© der Geschichte: Sylvia Schumann. Nicht unerlaubt
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Schatten an der Wand

Kati wird langsam wach. Ihr Schädel dröhnt. Sie liegt irgendwo in einem Keller zwischen Bierfässern und Getränkekästen. Wie spät es wohl sein mag? Hier stinkt es, denkt Kati und versucht aufzustehen. Sie hat es fast geschafft sich aufzurichten, da knallt eine Eisentür in der Nähe. Kati verharrt ganz still. Ganz ruhig, sie hatte schon andere Dinge in ihrem Leben gemeistert als in einem Kellerloch aufzuwachen. Aber warum ist sie eigentlich hier?

"Na du Kröte. Geht es dir besser ?" Ein Mann ist an Kati herangetreten und berührt leicht ihren Arm. Rudi, der Besitzer vom Spiegel, einer ihrer Stammkneipen. "Mußt du denn immer so übertreiben Kind?" Katis Stimme ist mehr ein Krächzen: " Bin ich wieder umgekippt?"

"Kann man wohl sagen. Taschen voller Drogen, konnte keinen Krankenwagen rufen, die hätten dich nur wieder eingesperrt. Vom Barhocker auf den Boden bist du geknallt, so hattest du den Kanal voll junge Dame." Rudi hilft Kati von ihrem Kellerlager aufzustehen.

"Danke. Mach ich dir wieder gut." Kati sieht verboten aus. Eigentlich könnte Kati ein schönes, junges Mädchen sein. Sie ist erst 17 Jahre alt. Doch ihr hübsches Gesicht ist graugelb und ausdruckslos, wie auch ihre blauen Augen. Die langen blonden Haare hängen filzig und strähnig an ihrem Kopf herunter. Sie wohnt mal hier mal da, aber meistens auf der Strasse. Zumindest im Sommer. Und es ist Sommer. Alles so hell. Und bunt. Aber warm ist es auch und das ist gut.

Mittlerweile ist es 10 Uhr morgens. Rudi macht für Kati gerade einen Kaffee. Kati macht sich derweil auf dem Klo etwas frisch. "Scheiße, wo ist das Pack?" Für Kati bedeute "Frisch machen" nicht waschen oder duschen. Wozu? Damit der erste dreckige Freier sie gleich wieder besudelt? Sie wühlt in den Taschen ihrer speckigen Jeans, die flatternd um ihren Po hängt. Hat mal eng gesessen das Teil. Endlich ertasten ihre nervösen Finger das ersehnte Papier, in dem ihr Leben eingewickelt ist. Heroin ist seit 3 Monaten ihr Leben.

Mit 14 hatte sie schon keinen Bock mehr auf ihr Elternhaus. Dort hatte sie auch nicht viel zu erwarten. Vater Alki, Mutter hysterisch und herrschsüchtig. In der Grundschule beim Sport hat sie sich nie getraut sich auszuziehen. Erstens war ihre Wäsche schon damals schmutzig, und zweitens wollte sie nicht, dass jemand die vielen blauen Flecke sieht. Mit 15 lief sie nach einigen gescheiterten Versuchen endgültig weg. Seitdem ging alles sehr schnell.

Kati kommt in den Schankraum, der Kaffee ist schon längst fertig. Nur noch lauwarm. Macht nix. Soll nur den Mund etwas wärmer und feuchter machen. "Nochmal danke Rudi. Muß jetzt los." Sie stapft zur Tür. Draußen wird sie von wärmster Sommerferienluft empfangen. Kein Wölkchen am Himmel. Wird der Bus ja total voll mit Kiddies sein, denkt Kati. Und alle mit sonnigen Gesichtern auf dem Weg zum Freibad. Dazwischen jetzt Kati mit finsterem Gesicht, und auf dem Weg zum Babystrich. Sie ist froh wieder aussteigen zu dürfen. Das tut weh, schrecklich weh. Sie wär ja auch gerne in dieser Welt auf der anderen Seite, na ja. Ihr Ziel ist die Stadtmitte, dann hat sie es später nicht weit bis zu ihrem Dealer, denn da ist auch der Bahnhof. Bei dem sonnigen Wetter sind die Freierschwänze besonders geil. Haben sich an den Ampeln schon an Titten und Beinen von den vielen jungen und sexy, sommerlich gekleideten Frauen den Schwanz hart gestiert. Kommen dann zu ihr, denn die hübschen Dinger dürften sie ja nie berühren. Und sie ist ja auch billig. Die Sonne ist unbarmherzig zu einem Junkie. Kati kann kaum gerade stehen. Braucht neuen Stoff. Das hatte eben echt nicht mehr gereicht. Sie geht ein wenig auf und ab. Nicht weil Nutten das so tun, sondern um ihren Kreislauf zum Leben zu bringen. Das erste Auto hält neben ihr. Kati steigt ein.

