© der Geschichte: Ilse Scherr. Nicht unerlaubt
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Herberts Fee

Es war an einem Samstag. Herbert widmete sich dem, was er als ehelichen Pflichtakt bezeichnete. Wobei er sorgsam darauf achtete, nicht unter sein Eheweib zu geraten. Herbert empfand das Gewicht, das sie auf die Waage brachte, als bedrohlich.

Wie schon so oft verfluchte Herbert das Wasserbett, das er seinerzeit zum Zwecke ehelicher Vergnügungen angeschafft hatte. Mit steter Beharrlichkeit zerstörte es auch heute den Rhythmus, den er ihr gerne aufgezwungen hätte.

Ihre Bewegungen kamen außer Kontrolle, weil ekstatisch. Herbert musste an das Schlingern einer alten Fregatte denken, die sich ungeschlacht dem Wellengang einer von kriegerischen Handlungen aufgewühlten See hingibt. Herbert mühte sich ab, mit der einen Hand quellende Brüste zu streicheln, während die andere in wabbelnden Fettwülsten nach dem suchte, was irgendwann eine Taille gewesen war.

Dann verfiel er in jene automatisierte Abfolge pflichtgemäßer Berührungen, die ausgelaugte Ehemänner an das Bewältigen einer Strafarbeit erinnern. Doch hatte das durchaus Vorteile:
Herberts Gedanken konnten sich befreien, ihre eigenen lustvollen Vorstellungen bilden, übrigens immer dieselben: Herbert träumte davon, den unter ihm wabernden Fleischberg zu teilen, sowohl im Gewicht wie auch im Alter.

Die Sehnsucht nach zwei frischen jungen Körpern, die sich an seine sehnigen Flanken drückten, wuchs, wurde so groß, daß Herbert dem, was er eheliche Pflicht zu nennen pflegte, nichts mehr abgewinnen konnte. Eine Tortur, weiter nichts. -

Dieser Meinung war an diesem denkwürdigen Samstag auch sein Eheweib. Undefinierbares vor sich hinmurmelnd, wälzte sie sich unter ihm weg, um ihr eigenes, bequemes Zimmer mit ebensolchem Bett aufzusuchen. Sie überließ Herbert seiner scheinbaren Gedankenlosigkeit. Verließ ihn ohne klärende Worte.

Gefangen in der Eigenart seiner inneren Verarmung blieb Herbert zurück, wirr im Kopf von unerfüllbaren Sehnsüchten, kraftlos in den Lenden nach dem Anblick seiner reizlosen Frau.

Und dann kam sie, dieses überirdisch schöne Wesen. Einfach so. Sie spazierte zur Türe herein und erklärte ihm, daß sich soeben sein sehnlichster Wunsch erfüllt habe. Denn sie sei eine Fee. Intergalaktisch nannte sie sich. Die Fee. Seine Fee.

Sie konnte was. Zaubern. Ohja. Herbert fühlte sich wie ein Mann. Wie ein starker Mann, noch besser, er fühlte sich wie ein sprungbereiter Stier.

Und sie konnte auch das. Das, auf dem Wasserbett. Genauso gut wie ihre Zwillingsschwester. Zu zweit erfüllten sie Herbert all das, wovon er Zeit seines Ehelebens nur geträumt hatte.

In doppelter Umklammerung gefangen, schmolz Herbert dahin, bebte begehrlich den Küssen der beiden entgegen, umfing Wohlgeformtes, fühlte die Spitzen rosiger Brüste überall --an den Fußsohlen, am Rücken, am Bauch, zwischen seinen heißen Händen. Herbert ergoß sich hundertfach in diese Brunnen unendlicher Leidenschaft, vergab sich Nacht für Nacht aufs Neue, verausgabte sich so, daß er nach einer Weile zum Schatten seiner selbst wurde. Seine Angetraute, ein an sich friedvolles Wesen, war zufrieden, daß er kein Interesse mehr daran hatte, sie ins Wasserbett zu bitten. Es hatte ihr keine nennenswerten Gefühle mehr vermittelt, nur Kreuzschmerzen.

