© der Geschichte: Silke Rosenbüchler. Nicht unerlaubt
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Sommerpicknik

Versonnen betrachtet sie den kleinen Zitronenfalter, der ungelenk von Blüte zu Blüte taumelt. Flattriges kleines Ding, mal hier, mal da, von jeder Blüte naschen. Schmetterling müßte man sein. Fliegen können im Abendwind, leicht, spielerisch, und immer nur Honig schlecken. Falsch: Honig wird von Bienen erzeugt, hervorgewürgt in mühevoller Kleinarbeit. Also dann: Nektar naschen. Ja, genau. Und bei Schlechtwetter von Regentropfen erschlagen. Und überhaupt: vorher das mühevolle leben als Raupe, ständig auf der Flucht vor Spitzen Schnäbeln und mörderischen Wespen, auf kurzen Stummelfüßchen und auf alle Fälle zu Fuß. Der kleine Kerl da hat wirklich Glück gehabt, bei Schönwetter geschlüpft zu sein. Wieviele Tage hat er Zeit, sich zu paaren? Zwei, drei? Wo wohl die Schmetterlinge schlafen?

"He, Kleines, träumst Du?" lächelnd blickt sie zu Fred auf, der mit forscher Stimme in ihre philosophischen Tagträume zum Thema "mein Leben als Schmetterling" platzt. Du Arsch du. Wofür hältst du mich eigentlich, wenn du mich "Kleine" nennst? Für dein Spielzeug? Für ein Baby, auf daß du großer Held aufpassen mußt? Nein, sie wird sich nicht groß über diese Anrede aufregen. Wenn er es braucht, um sich gut zu fühlen? "Hast du den Korb schon ausgepackt, Fred Liebling?" Männer sind Dienerkreaturen. Solange sie brav ihre Aufgabe erfüllen, können sie getrost ihren Matchophantasien nachhängen. "Es ist alles bereit. Während du faul in der Sonne gelegen bist, habe ich ganze Arbeit geleistet. Decke aufgebreitet, Korb aus dem Auto getragen..." - "Du bist wundervoll!" Wie samtblaue Blitze trifft ihn dieser Blick aus ihren wimpernverhangenen Augen. Am liebsten würde er sich jetzt auf sie stürzen und ihr das zarte Sommerkleid vom Leib reißen, unter dem sich ihm ihre Brüste erwartungsvoll entgegenrecken. Verdammt scharfes Weib. Ich krieg dich, Baby, heute bist du fällig. Diesen ganzen Aufwand will ich nicht umsonst getrieben haben. Ein paar Gläser Ribiselwein, auf dieses süße Zeug stehen die Weiber, Kuchen dazu und die Schnitte ist fällig.

"Hast Du auch ein Yoghurt dabei?" - "Yoghurt?" Richtig süß sieht er aus, wenn er so verwirrt dreinblickt. Kein Yoghurt also. Bin schon neugierig, ob dieser stramme Goldjunge wenigstens an die Präser gedacht hat. "Kein Yoghurt? Schade." Sie zieht einen leichten Schmollmund, dreht sich ein wenig von dem verlockenden Picknickplatz ab. Ganz anspruchsvolles Weibchen. Jetzt will die auf einmal ein Yoghurt! Hätte sie früher bestellen müssen. Glaubt wohl, ich kann ihre Wünsche riechen. Dieser Arsch. Ahhh!

"Jetzt schau nicht so verdattert. Was hast du sonst noch eingepackt?" - "Wenn Madame mir folgen wollen?" Gnädig läßt sie sich die Köstlichkeiten zeigen. Torte, Mineral, Shrimps und Kaviarbrötchen - kein Sekt? Ribislwein? Der Junge hat tatsächlich eine originelle Ader! Hoffentlich gibt's hier keine Ameisen. Sie angelt sich eins der Brötchen, beißt lustvoll hinein. Steinberger, der Junge läßt was springen, aber die haben wirklich die besten Brötchen. Sie läßt es geschehen, daß seine Hand sich auf ihren Oberschenkel legt, diesen zart zu streicheln beginnt, zentimeterweise nach oben wandert. Gut machst du das. Wie zufällig läßt sie ihre Schenkel weiter auseinandergleiten, nippt kokett an dem blutroten, süßen Wein. Die schrägen Strahlen der Abendsonne streuen kupferne Reflexe auf ihr Haar. Der Wind rauscht in den Wäldern, die Ähren wogen sacht - Eichendorf. Ein warmer Wind unterstützt streichelnde Hände, kühlt erhitzte Körper. Langsam rollt die halbvolle Ribislweinflasche in eine kleine Mulde, roter, süßer Saft zeichnet ihren Weg, ergießt sich in den warmen Erdboden, der ihn gierig aufsaugt, feucht glänzend. Ein kleiner Zitronenfalter landet am Flaschenhals, kostet vorsichtig den ungewohnten Nektar. Taumelnd fliegt er weiter, gleitet, schwebt von einem unbekannten unwiderstehlichen Duft gelockt und geleitet.

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