© der Geschichte: Timo Lüdtke. Nicht unerlaubt
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Outing

Ich bin ein Abbrecher, ein faules Schwein, ohne ein Ziel vor Augen, unfähig auch nur Irgendetwas zuende zu bringen, einer der nichts wirklich richtig gut kann und einer auf den man sich nicht verlassen sollte, sagen sicher viele Menschen über mich.
Aber sie haben Unrecht.
Sie werden sagen, so könne sich jeder rausreden. Sie können gar nicht anders.
Ich räume ein, dass sie in einem Punkt Recht haben könnten. Könnten.
Auf der Suche nach dem Ziel wird einem klar, dass man erst den richtigen Weg finden muss, ehe man sich aufmacht, seinem Ziel entgegenzugehen. So jedenfalls habe ich es lernen müssen. Wohlgleich ich nicht behaupten kann meinen Weg gefunden zu haben. Jedoch hat mich die Tatsache, dass ich mit meinem gesamten Körper, jedem Sinn, spüre wie ich mich meinem Weg nähere, dazu gebracht über genau diese Dinge nachzudenken. Das führte in den Wahn, dass genau dies mein Weg sei. Mein Antrieb ist es, Zusammenhänge zu erkennen, so hoffe ich. Es gibt andere Menschen, so empfinde ich es, die sich Ziele setzen, ohne deren tiefere Bedeutung zu erfassen. Und ich fühle mich zu schwach, mir ein Ziel zu setzen, mich für etwas einzusetzen, um etwas zu kämpfen, von dem ich nicht weiß, ob es die Ursachen wert ist, die ich gesetzt habe, um es zu erreichen. Oder erreichen zu wollen. Und das ist der Punkt, sobald ich einen Weg sehe, auf dem ich gehen kann, der mir richtig erscheint, werde ich ihn gehen. Das schöne sind Momente, in denen ich denke ich rase förmlich auf mein Ziel zu, so, als seien die Erkenntnisse über das Leben, seine Zusammenhänge, die mir immer schneller, immer plausibler werden, Streckenabschnitte die mich meinem Ziel näher bringen.

Unschön sind Momente, in denen ich in den Augen meines Gegenübers Unverständnis sehen kann, von dem ich weiß, dass es sich nicht legen wird, wenn ich es meinem Gegenüber zu erklären versuche. Jeder muss selbst zu diesen Erkenntnissen gelangen. Nach all den Jahren der Suche nach einem Ziel schien ich plötzlich große Schritte auf etwas Wichtiges zu gemacht zu haben. Ich fühlte mich mit Erkenntnis beschenkt, als dürfte ich alles so sehen, wie es ist, in seinen grundlegenden Zusammenhängen, mit allen Realitäten jedes Menschen. Wer denkt, ich wolle damit sagen, ich wüsste genau was in anderen Menschen vorgeht, sollte diesen Text bei Seite legen und ihn erst zu ende lesen, wenn er selbst meint sich und damit alle anderen entschieden besser zu verstehen. Wenn er verinnerlicht hat, dass alles was außerhalb seines Körpers geschieht, jedes Gespräch, jeder Gegenstand, jedes Geräusch, alles was ist, nur und ausschließlich Reflektionen seiner Selbst sind. Wir projizieren uns nach außen, nehmen uns dann durch unsere Sinne war und ordnen alles unserem Empfinden nach wieder ein. Größtenteils geschieht dies unbewusst. Daher ist entscheidend für unsere Selbstfindung, wie und warum unser jeweiliges Unterbewusstsein so oder so arbeitet, oder "reagiert".

Erkenntnis bringt keinen messbaren Profit, kein Geld, oder Ruhm. Nichts wird einfacher und ich bin mir oft nicht einmal sicher, ob es erstrebenswert ist, zu verstehen, zu sehen was andere nicht sehen, oder sehen wollen. Schlimmer noch, manchmal erscheint nichts, was andere tun, sagen, wollen sinnvoll zu sein. Und schnell verliert die eigene Sicht der Dinge an Sinn. Das sind dann die Momente an denen ich solche Texte schreibe und mich wirklich gut fühle, mit einem Leben voller Sinn. Leider geht diese Euphorie ebenso schnell, wie sie kommt.
Denn ich bin ein Abbrecher, ein faules Schwein, ohne ein Ziel vor Augen, unfähig auch nur Irgendetwas zuende zu bringen, einer der nichts wirklich richtig gut kann und einer auf den man sich nicht verlassen sollte.

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