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Ich hätte die Katze verraten können

Es war eine Katze mit tigergelbem, seidigem Fell. Sie hatte sich schon früh durch Unternehmungsgeist ausgezeichnet. Sonst wäre sie nicht bei uns auf dem Hof gelandet. An einem Wintertag hatte sie sich unter der warmen Motorhaube des Wagens von Nino, dem Lebensgefährten der Hausherrin, verkrochen und die Reise bis zu uns ängstlich miauend, an irgendeinem Teil des Motors festgeklammert, lebendig überstanden. Schon während der Fahrt war Nino dieses klägliche Miauen aufgefallen, aber er hatte sich darauf keinen Reim machen können.

Als die Reise endete, war sie mit einem Satz in die Garage entwichen und versteckte sich seitdem zwischen einigen Stapeln Brennholz, die dort aufgeschichtet waren. Erst der Hunger ließ sie nach und nach zutraulicher werden. Als sie zum ersten Mal läufig wurde, war es der Hund, der die Jungen aufspürte, und Nino, der sie im nahen Bach ertränkte.

Man hätte die Katze natürlich sterilisieren lassen können. Aber das kostete Geld. Außerdem war Nino der Ansicht, daß man sie ihres sexuellen Vergnügens nicht berauben dürfe.

So wurde diese Angelegenheit auch zum zweiten und dritten Mal gehandhabt. Sobald die Katze geworfen hatte, traten Nino und der Hund auf den Plan und beseitigen die junge Brut.

Aber - es mag für uns unwahrscheinlich klingen - der Katze muß irgendwann klar geworden sein, daß sie jedesmal ihrer Jungen beraubt worden war. Als sie das nächste Mal trächtig wurde, suchten der Hund und Nino die Jungen vergeblich. Die Verwunderung war groß. Schließlich war ich es, der des Rätsels Lösung fand. Es war einem heißen Augusttag, ich sah zufällig aus dem Fenster, als die Katze in mein Blickfeld geriet. Sie kletterte die Felswand hoch, die sich schroff ansteigend neben dem Haus erhebt. Auf einer Höhe von 6-7 Metern verschwand sie im stachligen Gestrüpp, das in den Felsritzen wächst. Gespannt wartete ich. Nach einem Augenblick kam sie wieder zum Vorschein und trug in der Schnauze ein Junges. Ich verfolgte ihren Weg. Sie schien für ihre Jungen ein neues Versteck gefunden zu haben. Und richtig, die Tür zum Heuboden stand offen. Hier gab es für die Jungen ein weiches Lager, und ich sah, wie unsere Katze dort verschwand. Dreimal wiederholte sich der Transport.

Ich lächelte. Diesmal schien die Katze schlauer gewesen zu sein als die Menschen.

Eigentlich hätte ich Nino von meiner Entdeckung berichten müssen, doch ich tat es nicht. Ich fand, daß so viel Mutterliebe eine Belohnung verdient hatte.

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