© der Geschichte: Stefan T. Pinternagel. Nicht unerlaubt
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Die Erfinderin

Mein Geist ist frei, doch mein Wille gebrochen. Ich weiß, dass sie meine Gedanken lesen kann, dass sie sie aufzeichnet, festhält, vielleicht sogar eines Tages veröffentlicht - und ich möchte hier und jetzt eines klar stellen: Diese Gedanken wurden mir geraubt!
Und all diese Schmach nur, weil ich so engstirnig war, ihr zu wenig zugetraut habe. Nun büße ich dafür. An dieser Stelle muss ich auch schon wieder meine eigenen Überlegungen beenden, denn ich möchte in die Küche, um abzuspülen. Dabei ist es besser den Kopf frei zu haben ... Abgesehen davon fällt mir das Denken beim Arbeiten inzwischen ohnehin schwer. Arbeit ist zu einer automatischen Abfolge von Handgriffen geworden. Gedanken stören da nur.

Ein unbestimmter Zeitpunkt in der Nacht, die Messfühler ihrer Geräte kleben an meinem Kopf und auf meiner Brust. Sie kontrolliert und überwacht meine Gedanken.
Ich fühle mich leer, ausgebrannt und benutzt. Den ganzen langen Tag habe ich gearbeitet; gekocht, gespült, Wäsche gewaschen und aufgehängt, ich habe die Fenster geputzt und die Pakete für meine "liebenswerte Gattin", das Miststück, von der Post geholt. Hausarbeit - darunter habe ich mir immer einen Halbtagsjob vorgestellt.
Wenn ich nicht jeden Tag zum Einkaufen gehen müsste, sich Madame mit einem großen Wochenendeinkauf begnügen würde, wäre mir ja schon ein wenig geholfen. Aber im Gegenteil: Nun hat meine werte Gattin auch noch bei der Hausverwaltung erwirkt, dass das Treppenhaus nicht mehr von einer Fremdfirma gereinigt wird, sondern dass sie - beziehungsweise ICH - diese Arbeit KOSTENLOS für die Hausgemeinschaft übernehme! Ich bin nicht nur die Putze meiner Frau, ich wurde zur Putze des ganzen Hauses degradiert. Dabei habe ich vorher ein so ausgefülltes und ruhiges Leben geführt.


