© der Geschichte: Thomas Otto. Nicht unerlaubt
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Die Kastenwesen

Der Weltraum.
Über den Daumen gepeilt ziemlich groß.
So groß, daß das Licht, wenn es von einem zum anderen Ende unterwegs ist, verdammt lange braucht.
Wie lange?
Es ist leicht, mit Zahlen um sich zu werfen. 30 Milliarden Lichtjahre - was sind 30 Milliarden Lichtjahre? Wer kann sich so etwas vorstellen?
Nein, versuchen wir einen anderen Ansatz, der viel besser vermittelt, wie lange das Licht für die Durchquerung des Universums bräuchte.
Stellen sie sich einen dieser dunklen Wintertage vor. Da sie tagsüber in einer Fabrikhalle arbeiten, haben sie schon seit geraumer Zeit kein Tageslicht mehr gesehen. Nun ist Wochenende, die zwei kostbarsten Tage in der Woche. Und sie sind bei Schwiegermutter Else und Papa Gustav mit ihrer Frau und den drei Kindern eingeladen und müssen die Diashow "Ich weiß, was ich letzten Sommer getan habe und hier die Bilder dazu" über sich ergehen lassen.
Und mit Schrecken stellen sie fest, daß die Plastikmagazine mit den Urlaubsdias beinahe den ganzen Wohnzimmertisch ausfüllen. Sie umklammern mit ihren Händen die Armlehnen ihres Sessels und versuchen ein gequältes Lächeln zustande zu bringen, als Schwiegermutter Else mit den Käsecrackern ankommt, während Papa Gustav mit zittriger Stimme jedes Dia ausführlich und mit Detailbessenheit erklärt - "Hier stehe ich vor McDonald's auf Gran Canaria, Else seht ihr natürlich nicht, die hat ja das Photo gemacht, aber da, da unten am Bildrand, da könnt Ihr ein wenig ihren Schatten erkennen...".
Und sie denken sich: Hilfe!
Jetzt können sie sich vielleicht vorstellen, wie lange das Licht braucht, das Universum zu durchqueren. Und das bringt gewisse Probleme mit sich.
Man kann nicht mal eben die Jacke vom Regal nehmen, sich die superschicken Lederhandschuhe überziehen und das Auto anwerfen, um zum Mondscheinsonatenkonzert der Berliner Philharmoniker live im Mare Imbrium zu fahren. (Abgesehen davon, daß man auf dem Mond natürlich gar nichts hört.)
Nein, das All ist einfach zu groß.
Raumfahrt ist deshalb sehr teuer. Man braucht Treibstoff, man braucht die Rakete. Wenn man Menschen ins All schießen möchte braucht man dazu noch Sauerstoff, man muß überlegen, wie die Kapsel eventuell wieder zurückkehren könnte, dann braucht man auch noch Nahrungsvorräte. Kurzum: es ist teuer.
Also nimmt man Raumsonden, um die nähere Umgebung zu untersuchen. Man entwickelt über Monate hinweg eine kleine, süße Sonde, mit draufgängerischem Namen wie "Mars Pfadfinder" oder aber "Mars Erkunder". Man steckt viel Arbeit, Intelligenz und Liebe in die Entwicklung der Sonde, hofft beim Start der Rakete, daß sie nicht in den Atlantik (oder auf die eigene Rübe) fällt und daß der Mars dann 11 Monate später auch wirklich dort ist, wo er sein soll.
Man erlebt dann mit Freude, wie die kleine Sonde schließlich in die Umlaufbahn des Planeten einschwenkt und zum Landeanflug ansetzt. Der Sekt steht schon in den Kübeln, die Korken sind bereits gelockert...
Und hinterher reißt man sich die Haare aus und fragt sich, ob es nicht doch klüger gewesen wäre, statt der billigen studentischen Aushilfskraft aus Albanien, die mehr virtuelle Moorhühner am PC erschossen hat, als es von den armen Vögeln in der Realität gibt, einen echten NASA-Ingenieur mit der Aufgabe zu betreuen, die Landung der Sonde zu programmieren. Vielleicht hätte dieser nicht nach einer durchzechten Moorhuhn-Nacht Meter mit Millimetern verwechselt - und vielleicht hätte sich die Sonde dann nicht ungebremst mehrere Meter tief in den Marsboden gebohrt.
