© der Geschichte: Thomas Otto. Nicht unerlaubt
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Abenddämmerung

Stacy fluchte ein wenig. Eigentlich war es bisher ein schöner Tag gewesen, nur hier und da hatten einige Wolken für kurze Zeit für Schatten gesorgt. Bis dann einige grauere Wolken ihre Last abgeworfen und den Regen gebracht hatten. Nichts schlimmes eigentlich.
Und trotzdem war Stacy ziemlich ungehalten darüber. Wenn sie sich heute morgen den Bericht der Wetterkontrolle durchgelesen hätte, müßte sie nun nicht mit durchweichten Papiertüten nach Hause gehen. Dem Gemüse und dem Geflügel machte die Feuchtigkeit natürlich nichts aus, aber Stacy dachte zur Zeit ohnehin mehr an sich. Eine nasse Strähne ihres roten Haares klebte an ihrer Stirn. Immerhin hatten sich die Wolken ebenso schnell verzogen, wie sie gekommen waren und die Sonne würde ihr Haar wieder ein wenig trocknen lassen, bis sie den Weg von der Inselstadt zu ihrer Wohnung zurückgelegt hatte.

Nicht viele Menschen machten sich in diesen Tagen noch die Mühe, den weiten Weg von Ratzeburgs Wohngebieten in die alte Inselstadt mit ihren Händlern und Behörden zu Fuß zu gehen. Aber zur Zeit war Stacy gerne unterwegs. Zu hause fühlte sie sich nur noch einsam. Sie blickte den Hügel hinauf. Das alte Familienhaus lag über dem See, der sich zwischen Ratzeburg und Lübeck erstreckte. Noch verbarg es sich vor den Blicken hinter ein paar Bäumen. Stacy machte sich auf das letzte Stück ihres Weges. Sie fragte sich, wann sie angefangen hatte, diesen kleinen Ort, dieses alte Haus, als ihre Heimat zu betrachten. Sie lebte nun schon seit drei Jahren hier, doch in den letzten Wochen hatte sich so viel verändert.

Meine Heimat ist, wo mein Herz ist...., dieser Satz huschte durch ihre Gedanken, als sie die Stufen zur Eingangstür hinaufstieg. Stacy drückte die Papiertüten fest an ihren Oberkörper und legte etwas ungelenk ihre rechte Hand auf den Türsensor, woraufhin sich die Wohnungstür mit leisem Zischen zur Seite bewegte. Als Stacy die zweite Papiertüte zurück auf den rechten Arm schieben wollte, kullerte eine Paprikaschote heraus und fiel auf die Türmatte. Eigentlich war es eine elektrostatische Matte, die jeden Schmutz von den Schuhen automatisch entfernte. Ein leises Summen sagte Stacy, daß die Paprikaschote nun gewiß eine der saubersten auf dem ganzen Planeten war. Sie fluchte leise und ließ die Schote liegen.

Drinnen war es angenehm kühl. Es dauerte ein wenig, bis sich Stacys Augen an das gedämpfte Licht im Flur gewöhnt hatten. Sie brachte ihren Einkauf in die Küche und legte das Geflügel rasch in den Kühlschrank.
Ihr Herz klopfte ein wenig schneller, als sie sich endlich ins Wohnzimmer begab. Der Bildschirm des Tischcomputers war dunkel. Stacy hatte die Stimme des Terminals mit Absicht abgeschaltet, die ihr sonst sofort bei Betreten der Wohnung mitgeteilt hätte, ob eine Nachricht für sie vorlag. Sie liebte die Spannung. Sie setzte sich auf einen bequemen Holzstuhl und achtete nicht darauf, daß von ihrem feuchten Haar ein paar Wassertropfen auf den Computer herabfielen.
Sie aktivierte das Panel. Während ihrer Abwesenheit hatte es drei Anrufe gegeben. Ihre Mutter in San Francisko hatte sich bei ihr gemeldet. Das konnte noch warten, sie unterhielten sich zur Zeit ohnehin fast täglich. Eine von Stacys Freundinnen hatte eine kurze schriftliche Mitteilung hinterlassen.