Sorgen machte ihr nur, daß Herbert aus diesem Bett, das üblicherweise einer einzigen Betätigung gewidmet war, so gut wie nicht herauszubringen war. Obwohl er offenbar schlecht darin schlief, denn Herbert stöhnte und keuchte den Großteil der Nächte, von schweren Alpträumen geplagt.

Oft genug stand sie auf, um ihn, der endlich aufgehört hatte, zu rumoren, mit einem Handtuch abzufrottieren. Geruch von Schweiß auf Kunststoff stieg ihr dabei in die Nase. Und noch etwas. Ein eigenartiger Duft. Sternspritzer riechen so ähnlich, wenn man sie anzündet. - Magnesium. Da war immer eine Spur Magnesium dabei, wenn sie an ihrem Mann schnüffelte.

Einmal fragte sie ihn, der noch halb im Schlaf war, danach.
"Intergalaktisch, antwortete er, "der Geruch ist intergalaktisch."
Das war der Tag, an dem seine Frau den Psychiater ins Spiel brachte.
Dem erzählte Herbert natürlich alles. Schließlich haben Psychoanalytiker Schweigepflicht. Freundlich hörte ihn der Gute an - und schrieb eine Einweisung in die Nervenheilanstalt.

Es machte Herbert nichts aus, denn seine Geliebten besuchten ihn auch dort. Nacht für Nacht. Auf dem hart gefederten Bett fühlte Herbert erst jetzt die Kraft seiner Besucherinnen, ihre unbändige Jugend und eine erschreckende Begehrlichkeit ihrer Körper - den Wahnsinn der Anstrengungen seines schwächer werdenden Körpers. Auch Herbert konnte den eigenartigen Geruch seiner Liebesdienerinnen wahrzunehmen. Es schien, als brächten sie die erhitzte Energie des Weltalls in sein Schlafzimmer mit, um sie mit dem Ejakulat seiner Mannbarkeit zu löschen. Herbert selbst schien allerdings auch zu verlöschen. Langsam, aber sicher.
Zur Katastrophe kam es an jenem Tag, an dem es dieses riesige Feuerwerk gab. Sylvester wahrscheinlich.

Herbert starrte aus seinem vergitterten Fenster. Er schnüffelte, schlug schließlich mit bloßen Fäusten die Fensterscheiben ein, dort, wo Gitterstäbe Raum dafür ließen.
"Hilfe", schrie er. "Hilfe! So helft mir doch. Sie kommen als Invasion. Eine intergalaktische Feenschar rast auf mich zu, Sternschnuppen unbändiger Gier. Seht nur, sie fallen in mein Zimmer, in mein Bett. Hilfe, sie wollen mich, mich, mich, immer nur mich..."
Verständnislos starrte er wenig später auf die Zwangsjacke, in der er steckte.
Jammernd hockte er in der Ecke seines Krankenzimmers, ein Häufchen elend, mehr nicht: "Ich hab' doch keine Kraft mehr. Nicht einmal für eine..."

Später, als er aus narkotischem Schlaf erwachte und seine Hände nicht mehr diesen intergalaktischen Geruch hatten, sondern einen, der angenehm nach Medizin roch, war er froh, in einem neuen Zuhause sein. Es war ein angenehmes Zuhause. Weich, weiß und anschmiegsam. Aus Gummi eben. Etwas klein vielleicht. Die Zelle eines Mönches? Na wenn schon. Herbert empfand das durchaus positiv. Er schlief lange, fest und gut. Traumlos diesmal. Als er an einem schönen Sommertag erstmals ins Freie geführt wurde, sah er sie.
Erst jetzt wurde Herbert bewußt, wie sehr er sich nach ihnen gesehnt hatte. Daß sie seinem neuen Alltag fehlten: Die behäbigen, geruhsamen Bewegungen der Frau, die er geheiratet hatte.

Wozu hatte sie eigentlich die intergalaktischen Zwillinge bei sich?

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