Sie verhandelt schon lange nicht mehr um den Preis, sondern nimmt dankbar an, was der Freierarsch ihr geben will. Aber so hält sie sich ein paar Stammkunden für den Winter. Den ersten Bubble hat sie jetzt zusammen, braucht aber noch drei, um den Tag zu überleben, ohne Affen schieben zu müssen. Aber erst mal rein in den Bahnhof, den Ken suchen. Er muß ihr was geben. Im Bahnhof ist es angenehm kühl und auch nicht so verdammt hell und grell wie draußen. Am Nordeingang steht er. Ken sieht auch scheiße aus. Jeder weiß, dass er nur gepanschtes Zeug verkauft, weil er das Meiste für sich braucht . Aber morgens um 11 Uhr pennt der gute Dealer noch. Und Kati schafft ohne Stoff keinen Freier mehr. Also?!

Ok, Ken hat ihr etwas verkauft. Im nächsten Klo wird das auch direkt verwertet. Ihre Venen entspannen sich direkt, als die Flüssigkeit ihren Lauf nimmt. Ihr Kopf ist angenehm leicht. Jetzt kann sie etwas essen. Besorgt sich ein trockenes Brötchen und einen Flachmann. Kati muß nun zurück zur Arbeit. Raus aus dem kuscheligen Bahnhof. Rein in die Arena des Sommers. Mann haut das Zeug auf die Augen. Und dazu die pralle Sonne. Mittagssonne.

Sie läuft schwankend zurück auf ihre Strasse. Endlich angekommen. Kati stellt sich auf. Ich glaub einer reicht mir noch. Was ist los? Sterben Junkies auch im Sommer? Irgendwie fühlt sie eine unerklärliche Erregung aufsteigen. Ihr Herz rast. Ey du Arsch, ich wollte kein Speed oder irgendeinen Cocktail, denkt sie. Ein Audi hält neben ihr. Wie eine Maschine steigt Kati ein. Auf dem Parkplatz des nahegelegenen alten Fabrikgeländes stellt der Freier den Motor ab. Kati bekommt nicht viel mit. Muß nur ständig beim Blasen kichern, weil der Schwanz so klein ist wie ihr kleiner Finger. Jetzt will er ihn auch noch reinstecken. Er zerrt sie in Fickposition. Durch seine zittrigen Versuche sein kleines Ding bei ihr reinzuquetschen wird ihr schlecht. Das ruckelt so sehr. Kati schafft es noch, den Kopf aus dem Auto zu halten, als die Kotze nur so aus ihr herausbricht. Angeekelt schmeißt der Freier, den sich vor Krämpfen schüttelnden Körper, aus seinem Audi. Bei dem Sturz prallt Kati mit dem Schlüsselbein auf einen größeren Stein. Sie landet in ihrer feuchten, noch warmen Kotze.

Der Schmerz macht es ihr unmöglich, sich zu bewegen. Weg ist der Audi. 13 Uhr. Es ist heiß. Das Haar sitzt, dank Drei Wetter Taft. Kati wird ohnmächtig. Das Leben, der Cocktail, der Sturz. So schläft sie ein. So stirbt sie. Ihr Herz ist eingeschlafen . Einfach stehen geblieben. Mitten im Sommer.

16 Uhr. Spaziergänger sehen einen Schatten an der Wand, der sie neugierig macht.
16:30. Gerichtsmedizin transportiert die erste Drogentote diesen Sommers davon. Als Rudi davon hört, findet er das ganz schön scheiße. Er hat die Kleine gemocht.

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