Ob Sie heute abend nicht Lust hätte, zu ihr zu kommen...Stacy wußte das Mitgefühl ihrer Freundin zu schätzen. Aber heute hatte sie nicht das Verlangen, andere Menschen zu sehen. Ihr Herz machte einen kurzen Satz in ihrer Brust, als sie die dritte Zeile am Bildschirm las.
Lieutenant Junior Grade Christian Franke, DS9, Sternzeit 49372.3
Stacy hatte seit acht Tagen nichts mehr von ihrem Freund gehört, das letzte Mal hatte er sich von dem Zubringerschiff gemeldet. Sie blickte auf die Sternzeit - die Nachricht war vor knapp 43 Stunden abgeschickt worden. Wieso nur mußte diese verdammte Raumstation so weit entfernt sein, daß verzögerungsfreie Kommunikation nicht möglich war? Lieutenant Junior Grade...diesen Zusatz hätte sich die Sternenflotte auch gerne sparen können. Es waren Dinge wie diese, die Stacy immer wieder daran erinnerten, daß die Sternenflotte in erster Hinsicht immer noch eine militärische Einrichtung war. Der Gedanke gefiel ihr nicht. Sie fuhr sich durch die Haare und entfernte eine feuchte Strähne aus ihrer Stirn. Sie schloß kurz die Augen und rief die Botschaft ab.
Der Bildschirm zeigte kurz das Siegel der Föderation, wurde wieder dunkel und endlich erschien das Bild eines jungen Mannes.
"Hallo Stacy, es tut mir leid, daß ich mich so lange nicht gemeldet habe.", erklang die Stacy so vertraute Stimme, die auch durch den Subraum nicht verfälscht wurde. Wunder der Technik... Mein Gott, er sieht so abgespannt aus, dachte Stacy als erstes, als sie Chris sah.
"Aber es gab so viel zu tun, in den ersten vier Tagen hier, daß ich erst jetzt die Zeit gefunden habe, eine Botschaft für dich aufzusetzen. Es gibt so vieles zu erzählen." Er lächelte ein wenig mühsam. "Nun, wie ich dir ja bereits schon von der aus Hood mitteilte, war die Reise hierher recht ereignislos. Als wir vor vier Tagen an DS9 andockten wurden ich und meine vier Kollegen, die ihren Dienst hier antreten, erstmal von der Sicherheit empfangen. Das erste was ich somit von der Station sah, war der dunkle Gang vor der Luftschleuse. Viel dunkler und ungemütlicher als auf einer Föderationsstation. Du weißt ja, daß die Station von den Cardassianern erbaut wurde. Ich hätte aber nicht gedacht, daß nach all den Jahren immer noch soviel davon zu spüren und zu sehen ist.
Das mußt du dir vorstellen, Stacy. Wir fünf wurden also von acht Sicherheitsleuten in die Krankenstation geleitet. Sie liegt auf dem Promenadendeck. Das sieht schon ein wenig einladender aus. Es ist heller und bei weitem nicht so beengt wie die Gänge auf der Station. Leider konnte ich mich kaum umblicken, weil wir natürlich erstmal in die Krankenstation mußten. Dort warteten der Arzt von DS9, Dr. Bashir, sowie die hiesigen Sicherheitschefs Lieutenant Commander Eddington und Constable Odo auf uns. Eddington war recht freundlich und erklärte uns, daß sich jeder einem Bluttest unterziehen muß, ehe er offiziell den Dienst auf DS9 antreten darf. Das soll eine reine Vorsichtsmaßnahme sein, weil man hier ja sozusagen an vorderster Linie steht und die Sicherheit der Station durch Formwandler nicht gefährdet werden darf.
Der Arzt zapfte uns allen ein wenig Blut ab. Natürlich war der Test bei jedem negativ. Ich habe mir dabei die Sicherheitsleute angeschaut, die mit Phasern um uns herum standen. Ich glaube fast, daß einige von denen wirklich in Betracht zogen, einen Formwandler zu treffen. Aber gleich noch mehr dazu.