Raumfahrt ist also nicht nur teuer. Sie ist riskant.
Gibt es nicht bessere Wege?

Schwenken wir ein wenig den Blickpunkt...

Der Weltraum...
Samtene Schwärze in die Sterne wie funkelnde Diamanten eingelassen sind. Viele dieser Sterne haben Planeten. Unsere Erde als ein Beispiel dafür. Ein anderes Beispiel ist Blabbagrrgl, wie der Planet von den Bewohnern genannt wird. Er schimmert bläulich im Licht einer fernen Sonne. Wolken durchziehen die Atmosphäre, und auf den ersten Blick erinnert Blabbagrrgl sehr an die Erde.
In der Umlaufbahn befinden sich künstliche Satelliten. Einer von diesen Satelliten schimmert besonders prächtig. Es ist eine außergewöhnliche Konstruktion, die schon von weitem durch die Größe beeindruckt. Der Satellit erinnert von vorne betrachtet vage an ein großes Auge. Ein wahrhaft gigantisches Auge. Das Auge ist in einem silbernen Rahmen eingefaßt und von diesem Rahmen gehen unzählige dünne Streben ab, die sich in einiger Entfernung in einem Kasten treffen. Wenn man allmählich näherkommt, kann man die wahre Dimension dieses seltsamen Auges im Himmel bemessen. Und man erkennt, daß das Auge ein gigantisches Teleskop ist. Eine wahre Meisterleistung der Ingenieurskunst. Der Durchmesser des Teleskopes beträgt mehr als 10 Kilometer. Und der Kasten, in fast hundert Kilometer Entfernung vom Spiegel, beherbergt den Kontrollraum. Normalerweise kreist das Teleskop unbemannt um Blabbagrrgl. Doch heute ist ein besonderer Anlaß. Grund genug, sich das Innere des Kontrollraumes zu betrachten.
Mehrere dutzend Lebewesen, die entfernt an überdimensionale - knapp 15 Meter große - leicht abgeflachte, Wackelpuddinge (in rot und gelb, manche sind auch orange, hier und da gibt es auch ein paar grüne Lebewesen) erinnern, wobbeln, wackeln und morphen vor sich her. Es sind die Grrglguhs, wie sie sich selber nennen. Menschen, wenn man es übersetzen möchte.
Einer der Grrglguhs steht etwas abseits auf einem Podest und wobbelt und wackelt am heftigsten. In sporadischen Abständen formen sich Gliedmaßen aus seinem Körper. Hände und Arme, die mal hier, mal dort diverse Apparaturen bedient. Seine tellergroßen Augen zeugen von Intelligenz. Und die Augen der anderen Lebewesen sind wie gebannt auf den Redner gerichtet.
"Brrblguhbldrrrrrg bmmmblduhduhkrrrrrrrk heiouiuiuiuiuiui ... (hier nur eine kurze Andeutung des Grrglguhischen Idioms) ... hmmbleskop wurde vor knapp einem Jahr fertiggestellt. Die Investition wurde vom Rat der 15 tief in Frage gestellt (zustimmendes wobbeln der Zuhörer). Die grundlegende Frage lautete damals wie heute, wie wir den Weltenraum erkunden wollen. Seit den Tagen der ersten Weltraumteleskope wissen wir von anderen Planetensystemen. Es stellte sich bald die Frage, wie wir bessere Daten erhalten können - mit den relativ kleinen Teleskopen damals war bald die Grenze an Informationsausbeute erreicht.
Nun sind Raumsonden oder gar bemannte Raumkapseln sicherlich stets die erste Idee, wenn man überlegt, wie man an bessere Daten kommt oder gar Kontakt aufnimmt.
