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Nachtgedanken eines verliebten Juristen

Helena,
per Fax klagen ist ja jetzt durch
also rechtskräftig meine ich
darum hör' richtiger lies
hier meine Liebesklage per Fax.

Ob mildernde Umstände
für mich in Betracht kommen
wer entscheidet
wenn vor allem mir selbst
der es doch am besten wissen müßte
immer noch unklar ist
welcher Übertretung welchen Gesetzes
ob geschrieben oder ungeschrieben
ich mich schuldig gemacht habe
es war doch bisher nichts zwischen uns
außer einem Jux primae noctis
letzten Karneval
also wenn etwas
dann
alles längst verjährt.

Trotzdem macht dein Haus auf mich
wenn ich durch die Straße gehe
den Eindruck als hättest du neuerdings
besondere Sicherheitsvorkehrungen genehmigt
bekommen
ich komme mir auch ständig so bewacht vor
wenn ich bei dir klingele
oder sag' mal
bist du zur Zeit etwa in Schutzhaft
weshalb Helena
sind alle meine bisherigen
persönlichen Schlichtungsversuche gescheitert
weil bei dir nie jemand aufgemacht hat?

Jeder Brief jede Karte von mir an dich
kommt als verweigert zurück
jedes Einschreiben behältst du ein
und von denen mit Rückantwort bekomme ich
stets nur den Rückschein zurück
Sag' muß man sich bei dir
zensiert vorkommen wie in einer Vollzugsanstalt
dann Helena frage ich dich
welcher Justiz
wir haben doch freie Meinungsäußerung.

Aber, Helena, ob du es glaubst oder nicht
bei Juristen gibt es nicht nur Berufsethos
sondern manchmal auch Berufspathos
mein Vertrauen in die Rechtsprechung ist nach wie vor unerschüttert
ich rechne immer noch
mit einem günstigen Ausgang meines Verfahrens.

Ich weiß nur nach wie vor nicht
um was unser Prozeß eigentlich geht
ist meine Liebe denn Gefahr
für Leib oder Leben
Helena, du erwägst doch nicht im Ernst
einhundertachundsiebzig StGB
ja fändest du es etwa besser ich drohte
wenn du mich nicht endlich erhörst
dann
ende ich im Verwaltungsgebäude
gegenüber deinem Schlafzimmerfenster
in einem Büroraum
als Rechtsverweser -

Helena,
willst du das?

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