Ich hatte einen guten Job in einer Großhandelskette, wo ich für den Einkauf und Vertrieb von südostasiatischer Folkloremusik zuständig war. Ein eher ruhiger Markt in Mitteleuropa und dementsprechend auch ein eher ruhiger Job; aber nicht schlecht bezahlt.
Eines Tages hatte meine Gattin wieder einen ihrer verrückten Träume, sie vernachlässigte den Haushalt und verbrachte einen Großteil ihrer Zeit im Keller, den sie sich in eine Heimwerkstatt umgebaut hatte. Ich kannte diese Phasen in ihrem Leben inzwischen zur Genüge und reagierte mit verständlicher Verständnislosigkeit darauf, dass das Essen am Abend nicht auf dem Tisch stand und meine Hemden, Hosen und Socken nicht gebügelt waren, dass weder Salzstangen noch Bier auf dem Tisch angerichtet waren, wenn eine spannende Sportsendung kam, der Müll nicht hinunter getragen war, die Post nicht alphabetisch sortiert auf der Ablage im Flur lag, die Pantoffeln bereit standen - kurz: dass mein trautes Heim im Chaos versank.
Statt dessen werkelte sie im Kellerabteil herum und experimentierte mit Chemikalien und Was-weiss-ich-für-Stoffen. Sie hängte Skizzen auf, zeichnete lächerlich stümperhafte Baupläne, schraubte und hämmerte. Eines Tages kam sie zu mir und bat mich um Geld für einen Schweißkurs, der bei der Handwerkskammer angeboten wurde. Ich lehnte kategorisch ab. Wo kämen wir denn hin, wenn jede Frau in einem Anfall von Größenwahn nach einem Schweißkurs verlangte? Die Handwerkskammern wären voll von gelangweilten und frustrierten Hausfrauen, die danach strebten, Wandhalterungen, Bilderrahmen und Auspuffanlagen zu schweißen. Susannes Reaktion auf meine unerbittliche Absage war typisch weibliches Schmollen.
"Wofür meinst du eigentlich diesen sündhaft teuren Kurs gebrauchen zu können?" erkundigte ich mich trotzdem aus reinem Spaß an der Freud. Ich hatte schon geahnt, dass sie etwas von mir wollte, als ich zur Türe herein kam - sie hatte meine Leibspeise gekocht: einen ausgesprochen sauren Sauerbraten.
"Ich habe da so eine Idee ..." begann sie stockend. Sie wusste, was ich von ihren Ideen hielt. Nämlich nichts. Abgesehen davon zweifelte ich daran, dass sie den Schweißkurs - hätte ich ihn ihr bezahlt - erfolgreich abgeschlossen hätte.
"Ja?"
"Nun, zum einen könnte ich einige Reparaturen im Haushalt selbst erledigen ..."
"Die da wären?"
Sie hatte ihre Hausaufgaben gut gemacht. Wie aus der Pistole geschossen kam eine Aufzählung von Arbeiten, die normalerweise nur Heizungsbauer oder Schlosser ausführten. Da ging es zum Beispiel darum, durchgerostete Steigleitungen oder die maroden Träger des Balkons zu schweißen.
"Und zum anderen?" forschte ich nach.
"Nun ... ich dachte ... also, ich habe mir da etwas ausgedacht." Sie blickte mich forschend an, um zu sehen, wie ich auf die Einleitung ihres Vortrags reagierte. Ich bemühte mich, völlig emotionslos zu wirken - was mir durchaus gelang.
"Also, es geht darum, dass ich eine transportable Hebebühne entwickelt habe. Stell dir das mal vor: Sie würde von Größe und Gewicht her problemlos in jeden Kofferraum passen! Wäre doch praktisch! Jeder könnte sein Auto aufbocken und mal eben nach der defekten Bremsleitung gucken, ohne deswegen extra in die Werkstatt abgeschleppt werden zu müssen."
Mir blieb die Luft weg. Von einer überflüssigeren Erfindung hatte ich selten gehört. Außer aus ihrem Munde. Das sagte ich ihr auch. Es war eine ebenso nutzlose Erfindung wie ihr vollautomatisches Füllgerät für Salz-, Pfeffer- und Zuckerstreuer oder ihr legendäres "Getränkedosen-Einstampf-Gerät" in der Größe und Form einer Salatzange, mit der auch schwache Menschen ohne jegliche Kraftanstrengung ihren Aluabfall auf ein Minimum hätten reduzieren können.
Das Thema "transportable Hebebühne" war damit für mich erledigt. Susanne verließ den Tisch, in ihren Augen hatten sich ein paar Tränen gesammelt. Sie mochte es nicht, wenn ich sie weinen sah. Was blieb, war ein köstlicher Sauerbraten, den ich mit Heißhunger verzehrte. Warum nur wollte sie die Welt verbessern? Sie konnte doch ausgezeichnet kochen! Welches Kompliment könnte für eine Frau schöner sein als ein leer gegessener Teller?

Ich schiele auf die grünen Digitalzahlen des Weckers, der neben meinem Bett steht. 4:32! In 58 Minuten werde ich aufstehen müssen und mein Tagwerk beginnen. Eine unchristliche Zeit. Als erstes werde ich das Treppenhaus wischen. Weil heute Mittwoch ist, werde ich dem Hausmeister einen Gefallen tun und die Biotonnen auf die Straße stellen. Dann mache ich Frühstück für Susanne. Zuvor wecke ich sie natürlich sanft und frage sie, was sie heute will. Vermutlich ein weiches Ei und dazu frische Brötchen. Ich werde also auch noch zum Bäcker laufen und einkaufen. Nach dem Frühstück werde ich abspülen, abtrocknen und alles wieder aufräumen. Dann mache ich mich für die Arbeit fertig. Ich werde höflich und nett zu meinen Kollegen sein, ohne Murren jede Arbeit erledigen und in mir wird sich der unendliche Hass, den ich mit jeder Minute meiner Existenz aufbaue, ausbreiten, aber ich werde nichts dagegen unternehmen können. Am Abend, nach der Arbeit, setze ich mich dann schön brav auf meinen Stuhl in der Küche und harre der Aufträge, die da kommen mögen.
Noch 56 Minuten.