Jedenfalls lockerte sich die Atmosphäre sofort auf und wir wurden von Eddington und Bashir willkommen geheißen. Der Formwandler sagte gar nichts und ging einfach wieder. Der Mann scheint mir ein wenig eigenbrödlerisch zu sein. Aber das ist wohl kein Wunder...
Nach der Untersuchung mußte sich dann jeder von uns bei seinem Vorgesetzten melden. Ich bin der einzige neue Ingenieur hier auf der Station, während die vier anderen gleich bei Eddington blieben, weil sie alle zur Sicherheit kommen. Somit mußte ich mich allein zum Chefingenieur der Station begeben. Nachdem ich den Computer mehrere Male gefragt und mich dennoch verlaufen hatte...."
Chris lächelte wieder und Stacys Mundwinkel zuckten ebenfalls nach oben. Was würde Chris nur ohne elektronische Wegweiser machen.... er verlief sich ja sonst noch in seiner eigenen Wohnung.
"... fand ich ihn endlich an Andockklammer 12. Er führte dort mit seinem Team gerade eine Wartung durch. Ich wollte schon militärische Meldung erstatten, als der Chief leicht verschwitzt seinen Kopf aus einem geöffneten Panel zog und meinte, daß ich das nicht unbedingt tun muß. Er schüttelte mir die Hand und meinte nur, daß er sich freut, endlich mal wieder Verstärkung zu erhalten. Hier draußen scheint es Personalknappheit zu geben. Also O'Brien ist mir sehr sympathisch. Bei weitem nicht so steif und förmlich wie die Leute in der Hamburger Werft. Aber er ist Ire und wohl von Natur aus schon umgänglicher. Bei der Gelegenheit lernte ich gleich zwei meiner Kollegen kennen. Der eine heißt Petterson und hat nur einen Mannschaftsdienstgrad. Die andere heißt Jara und ist eine bajoranische Ingenieurin.
Ist schon irgendwie merkwürdig. Du mußt wissen, daß die Bajoraner den Captain der Station als religiöse Ikone verehren. Er soll Abgesandter ihrer Propheten sein. Die Bajoraner glauben ja auch, daß das Wurmloch hier ein Himmelstempel ist. Aber die Sternenflotte hat uns vorher audrücklich die Anweisung gegeben, religiöse Themen auf keinen Fall mit dem bajoranischen Stationspersonal zu besprechen. Bajor gehört ja auch nicht zur Föderation und du weißt ja, wie penibel die Sternenflotte mit der Hauptdirektive umgeht. Eigentlich schade. Ich würde gerne ein wenig mehr darüber von den Bajoranern erfahren.
Naja, Chief O'Brien fragte mich als erstes, ob ich mir schon mein Quartier angesehen hätte. Das war natürlich nicht der Fall und er war so freundlich, mir zwei Stunden frei zu geben, um mich einzurichten, ehe er mich ein wenig mit den Stationssystemen vertraut machen wollte. So konnte ich wenigstens kontrollieren, ob mein Gepäck korrekt herübergebeamt wurde.
Nun, das ist mein Quartier...." Christian Franke stand auf und ging hinter den Bildschirm. Stacy sah ein recht dunkles, in grauen Tönen gehaltenes Zimmer. Es gefiel ihr überhaupt nicht. Es war zwar größer, als sie es sich vorgestellt hatte, wirkte aber so einladend wie eine Arrestzelle.
