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Der Löwe im Winter

Es war früh am Morgen, erst ganz sachte begann Eos wieder 'gen Olymp zu entschwinden und tauchte den Himmel in ein zartes rosarot.

Da lag der alte Löwe, bedeckt von den spärlichen Gräsern der Serengeti und dem spärlichen Rest Schnee , den die letzte Nacht heimlich und leise gebracht hatte. Langsam schlug er die Augen auf, begann sich zu recken und zu strecken, um sich etwas von der Müdigkeit zu befreien, die auf seinen Knochen lag.
Er war alt, älter als die meisten seiner Artgenossen, doch selbst seine Augen hatten noch nie den Winter erblickt, nur als kleines Kätzchen, erinnerte er sich, erzählten die Ältesten immer Geschichten davon.
Es fröstelte ihn, doch bald würde die Sonne auf gehen und sein zottiges Fell wärmen.
Schwankend, doch mit jedem Schritt an Stärke gewinnend, lief er auf seinen Hügel zu.
Es war der höchste weit und breit, gerade richtig für einen König. So lag er eine Weile, genoß die wärmende Sonne und wachte mit halb geöffneten Augen über sein Reich.

"Was war das?", ging es den Löwen durch den Kopf. Seine Sinne waren manchmal nicht mehr die Besten, doch seinen Hügel kannte er, kannte die Gräser und Sträucher, sprach ihre Sprache, verstand wenn sie ihm flüsterten, dass Beute nah sei. Sie war nah - sehr nah.
Das rascheln wurde deutlicher, doch es war zu kühl um Witterung auf zu nehmen. Allein seine Ohren ließen ihn die Krallen ausfahren und sich sprungbereit machen. Ein Frischling. Unverdrossen stöberte es durch den Schnee, genau in seine Richtung.
Das kleine roch und schnüffelte, vergaß alles um sich herum, bis, bis es an des Löwen Schnauze stieß. Grimmig und todbringend starrte er den kleinen Keiler an, erstarrt und zu Tode erschrocken erwiderte er den Blick. Die Zeit schien stehen zu bleiben, eine Sekunde wurde zur Stunde, Auge gegenüber Auge, Stunden zu Tage, Blick in Blick, Tage zu Wochen, grün in braun und diese verschwammen zur Unendlichkeit. Äonen schienen vergangen bis dem kleinen bewußt wurde in welch Gefahr er schwebte.
"Quiiiiiiik!!!!!!". Ein durch Mark und Bein gehender Schrei erweckte die Zeit aus ihrem Schlaf und den Frischling aus seiner Starre. Wie ein Pfeil schnellte er davon, verzweifeld schreiend und von Gefahr kündend.
Und der Löwe? - Er lächelte.
Zufrieden mit sich selbst - zufrieden ein König zu sein, ja selbst zufrieden mit dem Hunger legte er sich wieder in das weiß gefärbte Gras.
Sein Kopf ruhte auf den Tatzen und ein Grinsen in seinem Gesicht.

Er hatte die Augen geschlossen und doch konnte er sehen wie sich der Frischling auf der flucht überschlug, seine Rotte gewarnt wurde - davon stürzte, ja selbst die Antilopen an dem kleinen Tümpel in Panik versetzt wurden und aufgeregt hin und her tänzelten. Vögel Stoben davon, Giraffen fielen in Trab - die Serengeti lebte.

So lag der König viele Stunden und lauschte den Geschichten, die die Savanne täglich erzählte. Er erfuhr vom Liebesspiel der Elefanten genauso wie von der erfolgreichen Jagd seiner Artgenossen.
Äußerlich strahlte er majestätische Gelassenheit aus, innerlich schmunzelte er: "Wie unbeholfen doch die kleinen sind, nagen kaum an der Beute und tollen im Schnee. Die Jungen, sie Jagen als ob nichts wäre, tu'n so, als könnten sie den Winter nicht sehen und er ihnen nichts an haben. Mich hungert, doch schon zu oft habe ich mich von ihrer Jagd gezehrt,zu oft ihren Respekt eingefordert - jetzt nicht mehr! Es geziemt sich nicht für einen Herrscher.
Kein König sollte seine mageren Rippen verstecken müssen, darauf verzichten auf Jagd zu gehen und Beute zu machen. Doch Winter ist nicht die rechte Zeit zum jagen - er lässt das Blut nicht warm werden, mich den Duft der Welt nicht riechen." So dachte er, herrschte auf seinem Hügel, wachte über sein Reich und ward ein König -
in seinem Inneren jedoch nur ein Löwe, ein Löwe im Winter.

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