Eines Morgens erwachte ich und fand das Bett auf Susannes Seite unangetastet vor. Augenscheinlich hatte sie die Nacht im Keller verbracht. Am Abend des Vortages war sie kurz in der Wohnung erschienen, hatte hektisch das Abendessen zubereitet, mir Bier und Chips auf den Wohnzimmertisch gestellt und war dann wieder wortlos im Keller verschwunden. Ich machte mir keine Gedanken darüber - im Gegenteil: Ich muss gestehen, ich genoss diesen Abend als "Strohwitwer", weil ein spannendes Spiel im Fernsehen kam, bei dem mich Susanne bestimmt nur gestört hätte.
Als sie dann am Morgen aber noch immer nicht da war und ich mich genötigt sah, mir mein Frühstück selbst zuzubereiten, platzte mir der Kragen. Ich stürmte den Keller und überraschte sie dabei, wie sie über eine seltsam abstrakte Apparatur gebeugt saß und mit einem Feinmechanikschraubendreher daran herumfummelte. Überall hingen Bilder von menschlichen Gehirnen und Nervenzentren herum, unterteilt in lateinisch benannte Sektionen und mit römischen Ziffern versehen. Schwarze und rote Pfeile zeigten von einem Bild aufs andere. Das alles wirkte sehr verwirrend auf mich und ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Susanne auch nur andeutungsweise eine Ahnung davon hatte, was sie da an die Wände gepinnt hatte. Es sah aus wie in einer Gummizelle. Ich schiss Susanne erst einmal kräftig zusammen.
"Was ist mit meinem Frühstück?" schrie ich ihr ins übernächtigte Gesicht. "Was mit meinen belegten Broten für die Frühstückspause? Soll ich vielleicht arbeiten gehen UND mich um den Haushalt kümmern?"
Sie zuckte zusammen, zog den Kopf ein und nahm die übliche kriecherische Haltung an. So gefiel sie mir schon besser.
"Und was zum Teufel soll das hier eigentlich darstellen? Hast du nichts Besseres zu tun als verkrüppelte Miniaturen zusammenzuschrauben, die allerhöchstens als abstrakte Kunst bezeichnet werden können? DAS wäre doch mal eine Einnahmequelle: Versuch deine tollen Erfindungen an das Museum Of Modern Art zu verkaufen oder in einer dieser ominösen Galerien auszustellen. Vielleicht findet ja ein neureicher Kerl Gefallen an deinen Kreationen und kauft dir den Schrott für gutes Geld ab. Dann könntest du endlich auch mal was zur Haushaltskasse beisteuern!"
Sie antwortete nicht, sondern ging aus dem Keller nach oben.
"Nenn mir eine einzige Frau, die es in der Wissenschaft zu etwas gebracht hat!" rief ich ihr hinterher und folgte ihr. Diesem Treiben musste ein für allemal ein Ende gesetzt werden.
"Marie Curie," antwortete Susanne trotzig, während sie das Treppenhaus hinauf in unsere Wohnung stampfte.
"Ha, die Curie!" rief ich aus. "Die muss aber auch immer als Erstes herhalten. Dabei hat die doch nur von der Arbeit und dem Tod ihres Mannes profitiert."
Susanne, inzwischen an der Wohnungstüre angelangt, drehte sich um und warf mir einen bösen Blick zu.
"Wer noch? Wer noch?" stocherte ich weiter, in der Hoffnung, ihr würden keine Namen mehr einfallen.
"Mary Leakey!"
"Mein Liebling, ich bitte dich" antwortete ich sarkastisch. "Hältst du mich für blöd? Mary Leakey war eine Archäologin. Das hat doch nun wirklich nichts mit Wissenschaft zu tun, wenn man ein wenig im Sand rumstochert und alte Knochen freilegt. Dann könntest du genau so gut Agatha Christie als Wissenschaftlerin anführen, was ebenso lächerlich wäre."
"Und was ist mit Natalja Petrowna Bechterewa?" rief Susanne empört aus. "Ist das vielleicht auch nur eine Sandbuddlerin?"
"Die kenne ich nicht, von der hab ich noch nie was gehört" gab ich zu.
"Nur, dass du es weißt!" keifte Susanne und ihre Stimme überschlug sich dabei. Nebenher strich sie mir mein Frühstücksbrot. "Die Bechterewa ist eine sehr berühmte Wissenschaftlerin im Bereich der Psychiatrie, Psychologie und Neurologie. Ihre wissenschaftlichen Arbeiten über die psychiatrischen Prozesse des Gehirns sind weltberühmt."
"Ich vermute eher" sagte ich voller Überzeugung, "dass du dir diesen merkwürdigen Namen gerade ausgedacht hast. Ich verlange von dir, dass du mit diesem Unsinn aufhörst und dich auf deine Aufgaben als Ehefrau konzentrierst." Ich legte einen versöhnlichen Tonfall in meine Stimme. "Überleg doch mal! Was haben Frauen schon Großartiges erreicht? Nichts! Nicht, weil ihnen die Möglichkeiten gefehlt hätten, sondern weil sie einfach nicht für außergewöhnliche geistige Leistungen GESCHAFFEN sind. Dazu sind die Männer da. WIR haben die großen Entdeckungen gemacht, die bahnbrechenden Erkenntnisse gewonnen. WIR haben euch die Zivilisation gebracht. Von UNS kommen die kleinen Erleichterungen eures Lebens, wie zum Beispiel der Mikrowellenherd, die Waschmaschine oder die Dunstabzugshaube. Oder willst du vielleicht behaupten, dass das Frauen erfunden hätten?"
Sie schüttelte den Kopf. Ich konnte allerdings nicht sagen, ob sie damit auf meine Frage antwortete oder ob sie an meiner logischen Beweisführung verzweifelte. Mir war beides recht. Ich machte mich auf den Weg in die Arbeit und ging davon aus, dass Susanne mit ihren Spinnereien aufhören würde.