"Nun, Cardassianer haben wohl einen völlig anderen Geschmack als Menschen. Es wird dir bestimmt nicht gefallen... Mir eigentlich auch nicht." Christian hielt kurz inne und Stacy sah, wie der Bildauschnitt wanderte, als der Computer geschwenkt wurde. In den Regalen an den Wänden erblickte sie einige von Christians Habseligkeiten, die in der Wohnung auf der Erde in den Schränken Lücken hinterlassen hatten. Ihr Blick fiel auch auf das Foto, das vor knapp dreieinhalb Jahren in San Francisko vor der Golden Gate Bridge aufgenommen worden war. Es zeigte die beiden fröhlich in die Kamera lachend. Der Wind hatte ihre Haare an diesem Tag recht zerzaust, aber Chris hatte gerade das geliebt. Es schien wie eine gefrorene Erinnerung einer anderen Welt zu sein. Keine 3 Monate später waren sie in das Haus seiner Eltern in Ratzeburg umgezogen und er hatte seinen Posten als Ingenieur in der Hamburger Sternenflottenwerft übernommen. Damals war sie gerne mitgekommen. Damals...
Christian trug sein Terminal durch sein gesamtes Quartier. Es hatte immerhin zwei große Zimmer. Einen Schlaf- und Wohnraum, eine Hygienekabine. Mehr nicht. Nicht zu vergleichen mit dem Haus auf der Erde.
"Es mag auf den ersten Blick nicht einladend aussehen, aber ich habe den Chief gefragt, wie es mit der persönlichen Gestaltung aussieht. Also ich darf mein Quartier so herrichten, wie es mir gefällt. Sobald ich Zeit habe, werde ich die Wände umdekorieren, mit einer anderen Farbe versehen, die Lampen austauschen und..." Christian stellte sein Terminal wieder auf den Tisch und setzte sich davor. "ich darf sogar eine Küche hier einbauen. Ich weiß ja, wie ungerne du replizierte Nahrung magst - und ich muß sagen, daß die Replikatoren hier wirklich nicht mit unserem Essen zu Hause zu vergleichen sind. Wir könnten unsere eigenen Mahlzeiten kochen...."
Christian hielt kurz inne und Stacy atmete tief ein. Sie wußte, was nun kommen würde. Sie hatten das Thema all die Wochen vor seiner Versetzung besprochen, diskutiert, zerpflückt - und waren doch zu keiner Übereinstimmung gelangt.
Der Gesichtsausdruck ihres Freundes wurde ernster. "Ich weiß, daß du DS9 überhaupt nicht magst. Ich weiß, daß du diese alte Station viel zu gefährlich findest. Aber ich glaube,... nun, ich will dir nichts vormachen. Laß mich erst mal weitererzählen. Mein Aufgabengebiet hier ist recht vielseitig. Neben Wartungsarbeiten an der Station, muß ich mich hauptsächlich um die Defiant kümmern, sie ist eigentlich nur ein Prototypen-Schiff, das hier aber gegen das Dominion eingesetzt werden soll.
An meinem ersten Abend hier saß ich mit ein paar meiner neuen Kollegen in Quarks Bar. Dieser Quark ist ein Ferengi und eigentlich mag ich dieses Volk ja nicht. Was mich am meisten stört ist, daß man hier für alles bezahlen muß. Natürlich kann ich auch an den Replikator gehen, doch das Zeug, was da herauskommt ist nicht mit richtigen Getränken zu vergleichen. Selbst die Holodecks, d.h. Holosuiten kosten Geld, weil sie ebenfalls dem Ferengi gehören. Dann sind sie ohnehin schon auf Wochen im voraus ausgebucht. Von den höheren Offizieren natürlich, aber der Ferengi hat durchblicken lassen, daß bei entsprechender Bezahlung die Wartezeit erheblich kürzer ist. Da ist er bei mir jedoch an den falschen geraten.
Tja...im Gegensatz zu einem Föderationsschiff findet hier mein Sold Verwendung. Das Promenadendeck ist aber dafür wirklich der schönste und interessanteste Teil der Station. Es gibt hier so viele Händler, Cafes, Restaurants... es ist das Geld wert und dir würde die Promenade gewiß gefallen.
Aber ich komme vom Thema ab. Ich habe von meinen Kollegen doch recht interessante Dinge erfahren. Die Defiant hat hier z.B den Spitznamen "Fliegender Sarg" erhalten. Das soll natürlich keiner der Führungsoffiziere wissen, weil die darauf gewiß empfindlich reagieren. Allerdings sind in den letzten 8 Monaten 15 Besatzungsmitglieder auf der Defiant ums Leben gekommen.