Hier auf der Tabelle sehen sie alle die projezierten Kosten für ein Weltraumprogramm, das die bekannten 48 Planetensysteme im Radius von 150 Lichtjahren mit Raumsonden untersucht, hier daneben die Kosten für ein bemanntes Programm.
Das Bruttosozialprodukt des gesamten Planeten wäre dafür nötig gewesen. Die Kosten für das Brahmmbl-Tiefraumteleskop sind zwar immer noch sehr enorm gewesen, es ist das größte von Grrglguhischer Hand geschaffene Objekt, die Produktionsdauer zog sich über mehr als zwei Jahre hin. Aber wir haben nun ein stationäres Instrument, das uns ermöglicht, die fernen Planetensysteme vorab von unserem Planeten aus mit erstaunlich großer Detailgenauigkeit zu untersuchen - um dann gezielt Raumsonden oder bemannte Missionen dorthin zu schicken, wo wir ein lohnenswertes Ziel gefunden haben. Auf diese Weise werden wir von vielen Enttäuschungen bewahrt, wenn wir anstelle blind Raumsonden zu den fremden Planeten senden würden.
Im letzten knappen Jahr lief die erste Forschungsmission des Brahmmbl-Tiefraumteleskops unter meiner Leitung und mit tatkräftiger Unterstützung meines Teams (fünf der Grrglguhs wobbeln heftig auf und ab). Und sie alle hier sind versammelt, um die Forschungsergebnisse dieser ersten Mission hier zu sehen...."

Es formte sich ein kleiner Arm aus dem wobbelnden Körper des Redners und es wurde ein kleiner Schalter auf einer Armatur betätigt. Plötzlich verdunkelte sich der Raum und ein mehrstimmiges "Brrbllll" "Braaahhhbbl" und "Mbbbrrrrmml" ertönte (begleitet von wobbeln und wackeln). Doch noch ehe sich die Aufregung legen konnte, formte sich an der Decke des Raumes eine dreidimensionale Projektion von atemberaubender Detailgenauigkeit.
"Was sie hier sehen, wurde zwar durch den Großrechner verarbeitet, die Bilder jedoch stammen allesamt vom Brahmmbl-Tiefraumteleskop. Wir sehen nun die Fahrt eines virtuellen Raumschiffes durch das Sonnensystem, das wir untersucht haben...."
Der Redner verstummte und ließ die Bilder sprechen.
Es tauchte in der Ferne ein kleiner, blauer Klumpen auf, es war ein kleiner Planet, ein etwas größerer Eisklumpen, karg und unbewohnt - die Kamera passierte kurz und flüchtig den Planeten und raste weiter. Schnell tauchte ein größerer Planet auf, der außer einer bläulichen Atmosphäre auch nichts weiter zu bieten schien. Die Kamera ließ auch diesen Planeten links liegen.
Es folgte ein weiterer unscheinbarer Planet (erste Langeweile machte sich bei den Grrglguhs breit), den die Kamera glücklicherweise aber auch schnell links liegen ließ.
In der Ferne konnte man nun schon das Zentralgestirn des Planetensystems deutlich funkeln sehen. Da tauchte plötzlich ein prachtvoller Planet mit einem Ringsystem auf. Es ertönte wieder ein mehrstimmiges "Brrbllll" "Braaahhhbbl" und "Mbbbrrrrmml" (begleitet von wobbeln und wackeln), als die Kamera langsam am Gasriesen vorbeischwenkte und dabei durch das Ringsystem glitt. Im Heimatsystem der Grrglguhs gibt es keinen Ringplaneten und die Aufnahmen des Brahmmbl-Tiefraumteleskop waren wirklich sehr beeindruckend.
Doch die Aufregung hielt nur kurz an, als der nächste Planet wieder ein langweiliger Gashaufen war - die Kamera bewegte sich schnell weiter und passierte einen Gürtel aus Schutt und Gesteinsbrocken.
