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Geschichtsfälschung per Mausklick
Der rechtsradikale hessische Computerhacker
"Martin W." schaffte es im Jahr 2055 in das
digitale Bildarchiv vorzudringen, in dem die Bilder über Kriegsverbrechen des Zweiten
Weltkrieges und den Holocaust gespeichert
waren.
"Ich weiß jetzt, wo ich die Viren hinschicken muss". Der
Computerhacker freute sich wie ein kleines Kind. "Ich
weiß jetzt, wo der Server steht. Ich habe die lokale
Netzadresse". Er brach sein Informatik-Studium nach ein
paar Semestern ab, nachdem er bei einer kleinen
Software-Firma eine Festanstellung fand, bei der er
neben kleineren Programmieraufgaben auch das lokale
Netzwerk zu verwalten hatte. Die Firma erstellte unter
anderem Anti-Virensoftware.
Er hatte Kontakt zu diversen rechtsradikalen
Vereinigungen, erstellte für einige sogar Webpages mit
Führerbildern, Aufmarschfotos und rechtsradikalem
Liedgut.
Der Hacker war auch beteiligt an der Konzipierung eines
gewaltverherrlichenden Kriegsspieles, das zwar sofort
auf den Index gesetzt wurde, jedoch in der rechten Szene
als Geheimtipp galt und dementsprechend lange nach
dem Verbot der Software noch gehandelt wurde. Schon
damals kannte er sich mit Viren aus, verwendete einfache
Programmalgorithmen, die er zu variieren wusste, um sie
in ihrer Effektivität zu optimieren. Er schaffte es
regelmäßig, diese auf den Servern zu platzieren, auf
denen diverse zumeist links- und ökologisch orientierte
Gruppierungen Inhalte für das globale Netz anboten, die
den Rechtsradikalen ein Dorn im Auge waren.
Schon als Kind und lange bevor er richtig lesen konnte,
verbrachte er viel Zeit vor dem Computer. Wie ein roter
Faden zog sich die Sucht nach Kriegs- und Schießspielen
durch seine gesamte Jugend. Das prägte ihn sehr, denn er
unterhielt sich über nichts anderes, interessierte sich auch
nicht für Frauen oder Sport.
Doch sein Favorit war ein indiziertes Tieffliegerspiel, bei
dem er mit einem der Stuka des Zweiten Weltkrieges
nachgeahmten Flugzeug auf Konvois, Kampfverbände
und Zivilisten herabstürzen konnte. Er bekam dabei einen
diabolischen, fast schon sadistischen Gesichtsausdruck,
empfand Freude beim simulierten Töten und Ausklinken
von Bomben. Mal als Panzerfahrer, mal als U-Boot-Kommandant bewegte er sich in seiner virtuellen Welt.
Er trank Alkohol vor dem Computer, nahm
Aufputschmittel, um sich den ultimativen Kick zu holen.
Er besuchte auch Sammler- und Tauschbörsen
von rechtsradikalen Computerhackern, auf
denen neben illegaler Software auch mit
Orden, Waffen und anderem Material aus dem
3. Reich gehandelt wurde.
Der Hacker war blass, hatte ein aufgequollenes Gesicht
und schwarze Ringe unter den Augen. Er litt an
Realitätsverlust, da er die meiste Zeit des Tages vor dem
Computer verbrachte, keine Pausen machte und
regelmäßig nachts arbeitete. Die Welt der
Computerspiele war für ihn ein Mittel, um dem Alltag zu
entfliehen. Sein Vater war starker Trinker, schlug damals
mehrmals Frau und Kinder. Auch in der Schule kam er
auf keinen grünen Zweig. Wurde von anderen regelrecht
in die rechte Szene gemobbt.
Und wenn er überhaupt mal kommunizierte, so tat er es
über das Internet, zumeist mit anderen Rechtsradikalen.
Er spielte gemeinsam mit seinen Gesinnungsgenossen
interaktive Kriegsspiele, allesamt Spiele, die auf dem
Index standen. Als Bildschirmschoner verwendete er
privat ein Bild von Adolf Hitler in Uniform und mit
Hitlergruß. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits seit
mehreren Jahrzehnten keine Fotoarchive mehr, in denen
die Originale und Abzüge aufbewahrt waren, ebenso
wenig gab es Printausgaben mit den besagten Fotos.
Zu diesem Zeitpunkt hat der hessische Hacker schon
diverse andere Archive, die Bilder vom Holocaust, von
Kriegsverbrechen, darunter auch eine explizite
Sammlung mit Verbrechen der Marine, beinhaltete, mit
Hilfe von selbstgeschriebenen Computerviren zerstört.
Als Student entwickelte er sogenannte "Implosion-Sparks", das sind Viren, die sich wie in einer
unkontrollierten Kettenreaktion fortpflanzen.
Mit den Viren zerstörte er alle Daten, die auf der
Festplatte des Servers gespeichert waren. Er richtete
damit einen materiellen Schaden von rund 30 Mrd. US-$
an. Es existierten aber auch Sicherheitskopien. Doch die meisten Firmen gingen selbst mit
diesen fahrlässig um, einige gingen aus
unerfindlichen Gründen verloren, andere
wurden aus Versehen gelöscht. Ein
Sicherheitsunternehmen, dass sich auf den
Transport von Datenträgern spezialisiert
hatte, wurde mit der Überwachung des real
existierenden Archives betraut, in dem sich
auch die Sicherheitskopien der besagten
Fotoarchive befanden, darunter auch die
Holocaust-Fotos, die Aufnahmen des
Vernichtungskrieges der Wehrmacht und die
Fotos der Verbrechen der Marine. Dieses
Sicherheitsunternehmen erhielt den Zuschlag
für die Bewachung des Archives, da diese im
Besitz neuester Sicherheitstechnik war, die
das Equipment aller anderen
Sicherheitsfirmen in den Schatten stellte.
Doch was niemand wusste, dieses Security-Unternehmen wurde von einem
rechtsradikalen Unternehmer geleitet. Er ließ
später die Sicherheitskopien einfach
verschwinden und es konnte nicht mehr
rekonstruiert werden, weshalb die Kopien
fehlten. Das Sicherheits- und zugleich
Transportunternehmen war gegen solche
Zwischenfälle sogar versichert. Auch der
rechtsradikale Computerhacker konnte nicht
ermittelt werden.
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