Darunter auch mein Vorgänger. Noch bin ich mit dem Schiff nicht unterwegs gewesen, aber das, was ich bisher gesehen habe, reicht mir. Es ist mehr als eng dort. Die Kabinen haben gerade mal 8 oder 9 Quadratmeter, die man sich auch noch mit einem zweiten Bewohner teilen muß. Die Defiant ist mehr als unbeliebt, nicht nur, weil sie bisher schon so oft stark beschädigt wurde, daß jedesmal Extraschichten geleistet werden mußten, um sie wieder funktionstüchtig zu kriegen, sondern vor allem deswegen, weil so viele Besatzungmitglieder auf ihr schon das Leben lassen mußten...
Erst vor wenigen Wochen wurde die Defiant von zwei Jem'Hadar Schiffen stark beschädigt. Ein Torpedo steckte sogar noch in der Außenhülle. Wenn der explodiert wäre. Bei dir auf der Erde erfährt man ja so etwas nicht. Ich bekomme mehr und mehr das Gefühl, daß man versucht, uns in eine Sicherheit zu wiegen, die eventuell gar nicht vorhanden ist. Als ich nämlich meine erste Nacht hier verbrachte, wurde ich nach wenigen Stunden unsanft aus dem Schlaf gerissen, als ein stationsweiter Eindringlingsalarm gegeben wurde.
Jeder mußte sich an einen Treffpunkt begeben. Ich wußte zuerst gar nicht, was los war, bis mich einer der Sicherheitsleute aufklärte, daß Lieutenant Commander Worf wohl mal wieder Jagd auf Formwandler machen will. Seit Anfang des Jahres werden auf der Station Übungen abgehalten, in denen die Besatzung Odo finden muß, der sich irgendwo versteckt hat. Petterson, der im gleichen Suchteam wie ich war, meinte nur, daß Worf bisher immer eher unzufrieden mit der Leistung der Suchteams war. Ihm geht das alles zu langsam. Dieser Worf ist aber ohnehin bei den Mannschaftsgraden nicht sehr beliebt. Er ist wohl ziemlich streng und irgendwie immer schlecht gelaunt. Klingone halt....
Die Suche war schon recht anstrengend. Die letzte hatte man erst vor 5 Tagen abgehalten, weshalb keiner mit einer neuen Übung gerechnet hatte. Jeder von uns wurde schon wieder einem Bluttest unterzogen, um so auszuschließen, daß der Formwandler einer von uns war. Danach machten sich Dreierteams daran, die ganze Einrichtung der Station mit Phasern zu bestrahlen.
Odo kann Menschen nur recht grob imitieren, aber ich habe mir sagen lassen, daß andere Formwandler Menschen perfekt nachmachen können. Schöne Aussicht. Dennoch ist Odos Verwandlungsfähigkeit mehr als verblüffend. Nach fast zwei Stunden wurde er als imitierter Knopf an Siskos Com-Terminal gefunden...
Ich war auf der OPS als das geschah, und du kannst mir glauben, daß der Computer absolut normal wirkte. Die Tarnung war wirklich perfekt.
Ich verstehe langsam, warum hier auf der Station so eine Paranoia herrscht. Einige der Formwandler sollen sich angeblich sogar bereits auf der Erde befinden.
Die Nacht war jedenfalls gelaufen und Worf immer noch unzufrieden. Er und Odo meinten, daß wir viel intensiver vorgehen müßten. Da wird die nächste Übung wohl nicht lange auf sich warten lassen. Und ich werde dem Klingonen - so gut es geht - aus dem Weg gehen. Versteh' mich nicht falsch, die Kameradschaft hier ist wirklich einmalig. Ich bin erst vier Tage hier und habe schon viele Freunde gefunden. Einige spielen hier sogar Fußball..."