Der Redner bemerkte wohl die um sich greifende Langeweile. Bilder von Gasplaneten und Schuttringen gab es zu Hauf, er betätigte einen Schalter und die Kamerafahrt beschleunigte sich. Blitzschnell tauchte aus der Ferne ein rotglühender Planet auf. Die Kamera schwenkte ins eine Umlaufbahn ein und ließ ausgetrocknete Flußbetten sowie die kleinen Polkappen sichtbar werden. Die Animation hielt inne.
"Wir hatten in den ersten Wochen die äußeren Planeten des Systems untersucht mit den - wie sie gesehen haben - recht enttäuschenden Resultaten. Außer einem recht hübschen Ringplaneten gab es nichts außer Gas und Eis zu sehen - oder aber Schutt, der unkoordiniert das Zentralgestirn umkreist.
Bei diesem kleinen roten Planeten waren wir uns zuerst nicht ganz sicher, doch auch hier erkannten wir nach einer Weile, daß Leben hier nicht existiert. Doch dann wurden wir fündig!" Der Redner klang bemüht enthusiastisch und die Animation fuhr fort.
Die Kamera (oder das virtuelle Raumschiff) verließ die Umlaufbahn des roten Planeten und raste weiter. Die Sonne war nun bereits sehr kräftig und blendete, als die Kamera in ihre Richtung schwenkte.
Doch nach einer kleinen Weile verdunkelte plötzlich ein runder Schatten die Sonne - die Kamera schwenkte herum und man sah die volle Pracht eines Planeten, der rein äußerlich betrachtet erstaunlich Blabbagrrgl glich. Blaue Ozeane und weiße Wolkenbänder beherrschten die Optik. An den Polen des Planeten befanden sich ebenfalls große Eiskappen. Die Kamerafahrt hielt schließlich inne und der Planet drehte sich ganz langsam um seine eigene Achse.
"Wir hatten nach mehrwöchiger Untersuchung der äußeren Planeten endlich einen gefunden, der Leben versprach. Nachdem die Bilder, die sie bisher sehen konnten, mit dem kleineren Erkundungsspiegel gewonnen wurden, wechselten wir nun über zum großen Detailspiegel. Als Anhalt für den Maßstab der Bilder, die sie gleich sehen werden, möchte ich hinzufügen, daß aus der Entfernung, wenn unser Brahmmbl-Tiefraumteleskop im Orbit des Planeten sich befände, man sogar noch ein Grrglguh-Kleinkind erkennen könnte. Nach Meinung aller Experten ist dies auch sicherlich die Mindestgröße für intelligentes Leben - wenn es also Leben gibt, würden wir es entdecken." Der Redner wirkte sichtlich stolz, als er demonstrativ ein wenig wobbelte und wackelte.
Im Publikum herrschte aufgeregtes Schweigen.
"Die Detailansicht bitte...." Der Redner betätigte mit einem gemorphten Arm einen weiteren Schalter und urplötzlich wechselte die Perspektive.
Die gesamte Decke wurde vom Bild des blauen Planeten ausgefüllt und doch war es nur eine Teilansicht. Man sah einige weiße Wolken und eine gefleckte Landmasse, die einige Musterungen aufwies, man sah Wälder, und dazwischen viele rechteckige Felder unterschiedlichster Färbung. Nichts aufregendes also. Das quadratische Fleckgras in der großen Blabbagrrgl-Steppe sah aus einiger Höhe genauso aus.
Doch da.... es ertönte erneut ein mehrstimmiges "Brrbllll" "Braaahhhbbl" und "Mbbbrrrrmml" (begleitet von aufgeregtem wobbeln und wackeln)... denn da sah man auch Wege und auf den Wegen größere Punkte, die sich bewegten. Der Redner ließ die Bilder für einige Sekunden wirken, ehe er sich ein wenig wobbelte (was einem Räuspern glich). "Wir hatten endlich Leben entdeckt. Zuerst waren wir sehr aufgeregt. Wir justierten unser Teleskop auf die größte zusammenhängende Landmasse des Planeten und sammelten für die nächsten Wochen einfach nur optische Daten. Während der Beobachtungsphase haben wir uns lediglich auf das Sammeln von Bildern konzentriert - in den letzten drei Monaten haben wir diese schließlich analysiert.
