden sie diese Kammer hier
nicht mehr brauchen." Ich zeigte auf die runde Maschine. "Sie könnten
es zumindest versuchen."
Ich wußte, daß ich irgendetwas falsch machte. Es erschien mir
irgendwie nicht richtig, dies zu tun. Sie müßten mit ihrer Existenz
leben, ob es ihnen nun paßte oder nicht. Der Vorschlag, den ich ihnen
soeben unterbreitet hatte, bedeutete dasselbe, was die Gebetigh-Überlebenden
die letzten Jahrhunderte eigentlich schon getan hatten - ihr Leben zu vergessen
und ihre Existenz zu verleugnen, eben nur auf einer anderen Ebene. Ich wußte
nicht weiter. Eigentlich war es mir nur darum gegangen, die Sterne zu retten,
doch ich hatte mich mittlerweile in eine Sache verrannt, deren Ausmaße
ich nicht hatte abschätzen können. Nun war es genug. Ich ließ
die Sterne Sterne sein und verließ die Gebetigh. Es war nicht richtig
gewesen, das wußte ich, die Sterne waren verloren, doch was bedeuteten
ein paar Sterne, wenn ich mir hier anmaßte, das Schicksal zweier Völker
zu bestimmen.
Die Gebetigh hatten meinen Vorschlag ohnehin abgelehnt, sie wollten nicht
einer anderen Kultur zur Last fallen, was ich auch verstehen kann. Für
mich hatte sich die Sache von dem Zeitpunkt an erledigt.
Die Sterne waren verloren. Nachdem ich das Schiff verlassen hatte und Kurs
in einen Bereich der Galaxie setzte, der voller Sterne war, hatten sich die
Überlebenden der stolzen Rasse der Gebetigh ihrer Traumwelt hingegeben,
in dem Bestreben, die Wirklichkeit zu vergessen.
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