© der Geschichte: Charlotte Engmann. Nicht unerlaubt
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Schicksalschlag

Das erste, was ich sehe, als ich erwache, ist die Autotür, gegen die ich geknallt bin oder die gegen meinen Kopf gestoßen worden ist je nach Standpunkt. Trotz meines angeschlagenen Zustandes bemerke ich die vielen Beulen in dem blauen Lack, zu denen sich jetzt sicherlich eine weitere gesellt hat. Ach nein, die neue Beule ziert meinen Kopf, der weicher als eine Wagentür ist. Leider.

Im offenen Fenster erscheint das Gesicht einer dunkelblonden Frau, die sich überrascht umsieht, ehe sie mich erblickt und mit einem kleinem, erschreckten Laut aus dem Auto steigt und sich neben mich kniet.

"Du armer Kleiner, habe ich dir die Tür vor die Nase gehauen? Das tut mir leid."
Ich jaule leise, denn mein Kopf tut mir weh. Jetzt ist die junge Frau ernstlich besorgt, sie sieht sich fragend um. Doch niemand, der zu mir gehören scheint, ist in der Nähe, und so wendet sie sich wieder an mich.
"Ich werde dich zu einem Arzt bringen. Und von da aus deine Leute anrufen."
Sie hebt mich auf und trägt mich um ihr Auto herum, während ich ganz ruhig in ihren Armen liege und ihren Geruch aufnehme. Sie duftet nach Leder und ein wenig wie eine Wiese unter der heißen Sommersonne, und ich bin wirklich froh, daß mich so eine nette Person getroffen hat. Ich bin sicher, sie würde gut zu Georg passen.

Sie legt mich auf den Beifahrersitz, und ich rieche es sofort: In diesem Auto ist erst kürzlich eine Katze transportiert worden. Während ich beginne, von einer aufregenden Jagd zu träumen, eilt die Frau wieder um den Wagen herum, steigt ein und startet. Das Auto braust los, und ich werde kräftig hin- und hergeschüttelt: die Dunkelblonde fährt ziemlich rasant. Gerade, als mir richtig schlecht wird, haben wir die Arztpraxis erreicht. Die Frau trägt mich rein und berichtet der Sprechstundenhilfe von dem Unfall, woraufhin wir gleich als nächstes dran kommen. Im Behandlungszimmer begrüßt der Doktor kurz die Frau - sie heißt Chris -, ehe er sich mir zuwendet.

"Das ist ja unser Sammy", stellt er überrascht fest. "Aber wie" Er sieht fragend die Frau an, und sie hebt entschuldigend die Schultern. "Er hatte einen Zusammenstoß mit meiner Autotür, und da ich niemanden finden konnte, zu dem er gehört, dachte ich mir, ich bringe ihn erst mal zu Ihnen, Herr Doktor."
"Das war eine gute Idee." Der Arzt benutzt seine Gegensprechanlage und bittet seine Sprechstundenhilfe, Georg anzurufen und ihm zu sagen, daß ich hier sei. Danach wendet er sich mir zu und sagt: "Nun, du kleiner Ausreißer. Dann wollen wir uns mal deinen Kopf anschauen."

Ich werde auf diesen ekelhaften, kalten Tisch gehoben, und sofort versuche ich zu entkommen. Als ich das letzte Mal hier war, hat der Arzt mir einen Haufen Spritzen verpaßt, als würden diese Dinger nicht wehtun! Doch der Doktor hält mich fest, und so sehr ich mich sträube, es hilft nichts: Ich werde untersucht, ob ich will oder nicht.

Schließlich ist die Prozedur vorüber, und der Arzt teilt Chris mit, daß ich nur eine Beule abbekommen hätte und daß alles glimpflich abgelaufen sei. Na, der ist ja auch nicht untersucht worden!
Gerade, als ich meinem Unmut freien Laut lassen will, taucht Georg in dem Zimmer auf. Sofort ist er an meiner Seite und beugt sich halb ärgerlich, halb besorgt über mich. Doch der Arzt kann seine Sorgen und Chris seinen Ärger zerstreuen. Sie entschuldigt sich, daß sie mir die Autotür vor die Nase geschlagen hätte, er sieht sie an, sie sieht ihn an, und ich kann regelrecht die Geigen hören, die in solchen Momenten in schlechten Filmen erklingen.

Prompt lädt Georg Chris zum Kaffetrinken ein, als Dank für ihre Mühen, und sie nimmt gerne an. Georg hakt die Leine in mein Halsband und setzt mich auf den Boden, ehe sich die beiden vom Tierarzt verabschieden und gemeinsam die Praxis verlassen.

Ich fühlte mich zwar immer noch etwas wackelig, aber das Gefühl, heute etwas bedeutendes erreicht zu haben, läßt mich die überstandenen Strapazen vergessen und an morgen denken. Dann will ich nämlich eine Freundin für mich selbst finden. Eine nette Dackeldame, zum Beispiel.

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