Weit gefehlt!
Als ich am Abend von der Arbeit nach Hause kam, war zwar der Tisch gedeckt und ein Teller Suppe dampfte vor sich hin, als wäre er eben erst dort abgestellt worden, aber von Susanne fand ich keine Spur. Und tatsächlich - sie war wieder im Kellerabteil, und diesmal hatte sie ein neues Schloss angebracht und die Tür von innen zugesperrt. Außerdem hatte sie jegliche Einblickmöglichkeiten mit Sperrholzplatten verkleidet; ich konnte sie zwar hören, nicht aber sehen, was da drin vor sich ging. Ich war wütend. Zu Recht, denn schließlich bezahlte ich die Miete und ergo auch das Abteil, in dem sie ihr Unwesen trieb, und es war schon eine ziemliche Dreistigkeit, mich aus meinem eigenen Territorium auszusperren.
Ich pochte einige Male gegen die Türe, doch Susanne reagierte nicht. In meiner Wut ging ich wieder hinauf, sperrte die Wohnungstür hinter mir ab und ließ den Schlüssel stecken. Ich legte mich früh zu Bett. Dieses Spiel ging noch zwei weitere Tage und Nächte lang so. Ich vermute stark, dass Susanne, kaum dass ich aus dem Haus war, in die Wohnung ging, um zu schlafen und ein wenig aufzuräumen, denn das Geschirr des Vortags war immer gespült und in die Schränke gestellt worden.
Dann schließlich, pünktlich zum Wochenende, kam sie aus ihrem Kellerverschlag hervorgekrochen. Sie wusste natürlich, dass ich sie das ganze Wochenende ausgesperrt hätte. Wir sprachen kaum miteinander. Ich gab mich beleidigt, sie konterte mit eisigem Schweigen, doch davon ließ ich mich nicht beeindrucken.
Susanne hatte einige Unterlagen aus dem Keller mitgebracht. In einem unachtsamen Moment, als sie gerade im Bad war und eine Dusche nahm, blätterte ich die Papiere durch und stieß dabei auf folgende merkwürdige handgeschriebene Tabelle über den Frequenzbereich von Gamma-Wellen:

Frequenzband

Frequenzbereich (Hz)

Bedeutung

Delta

1-3

Tiefschlaf, Koma

Theta

4-7

Traumschlaf, Trance, Tiefenmeditation, Hypnose, normaler Bewusstseinszustand bei Kleinkindern und höheren Säugetieren

Alpha

8-12

Entspannter Wachzustand bei geschlossenen Augen, Meditation

Beta

13-30

angespannter Wachzustand, normale Tagesaktivität bei geöffneten Augen

Gamma

30-80

Bindung und Aufmerksamkeit, Integration von Sinnesdaten zu Gestaltimpressionen, Bindung von Raum und Zeit

Omega

80-120

Rationelles Denken, erfassen von Situationen, paranormale Fähigkeiten (z.B. Vorahnungen) in schwacher Ausprägung

Zeta

120-200

Der sog. "freie Wille", zentrale Trägerwelle der menschlichen Entscheidungsfähigkeit



Unwillkürlich drängte sich mir die Vermutung auf, dass meine werte Gattin den Verstand verloren hatte. Es wäre auch nicht weiter verwunderlich gewesen - das weibliche Gehirn ist schließlich nicht für komplizierte, mehrschichtige Gedankengänge konstruiert und wenn sich eine Frau mit Hochwissenschaftlichem beschäftigt, kann es leicht vorkommen, dass sie schlicht und ergreifend verrückt wird.
Es war Freitag Abend, als ich mir ernsthaft überlegte, den Notarzt anzurufen und sie abholen zu lassen.
Bestimmt hatte sie sich in den letzten Tagen und Nächten geistig überarbeitet und eine kleine Beruhigungsspritze würde ihren Körper und Geist ruhig stellen und mir alsbald meine "alte" Susanne wieder zurückbringen.
Hätte ich es nur getan!
In der Nacht von Freitag auf Samstag geschah es dann. Ich erwachte mitten in der Nacht in einer ungewöhnlichen Lage: Ich lag auf dem Bauch und war an Armen und Beinen mit Lederschlaufen fixiert. Im ersten Moment vermutete ich (nicht ohne eine gewisse Erregung zu verspüren), dass Susanne aufgrund ihrer Hirnüberlastung nun abartige sexuelle Phantasien entwickelt hätte - Sadomasochismus oder plötzliche Analfixierung - ,doch das stellte sich schnell als Trugschluss heraus. Meine Gattin hatte ein paar zusätzliche Stehlampen ins Schlafzimmer geschafft und wohl auch die Glühbirne in der Deckenleuchte durch eine hellere ausgewechselt - jedenfalls war alles in ein dermaßen grelles Licht getaucht, dass es mir in den Augen brannte. Nachdem sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, schielte ich nach links und rechts. Auf dem Nachttischkästchen lagen blitzende Instrumente, die mich erschaudern ließen. Darunter ein Skalpell, Metallklammern, Zangen und Scheren in unterschiedlicher Ausführungen und - was mich am meisten beunruhigte - eine Schädelfräse. Auch der abstrakten "Erfindung" meiner Frau, die in Form eines circa drei Zentimeter hohen, mit Kugelenden behafteten Drahtgestells dort lag, wurde ich gewahr. Ich glaubte beinahe nicht mehr, dass ich wach war, es war ein Traum, ganz sicher. Was hätte es auch sonst sein sollen?
In diesem Augenblick spürte ich einen kleinen Stich im Oberarm und anschließend das Gewicht meiner Frau, die sich breitbeinig auf meinem Rücken setzte und mit einem weiteren Lederriemen meinen Kopf so fixierte, dass ich mit der Nase in die Matratze gedrückt wurde.
"Ich werde dir jetzt beweisen, wie intellegent Frauen sein können" behauptete Susanne.
"Intelligent heißt das" keuchte ich resignierend. Nach einer Weile spürte ich seltsamerweise keine Angst mehr, sondern war von einem angenehm stoischen Gefühl ergriffen. Mein Denken verlangsamte sich merklich, aber es machte mir nichts aus. Ich hörte Susanne vor sich hinsummen, während sie eine kleine Stelle an meinem Hinterkopf rasierte, mit dem Skalpell die Haut aufschlitzte und mit Klammern auseinander zog. Ich hörte, wie sie die Schädelfräse anschaltete, das hohe sirrende Geräusch, als sie an meinem Kopf rumsägte. Ich spürte weder Schmerz noch Schrecken, sondern fühlte, wie mein Kopf von unzähligen kleinen Vibrationen geschüttelt und gekitzelt wurde. Es war eine ... interessante Erfahrung.
Irgendwo, tief drin in meinem Hirn, rief eine Stimme "Mein Gott, dieses Weib fummelt an dir herum. Was für irreparable Schäden wird sie wohl anrichten?"
Aber die Stimme war zu leise, als dass sie mich hätte aufschrecken können. Ich wusste, dass etwas Grausames in diesen vier Wänden vor sich ging, aber es war mir gleichgültig. Dann, nach einer schieren Ewigkeit, war Susanne mit der Operation fertig.
Sie erzählte mir etwas vom Freien Willen des Menschen und dass die Wissenschaft ihn immer im Gehirn vermutet, dort dieses ominöse Zentrum jedoch nie gefunden wurde und dass nun sie, ja SIE, der Lösung des Problems auf die Schliche gekommen sei. Der freie Wille sei nichts anderes als das elektromagnetische Frequenzspektrum des menschlichen Gehirns, sogenannte Gamma-Wellen. Ich hörte ihre Worte, aber ich verstand sie nicht. Allmählich ließ die Wirkung der Droge nach und ich empfand es als außerordentlich störend, dass sie noch immer auf mir saß. Ein Pochen dominierte meine Gedanken.
"Ich habe dir einen kleinen Sender eingebaut, der deine Gamma-Wellen im >Zeta-Bereich< blockiert. Du wirst von mir zukünftig ferngesteuert, um es für dich verständlich auszudrücken ... du alte Macho-Sau!"
Sie lachte schallend auf. Bei diesem Gelächter lief es mir eiskalt den Rücken hinunter.