Stacy mußte lächeln. So schlecht konnte es Chris nicht gehen, wenn er wieder an Fußball denken konnte, oder wollte er sich nur ablenken? Mehr denn je war sie der Meinung, daß er einfach nur müde und irgendwie anders aussah - gestreßt? Aber ging es ihr anders?
"...und wir versuchen, ein paar Bajoraner als Gegner zu gewinnen. Auf Bajor war ich noch nicht. Vieles soll noch in Trümmern liegen. Die Hauptstadt haben die Bajoraner in den 4 Jahren Freiheit wieder recht schnell aufgebaut, aber vor allem auf dem Land ist die Erde immer noch sehr ausgelaugt und viele Dörfer sind nur halbwegs wieder hergerichtet worden.
Ich..." Christian zögerte und Stacy ahnte, was in ihm vorging. "Ich möchte dir aber nichts vormachen. Vielleicht war es ein Fehler, mich nach DS9 versetzen zu lassen. Ich meine, ich wäre auch viel lieber auf die Enterprise-E gegangen, die bald vom Stapel läuft, doch waren da ja alle Plätze schon vergeben.
Du fehlst mir einfach, Stacy. Was soll ich noch sagen? Die Station ist alles andere als geeignet, um hier in Frieden zu leben. Eine fast spürbare Angst macht sich hier allmählich breit. Viele der niederen Ränge würden sich am liebsten versetzen lassen, aber keiner möchte seine Karriere aufgeben.
Ich habe auch Angst. Wer weiß, was passiert, wenn ich das erste Mal mit der Defiant losmuß? Bisher ist noch bei fast jeder Mission einer ums Leben gekommen... ich könnte der nächste sein.... und was für ein Leben wäre es für dich, ständig um mein Wohlergehen fürchten zu müssen?
Trotzdem, Du könntest auch hier arbeiten. Gerade eine Genetik-Ingenieurin wie du braucht Bajor. Ich habe mit O'Brien gesprochen. Seine Frau ist Botanikerin und ihr könntet bestimmt zusammenarbeiten, wenn du Nutzpflanzen genetisch adaptierst, so daß sie selbst auf bajoranischem Boden wachsen. Du müßtest also alles andere als untätig herumsitzen.
Wir hatten ja schon vor meiner Abreise diskutiert. Ich wollte deine Einwürfe nicht wahrhaben, ich traute den Gerüchten nicht. Wenn ich nur könnte... in den ersten zwei Tagen habe ich ernsthaft daran gedacht, um Rückversetzung zu bitten, allerdings wäre meine Karriere dann wohl beendet. Die Sternenflotte merkt sich so etwas ja. Ich müßte aber nicht für alle Zeit hierbleiben. 1 oder 2 Jahre vielleicht auf der Station, bis ich befördert werde und einen Posten auf einem Schiff bekomme oder als Ingenieur auf die Utopia-Werften gehe.
Bitte... ich brauche dich mehr denn je. Du fehlst mir so sehr. Wenn ich aufwache und du nicht bei mir bist, ist es nicht mehr das Leben, was ich führen möchte. Alles wirkt nur noch leer und kalt ohne dich. Du warst immer irgendwie ein Stück blauer Himmel, wenn die Wolken auch noch so dicht standen. Ich weiß noch, wie ich mich fühlte, nachdem meine Eltern bei Wolf 359 gestorben waren. Die Akademie brachte ich mehr aus einem Reflex heraus zu Ende. Erst als ich dich traf, begann mein Leben wieder.
Es tut mir leid. Es tut mir so furchtbar leid, daß ich diesen Fehler begangen habe. Ich wäre so gerne bei dir. Was soll ich dir bloß noch sagen? Du wolltest Bedenkzeit für dich haben und dich dann entscheiden, ob du nachkommst. Wenn ich an deiner Stelle wäre.... jetzt, nachdem, was ich weiß, bin ich mir selber nicht mehr sicher."