Ich - und mein Team - möchten jetzt die Ergebnisse zusammengefaßt vortragen.
Wie sie hier auf den Bildern sehen scheint es auf dem Planeten ebenfalls eine Art des quadratischen Fleckgrases zu geben, sie haben ja schon die wunderbar geometrischen Muster entdeckt. Das ließ uns anfangs auch sehr hoffen, Leben wie unseres zu finden. Es gibt zwar viele exotische Theorien über Leben auf fremden Planeten, aber unter ernsthaften Experten herrscht doch der Grundtenor, daß das Leben zumindest ansatzweise dem unseren ähneln muß. (Es gab zustimmendes wobbeln und wackeln der Zuhörer.)
Nun, wir fanden auch sehr schnell Leben. Hier können sie alle ein recht kompliziertes System aus Wegen und Pfaden sehen, was für Landbewohner spricht - und es dauerte wirklich nicht lang, bis wie diese Landbewohner auch fanden. Diese bewegten Punkte hier.
Um es vorweg zu nehmen - und auch um zu große Erwartungen gleich zu dämpfen - es handelt sich allein um tierisches Leben niederer Intelligenz.
Aber lassen sie es mich kurz illustrieren..."
Der Blickwinkel veränderte sich, als die Kamera (bzw. das Brahmmbl-Tiefraumteleskop) über die Oberfläche schwenkte. Man sah sehr viele Wege, manche davon recht breit - und auf ihnen tummelten sich die Lebwesen, die sich auf den Pfaden nahezu drängelten. Schließlich glitt eine große Struktur ins Blickfeld, die beinahe einer Stadt glich. Aber auch nur beinahe...
"Wir ließen uns von diesen Bildern nur anfangs täuschen. Man könnte meinen, hier gebaute, künstliche Objekte zu sehen. Doch schauen sie... die Lebewesen, die übrigens, wie ich bisher wohl vergaß zu erwähnen, etwa ein drittel bis halb so groß wie ein erwachsener Grrglguh sind, beherrschen die ganze Struktur. Sie ist auch von unzähligen Pfaden und Wegen durchzogen auf denen sich allein diese seltsamen Kreaturen tummeln.
Wir haben in all den Monaten versucht, ein Verhaltensmuster zu erkennen, es fällt zugegeben sehr schwer. Was auch dafür spricht, daß die Intelligenz dieser Wesen sehr rudimentär ist, wahrscheinlich sind sie gänzlich instinktgesteuert.
Hier nun aber unsere Theorie, unterstützt durch die Beobachtungsdaten:
Die sich bewegenden Rechtecke und Kästen sind die dominante Spezies auf dem Planeten, es gibt noch anderes tierisches Leben, vor allem auf einem anderen Kontinent, den wir uns aber ersparen, hier zu zeigen, da er fast nur aus Wüste besteht und gänzlich langweilt.
Die Kastenwesen scheinen nur sehr wenige Verhaltensweisen zu kennen - nämlich hauptsächlich sich zwischen zwei Punkten in regelmäßigen Abständen hin- und herzubwegen. Dabei läßt sich ein Rhythmus erkennen, der grob dem Tag- und Nachtzyklus folgt. Es läßt sich also vermuten, daß die Kastenwesen vielleicht von den Gezeiten gesteuert werden, auf jeden Fall aber vom Stand der Sonne.
(Zum Beweis sah man Bilder von der Ansiedlung - einige der Kastenwesen hatte man per Großrechner mit einer Markierung versehen. Man sah, wie die Wesen morgens, kurz nach Sonnenaufgang, sich von ihrer Behausung fortbegaben und sich mühsam mit unzähligen anderen Kastenwesen zu einem anderen Ort begaben. Dort verharrten die Wesen den Tag und als die Sonne kurz vor dem Untergehen war setzten sich die Wesen erneut in Bewegung - sie kehrten zu ihrem Ursprungsort zurück.)
