© der Geschichte: Elken Schlüfter. Nicht unerlaubt
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Der Mann vom Amt

Der Stress mit den Mängeln in ihrer Wohnung und ihre Gesundheit zwangen Sie zu handeln.
Es roch, trotz täglich mehrfachen Lüftens, in ihrem Schlafzimmer muffig wie im Keller.
Sämtliche Kleidungstücke und Papiere waren klamm.
Sie hatte das Gefühl, mit jedem Atemzug Schimmelpilze einzuatmen.

Ein Herr von der Hausverwaltung war schon einmal da.
Er fand keine Erklärung für die Silberfische, die augenscheinlich aus einer Ritze zwischen Heizungsrohr und den Bodenleisten kamen.
Der versuchte erst mal die Arie vom Lüften.
Dann folgte die, mit den Möbelstücken zu nah an der Wand usw...
Aber, an der Wand stand nichts, die Silberfische und die feuchte Wand hatte sie schon bei ihrem Einzug bemerkt und bemängelt.
Der Kammerjäger konnte nur vorübergehend den Silberfischbefall Abhilfe schaffen und Sie wollte nicht den Rest ihrer Tage Silberfische jagen und Besuche von Kammerjägern bekommen!
Der Bodenbelag war bereits verzogen und es reichte jetzt!
Sie erkundigte sich deshalb telefonisch beim Gesundheitsamt wie es denn aussieht, was man tun könne, wo man Hilfe bekäme.
Schließlich ging das nun schon über ein Jahr!

Der Mann vom Gesundheitsamt war ausgesprochen "hilfsbereit".
Ausführlich sprach er mit ihr, legte ihr dringend ans Herz, sie möge doch beim Amt für Bau- und Wohnungswesen anrufen.
Dort würde man auf so eine Geschichte wie diese, schon warten!
Das ist genau das, was sie eigentlich nicht wollte, denn Sie war froh, umgezogen zu sein, raus aus dem "Sozialpalast" und nicht alle drei Jahre ihre Papiere für das Wohnungsamt zusammenkramen zu müssen.
(Bei ihr war das nicht so einfach, ihre Einkommensverhältnisse waren leider nie mit nur einer Einkommensbescheinigung zu belegen)
Allein das Wort "Wohnungsamt" verursachte ihr Magenschmerzen.

Im Laufe des Gespräches gewann sie den Eindruck, dass sich diese Behörden untereinander nicht grün sind.
Nun ja, Sie schrieb also an das Amt für Bau- und Wohnungswesen.
Der Mann meldete sich telefonisch bei ihr.
(Ungewöhnlich, dass sich so schnell überhaupt jemand meldet, aber gut!)
Erneut schilderte sie diese "never-ending-story".
Er könne da auch nichts machen, aber er wolle vorbeikommen und sich die Sache ansehen.
Sie wunderte sich zwar, warum der Mann dann überhaupt kommen wollte, aber sie war gerade zu Hause, da wieder einmal krank!
Er rief sie noch einmal an, er komme so gegen 15.00 Uhr.
(Ah ja, und dann gleich weiter durchfahren nach Hause?!)
Es klingelt, nicht eben zu überhören.
Als sie die Tür aufmacht, sah, wer da stand, hätte sie die Tür am liebsten wieder zugemacht.
Da stand genau der Typ, der all ihre Vorurteile bestätigte.
Wohlbeleibt, gerötetes Gesicht, aufgesprungene Äderchen (Alkoholprobleme?), karierter Anzug, einen Ordner unter dem Arm.

Bullernd stellte er sich vor:
"Mein Name ist Neunmalklug, Bau- und Wohnungswesen!"
In diesem Moment bereute sie von Herzen, dort um Hilfe angefragt zu haben!
Sie ließ ihn also eintreten, er hörte zu und - was kam?
Lange Vorträge über richtiges Heizen, Lüften usw....
Das war es nicht, weshalb sie um Hilfe gebeten hatte!
Es ging um Silberfische, die sich in ihrem Schlafzimmer tummelten und die Hausverwaltung, die nur daran dachte, immer wieder einen Kammerjäger zu schicken!
(Letztlich auch ein Zeitproblem. Wer kann als Berufstätiger während der Arbeitszeit laufend Termine mit Handwerkern wahrnehmen?)
Nach dem ersten Eindruck, den sie von dem Mann gewonnen hatte, hätte er gleich wieder gehen können.
Für ihn gab es augenscheinlich wirklich nichts zu tun!
(Abgesehen davon, auch ihrem Eindruck nach und sie wollte ihn eigentlich nur noch loswerden!)
Nur wie ihn jetzt wieder loswerden?

Wie ein Kriminalist inspizierte er ihr Schlafzimmer.
(Irgend etwas musste es ja zu bekritteln geben, wenn man jetzt als "Amtsmensch" zugegen war. Man musste ja wenigstens den Außentermin erklären können!)
So befand er es dann auch für nötig, zu sagen, sie solle die Heizung nicht zuhängen.
Das war der Punkt, an dem sie hätte anfangen können zu schreien!
Das hauchdünne Chiffonfähnchen, das nur an den Seiten als Deko gedacht war und die Heizung in keiner Weise bedeckte?
Es ging weiter:
"Ja, haben sie denn hier in diesem Zimmer kein Hygrometer?"
(Sie hatte drei Messinstrumente in einem: Thermometer, Hygrometer, Barometer!)
Sie: "Ja, da im Flur ist eines."
Also, mit ihr in den Flur gegangen und:

"Nein, das ist kein Hygrometer, das ist ein Thermometer!!!"

Daraufhin geriet sie völlig aus der Fassung.
Sehr gedehnt, ernsthaft noch am überlegen, ob sie nicht vielleicht falsch liegt, antwortet sie: "Nein, dann habe ich wohl keines!"

Die Sache wurde langsam zum Albtraum.
Hoffentlich engagierte sich der Mann jetzt nicht noch weiter!
Ihre Gedanken gingen nur noch in die Richtung, wie sie den Mann wieder loswerden konnte!

Langsam steuerte Sie mit ihm in Richtung Wohnungstür.
Sie machte auf "hilfloses, dummes Frauchen", dankte für sein promptes Kommen ließ sich noch einmal belehren, wie man den "richtig heizt".
(Da konnte er noch mal so richtig "den Macker von Amt" heraushängen lassen, vielleicht brauchte er das ja!)
Wortreich verabschiedet Sie ihn.
Natürlich, ja, natürlich würde sie sich dann bei ihm melden, wenn es noch Probleme gäbe!
Auch den Namen ließ sie sich noch einmal nennen, damit sie dann gleich den richtigen Ansprechpartner habe!
Die Tür fiel ins Schloss!
Gott sei dank!
Der ist weg!
Nur sehr langsam wich die Anspannung.

Was lernen wir daraus?
Nie wieder "Hilfsgesuche" beim Amt!

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