Christian zögerte und Stacy standen Tränen in den Augen. Sie hatte nie und nimmer auf diese Station gewollt und daran hatte sich eigentlich nichts geändert - und doch vermißte sie mit jedem Atemzug ihren Freund. Ein Teil von ihr befand sich schon auf DS9. Was würde sie hier auf der Erde tun? Ihre Mutter hatte sie von Anfang an vor einer Beziehung mit einem Sternenflottenoffizier gewarnt. Stacy hatte es damals schlicht ignoriert. Und Chris hatte sich tatsächlich auf eine irdische Werft versetzen lassen. Diese 3 Jahre waren die besten ihres Lebens gewesen. Sie liebte die Erde - die Vorstellung, ihr Leben auf einem Schiff oder einer Station völlig isoliert von der Natur leben zu müssen gefiel ihr nicht. Doch was nützte ihr die schönste Natur, wenn sie im Herzen unglücklich war?
Sie würde sich neu verlieben, Chris vergessen, hatte die Mutter gemeint. Stacy wußte, daß sie Recht hatte, wenn ihr der Gedanke auch nicht gefiel. Was sollte sie bloß tun?
"Ich......" Chris wirkte sehr niedergeschlagen und irgendwie schien er plötzlich dunkle Ringe um die Augen zu haben. "Ich werde zurückkehren, wenn Du nicht nachkommst. Ich wollte immer ein Forscher sein, den Weltraum erkunden, andere Welten sehen. Aber in all diesen Fantasien warst du stets bei mir. Ich will nicht allein sein. Ich werde die Sternenflotte notfalls verlassen und als ziviler Ingenieur auf der Erde arbeiten, wenn es keinen anderen Weg für uns gibt.
Stacy, ich warte auf deine Antwort. Das Leben hier ist gewiß nicht so schön und sicher wie auf der Erde, sehr gefährlich sogar, doch es ist immer noch etwas besonderes. Hier draußen kann ich Dinge bewegen, können wir Dinge bewegen. Bajor könnte von deiner Arbeit profitieren. Wir wären zuammen, könnten so viele Dinge gemeinsam unternehmen. Und daß wir hier auf DS9 ständig arbeiten ist wirklich nur ein Gerücht. Ich habe sogar ein wenig mehr Freizeit als auf der Erde solange kein Notfall vorliegt. Überlege es dir.
Ich mache jetzt Schluß. Ich bin ziemlich müde, das liegt allerdings daran, daß auf der Station ein 26 Stunden-Rhythmus wie auf Bajor herrscht. Der Doktor meinte, daß es ein wenig dauert, bis sich der Biorhythmus daran gewöhnt.
Mach es gut. Melde dich bald.
Ich brauche dich.
Ich liebe dich."

Der Monitor wurde abrupt schwarz und Stacys Gesicht reflektierte sich darin undeutlich. Sie blickte sich selbst in ihre blauen Augen. Sie dachte an all die wunderbaren Dinge, die sie gemeinsam erlebt hatten. All die Jahre. Die letzte Nacht. Die Zärtlichkeit. Seine Liebe. Und sie dachte an die Borg. Damals hatte sie das erste Mal in ihrem Leben wirkliche Angst verspürt. Sie hatte sich geschworen, so etwas nie wieder durchstehen zu müssen. Aber machte gerade nicht dieses Erlebnis klar, daß mittlerweile überall Gefahr herrschte?
Formwandler auf der Erde. Sie hatte von den Gerüchten gehört. Was, wenn nun kein Ort mehr sicher war? Spielte es da noch eine Rolle, wo man sich aufhielt? War es nicht wichtiger, bei den Menschen zu sein, die man liebt, bei denen man sich geborgen fühlt? Gerade in diesen Zeiten? Stacy zögerte nur ganz kurz, bis sie sich entschied. Sie blickte aus dem großen Wohnzimmerfenster. Der Blick auf den See war prächtig und die Wellen glitzerten golden im letzten Licht des Tages. Es war beinahe so, als wollte der See ihr zum Abschied noch einmal freundlich zuzwinkern....

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