Dieses Verhalten wiederholt sich sklavisch jeden Tag - mit Ausnahmen. WIr haben beobachtet, daß dieser Rhythmus ein 5-Tage Zyklus ist, danach stehen die meisten Wesen zwei Tage völlig still, während andere ganz überraschend plötzlich völlig andere Wege gehen. Wir sehen die Wesen dabei zumeist ans Meer oder an ein Gewässer gehen, was naheliegt, daß sie dort vielleicht Wasser zu sich nehmen.
Nun möchte ich noch etwas zu den Strukturen verlieren: sie sehen erstaunlich künstlich aus. Doch wir haben beobachtet (die entsprechenden Bilder wurden gezeigt), wie die Kastenwesen in diesen Behausungen Unterschlupf finden. Es handelt sich also sehr wahrscheinlich um eine Form von Schneckenhaus.
Interessanterweise hat aber nur eine Minderheit von Kastenwesen so ein Haus, die meisten ruhen vor den Häusern. Wir vermuten, daß dominante Kastenwesen über ein Haus verfügen, während die angeschlossene Herde mit der rauhen Nachtluft vorlieb nehmen muß.
Was uns dabei aber verblüfft ist die Tatsache, daß die Herde zwar einen gemeinsamen Wohnplatz hat, sich die Wesen aber früh morgens alle zu unterschiedlichen Plätzen begeben. Kein Verhalten, was man von einer normalen Tierherde erwarten würde.
Wir haben beobachtet, daß jedes Wesen anscheinend zwei Herden angehört. Da gibt es zum einen die Heimatherde, und dann die Herde mit der man sich früh morgens trifft und zu der man sich über längere Strecken hin begeben muß, und von der man sich abends wieder trennt.
Der Grund für dieses irrationale Verhalten ist uns leider unbekannt geblieben.
Ebenso seltsam ist die Tatsache, daß die Kastenwesen fast nur stillstehen. Man sieht zwar immer welche auf den Wegen laufen, doch die Tendenz ist klar zu erkennen, es gibt nur früh morgens und dann abends eine Bewegung. Den Rest des Tages und der Nacht stehen die Wesen still. Unserer Ansicht nach verfügen die Kastenwesen über eine Art Photo- oder Chemosynthese, die ihre Energie vom Sonnenlicht bezieht. Und um Sonnenenergie zu tanken verharren die Wesen still auf ihren Plätzen.
Und wenn es Nacht wird kann man beobachten, wie einige nachtaktive Wesen zu leuchten beginnen und wie die Schneckenhäuser der dominanten Herdenwesen ebenfalls leuchten.
Die Kastenwesen sammeln tagsüber also Sonnenenergie, die sie dann abends teilweise in Form von Licht wieder abgeben. Der Grund hierfür läßt sich nur raten, aber es ist wahrscheinlich, daß so früher irgendwelche Feinde der Kastenwesen abgeschreckt werden sollten.
Diese scheint es nun aber nicht mehr zu geben. Die Kastenwesen sind die beherrschende Spezies. Was zu einigen dramatischen Nebenwirkungen führt. So ist der Planet von diesen Wesen hoffnungslos überbevölkert.
Wie sie hier auf den Bildern sehen ist das alltägliche Bewegungsritual zur Zweitherde oft sehr mühsam. Die Wesen verstopfen ihre Trampelwege, aufgrund ihrer Anzahl. Sie kriechen dann meist nur zu ihrer Zweitherde. Dabei kommt es dann auch sehr häufig zu Unfällen. Hier sehen sie, wie ein Wesen in ein anderes hineinrennt. Dies scheint mit so einer Wucht zu geschehen, daß dabei zumeist eines, meist aber beide Wesen so schwer verletzt sind, daß sie sich nicht mehr fortbewegen können oder gar sterben.