Schon am nächsten Montag konnte ich wieder zur Arbeit gehen. Ich trug einen kleinen Verband an der Stelle, wo mir Susanne den Kopf geöffnet und ihren vermaledeiten Sender - oder besser gesagt: Unterbrecher - eingepflanzt hatte. Das ganze Wochenende über war ich im Bett gelegen und hatte mich auskuriert. Ich hatte Kopfschmerzen, nicht wirklich stark, dafür aber ausgesprochen hartnäckig.
Ich konnte klar denken, aber alles, was Susanne mir sagte, war plötzlich wie eine eigene Entscheidung für mich, es war, als würde ich bügeln WOLLEN, als WOLLTE ich die Toilette putzen oder die Teppiche ausklopfen.
Die Freundinnen meiner werten Gattin finden mich inzwischen auch "recht putzig" und im Haus werde ich oft von Wohnung zu Wohnung weitergereicht, um Reparatur- und unangenehme Reinigungsarbeiten zu erledigen. Und das Schlimmste daran ist: Es scheint mir, als würde ich all diese erniedrigenden Arbeiten erledigen WOLLEN! Dabei WEISS ich doch, dass alles nur Manipulation ist, dass ich BENUTZT werde! Natürlich könnte ich einen Arzt aufsuchen, um mir den Unterbrecher entfernen zu lassen. Aber … ich WILL es gar nicht.
Mein Geist ist frei, doch mein Wille gebrochen. Ich möchte alle Männer auf diesem Weg vor ihren Lebenspartnerinnen warnen: Manch eine Frau ist klüger als es gesund für sie ist. Ich vermute einen genetischen Defekt.
Seien Sie auf der Hut!

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