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Lift

Es musste ja sein!
Er konnte sich tausend bessere Möglichkeiten vorstellen, seinen Nachmittag zu verbringen, aber er wusste genau, dass seine Verwandtschaft nie wieder ein Sterbenswörtchen mit ihm reden würde, wenn er nicht seine Tante im Krankenhaus besuchte.

Gelangweilt schlenderte er durch die verglaste Vorhalle der Kölner Uniklinik und warf einen Blick auf den Wegweiser. Demnach musste seine Tante im 8. Stock liegen. Er drückte auf dem nach oben gerichteten Pfeil am Aufzug und wartete. Der Aufzug kam und entließ einen Pfleger, der sich mit einem Tablett voller medizinischen Krames an ihm vorbei schob.

Ohne dem Pfleger eines weiteren Blickes zu würdigen, betrat er die Liftkabine; außer ihm war niemand hier.

Da kam ihm eine Idee. Wahllos drückte er die Knöpfe für den 11., den 10., den 8. und den 15. Stock: Die nächsten Nutzer des Liftes würden sich noch freuen! Die Türen schlossen sich, und der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung. Er merkte es an dem seltsamen Ziehen und dem Gefühl, plötzlich fast gar nichts mehr zu wiegen. Aha! Die Uniklinik hatte also einen Expresslift!

Doch irgendwas stimmte nicht. Während er darüber nachdachte, fiel sein Blick auf den Stockwerksanzeiger und blieb wie versteinert hängen. Die Segmentanzeige - kurz zuvor hatte dort noch "EG" für Erdgeschoss gestanden - stellte schnell hintereinander "U2", "U3" und "U4" dar, danach befanden sich dort nur noch zwei hektisch blinkende Striche.

Ich bewege mich herunter, dachte er entsetzt. Deshalb auch das seltsame Gefühl! Wenn man mit einem Expressaufzug nach oben fährt, fühlt man sich schwerer! Er bemerkte, wie er eine Gänsehaut bekam; seine Handflächen wurden feucht. Wo fuhr dieser Fahrstuhl hin - oder fiel er?

Plötzlich blieb der Lift stehen. Seiner Schätzung nach musste er sich nun im 5. oder 6. Untergeschoss befinden. Dann bewegte sich die Kabine - von einem Ruck eingeläutet und einem Quietschen begleitet - zur Seite.

Seine Hand näherte sich dem Alarmknopf. Seine Fingerkuppe war noch schätzungsweise 2 Zentimeter entfernt, als plötzlich der Boden der Kabine herunterfiel. Das Gefühl hatte er immer noch, als er seinen Kopf hochriss und das Licht der Liftkabine sich rasend schnell entfernte.

Erst jetzt fiel sein Blick auf die ihn umgebenden Wände. Sie schienen aus einem Metall zu bestehen, das irgend einen grünlichen Schimmer hatte. Er konnte sich nicht ersinnen, jemals so ein Material gesehen zu haben. Dazu kam, dass es aus sich heraus zu glimmen schien, so dass es nicht völlig dunkel war.

Er machte einen kleinen Sprung. Wenn er sich wirklich im freien Fall befand, müsste er über der Bodenplatte in der Luft hängen bleiben. Erleichtert stellte er fest, dass er - wenn auch unendlich langsam - wieder auf diese zurücksank.

Verzweifelt ließ er sich sinken und blieb auf dem Boden sitzen. Seiner Meinung nach war er schon über einem Kilometer tief "gefallen". Er glaubte schon feststellen zu können, dass es wärmer wurde.

Im Bruchteil einer Sekunde wurde er auf den Boden gepresst - die Bodenplatte wurde abgebremst!

Innerhalb weniger Augenblicke kam sie völlig zum Stillstand und kurz darauf bildete sich ein Loch in der Wand direkt vor ihm. Es war keinerlei Öffnungsmechanismus zu erkennen; die Wand löste sich einfach auf.

Vorsichtig steckte er seinen Kopf durch die Öffnung, blickte nach rechts und nach links und kam dann langsam und unsicher herausgetorkelt.

Es bot sich ihm das Bild einer völlig fremden Umwelt. Über ihm spannte sich ein purpurfarbener Himmel; eine riesige blaue Sonne schien herab. Zu seinem Füßen befand sich ein Weg aus demselben Material, aus dem auch der "Fahrstuhlschacht" bestanden hatte. Er folgte mit dem Blick seinem Verlauf: An einigen Felsen vorbei ging es schließlich...

...in eine Stadt! Fremdartige schwarze kugel- und pyramidenförmige Bauwerke boten sich seinem Blick bis zum Horizont. Jetzt bemerkte er, dass der Himmel keinesfalls echt, sondern vielmehr eine gigantische Projektion war, die dem Betrachter die Illusion vermittelte, an der Oberfläche von Werweiswo zu sein. Er folgte dem Rand des künstlichen Horizontes und stellte fest, dass er sich unmittelbar am Rand dieser völlig runden - und damit höchst wahrscheinlich künstlichen - Höhle befand.

Er war aus einem Loch in der Wand gekommen.

Während er noch weiter staunend die Stadt betrachtete und überlegte, wer sie erschaffen haben könnte, fiel ihm ein Lichtpunkt auf, der aus der Mitte der Stadt aufstieg und schnell näher kam. Das Objekt hatte die Form eines etwas zu klein geratenen Hubschraubers, jedoch fehlten Rotor und Seitenstabilisator.

Als der Pseudohelikopter soweit näher gekommen war, dass er durch die Frontscheibe ins Innere gucken konnte, erstarrte er. Er wagte nicht, zu atmen und auch sein Herz schien nicht mehr schlagen zu wollen, angesichts dessen, was er erblickte.

Zwei grünliche, wurmartige Kreaturen wanden sich ihm Cockpit. Mit jeweils drei Tentakeln führten sie irgendwelche Kontrollen durch, dabei zuckte ein dreieckiges, schillerndes Etwas im oberen Drittel der Körper hin und her.

Ganz eindeutig hatten sie ihn bemerkt. Ja, sie mussten ihn bemerkt haben. Er musste weg und doch konnte er sich nicht bewegen.

So muss sich ein Reh im Scheinwerferlicht auf der Straße fühlen, dachte er. Es müssen Außerirdische sein, ja, ALIENS!!!!

Er fing an zu kichern. Da geben die Forschungsstationen Unsummen aus, um mittels SETI "extraterristisches" Leben zu suchen, und dabei befinden sich die Aliens bereits unter uns - im wahrsten Sinne des Wortes!

Er wandte seinen Blick auf die "Südwand" der Höhle und fand - wie erwartet - einen Tunnel.

Der führt direkt nach Bonn, schrieen seine Gedanken. Dort sitzen sie immer und horchen unsere werte Regierung aus... hahaha.... wo sitzen sie denn noch? - In, äh, unter Washington? London? Paris? Moskau? Brüssel? Hehe...

Nun wurde aus dem Kichern ein hysterisches Lachen. Das Fluggerät war inzwischen gelandet und die Würmer glitten nach draußen. Sie hatten zwischen ihre Tentakel ein stabförmiges Gerät geklemmt.

Er zweifelte keine Sekunde lang daran, dass es sich um eine Waffe handelte. Selbst als sich ein rötlicher Strahl daraus löste, war er noch am Lachen, mittlerweile schrie er fast.

Als es um ihn dunkel wurde, sank er mit einem Grinsen im Gesicht auf den Boden.

Alexander Nofftz, Leverkusen, Oktober 1996

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