Hier auch gleich ein Beispiel für die differenzierte Artenvielfalt der Kastenwesen. So gibt es auch Kastenwesen, die das Aas aufsammeln. Da - sehen sie - da kommt ein sehr großes Wesen, etwas größer als ein erwachsener Grrglguh und nimmt eines der toten oder schwerverletzten Wesen mit.
Die Kastenwesen scheinen oft zu spüren, daß sie sterben - dann begeben sie sich zu einem der vielen Tierfriedhöfe wo sie von einem dort wohnenden Wesen nach dem Tod verspeist werden. Es speit dann nach einer Weile die unverdaulichen Reste aus.
Wir könnten ihnen alle hier noch einiges mehr über die Kastenwesen erzählen, was aber im Rahmen dieses Vortrages zu weit führen würde. So scheinen die Wesen z.B. Zugwesen zu sein, die jedes Jahr einmal in den Süden ziehen, wahrscheinlich, um sich dort zu paaren, auch wenn wir den Paarungsakt nie beobachten konnten.
Dann gibt es auch noch gigantische Würmer, die durch die Landschaft pflügen, seltsamerweise aber auf festen Wegen, von denen sie nie abweichen. Auch diese Wesen bewegen sich stur immer nur von Punkt A nach Punkt B. Eine Erklärung haben wir noch nicht dafür.
Doch nun zum Resumee, den vollen Bericht können sie sich bei Interesse nachher vom Großrechner abrufen.
Wir haben zwar Leben gefunden, doch leider nur niederes Tierleben, das rein instinktgesteuert ist. Der Planet wird von den Kastenwesen dominiert, wobei die Population die Grenze zur Überbevölkerung schon stark überschritten hat. Das hat anscheinend auch negative Auswirkungen auf den Planeten. Eine Spektralanalyse der Atmosphäre ergab eine erhöhte Konzentration von Kohlendioxid und anderen Gasen, die für eine Treibhausatmosphäre sorgen. Diese Gase entweichen allesamt dem Verdauungstrakt der Kastenwesen, die von ihrem Unheil natürlich nichts ahnen können. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis die Kastenwesen stark dezimiert werden.
Das Verhalten der Kastenwesen ähnelt eher dem einen niederen Insekt, wobei selbst Insekten komplexere Verhaltensmuster aufweisen. Die Kastenwesen bewegen sich stur von A nach B und wieder zurück, nur gelegentlich, alle fünf Tage hauptsächlich, begeben sie sich zu einer Wasserstelle, den Rest der Zeit ruhen die Kastenwesen. Eng aneinandergedrängelt meist, in der Sonne schmorend.
Die Sonnenenergie benötigen sie, um wahrscheinlich Photo- und / oder Chemosynthese durchzuführen. Ein Teil der Energie wird nachts wieder in Form von Licht abgegeben.
Und obschon nun unsere erste Untersuchung mit dem Brahmmbl-Tiefraumteleskop nicht das erwünschte Ergebnis gebracht hat - intelligentes Leben zu finden - so hat es doch eindrucksvoll seinen Nutzen bewiesen.
Man stelle sich die Enttäuschung vor, wenn wie eine teure Raumsonde in das System gesandt hätten - so eine Expedition wäre enorm teuer gewesen, und die Sonde danach nutzlos. Wir hingegen werden das Teleskop in Kürze einfach auf ein anderes Sonnenystem schwenken und können weiter nach Intelligenz suchen. Was wir natürlich auch tun werden. Ich danke für ihre ausdauernde Aufmerksamkeit."
Der Redner schloß seine Rede mit einem wobbeln - im Publikum war hier und da ein enttäuschtes "Harrmmmblll" zu hören, einige hatten sich mehr erhofft. Andere hingegen sahen sich in ihrem Urteil bestätigt: Außer den Grrglguhs gibt es eh kein intelligentes Leben im Universum und der ganze Quatsch mit der Weltraumforschung und der Suche nach Leben ist pure Zeitverschwendung. Da hatte man Unsummen für das Teleskop ausgegeben und doch nur dumme Kastenwesen gefunden.

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