© der Geschichte: Frank Broszeit. Nicht unerlaubt
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Es hat keine Kanten

Es ist ein wunderschöner Frühlingsmorgen im Kubenland, feine Wölkchen durchzogen den purpurnen Himmel, während sich das Trapez der Sonne langsam entfaltete.

" Aufstehen!" , hallte es durch Ernies Zimmer, "du kommst noch zu spät zur Schule".
Nachdem er auch noch seiner Decke beraubt worden war, rappelte sich Ernie, wie an jedem Morgen mühselig auf, um sich fertig zu machen. "Das die Erwachsenen alles wissen, nur nicht, wie gemütlich es doch früh morgens in so einem Bett ist und wie langweilig dagegen doch die olle Burba in Mathe ist", dachte er sich mal wieder, doch alles grübeln half nichts, er kannte seine Mutter und wußte, dass er in dieser Hinsicht nichts erreichen konnte.

Also machte er sich mit seinem Haushasen auf zum Unterricht, aber ebenfalls wie an den meisten Tagen, nahm er den längeren Weg, hinter den Wohnkuben, über die Steinfelder, um den Sonnenaufgang über den Quadern zu beobachten.
Er liebte es, dieses helle Blau, das langsam den Himmel erst purpur und dann tief-violett färbte, doch etwas war anders an diesem Morgen, an diesem Morgen trafen die blauen Strahlen nicht auf Kanten oder Ecken, nein das Licht reflektierte von etwas das, hmm, irgendwie anders war.
Ernie hatte so etwas noch nie gesehen, selbst angestrengtes Nachdenken über den Unterricht, führte zu keinem Erfolg. Vorsichtig näherte er sich dem Objekt, bis er vor ihm stand.
Er hatte keine Angst, war viel zu neugierig, selbst sein sonst scheuer Hase Mogli lief aufgeregt um dieses Ding herum und schnüffelte, so oft er nur konnte, um auf seine Weise Nachzuforschen, was es wohl damit auf sich zu haben schien. "Hihihi, aufhören, dass kitzelt, huhuhu", kam es aus dem Gebilde hervor. Erstaunt trat Ernie einen Schritt zurück, "Wer spricht da?", brachte er nur leise hervor.
"Na ich", sagte der Körper, während von links und rechts zwei Augen auf die Fläche vor ihm huschten und von unten eine Art Mund in seine Richtung floss. "Das kleine etwas in der Mitte, dass wie das große Etwas aussah, muss dann wohl die Nase sein", dachte er sich.
"Wer bist du?", fragte Ernie, nun etwas aufgeregter.
"Mein Name ist Mond", entgegnete das Wesen, "freut mich dich kennen zu lernen... ?" , "Ernie" , "dich kennen zu lernen, Ernie", entgegnete der Mond.
"Ich mich auch lieber Mond und mein Mogli sicherlich auch."
Der Mond grinste, während er sich an Moglis kitzelnde Nase erinnerte. Ernie durchbrach seine Gedanken mit Fragen, was er wohl sei und wo er wohl her komme.
Da erzählte der Mond wie er seine Verwandten besuchte und nun hier Rast machte auf dem Weg nach Hause.
"Aber wie kommt es, dass du so nichtkubig bist", fragte Ernie neugierig.
"Nichtkubig?"
,das ließ den Mond abermals herzhaft lachen, "man hat mich schon für eine Scheibe gehalten, aber nichtkubig ist selbst für mich neu, hihihi".
"Entschuldige Mond, aber ich weiß nicht, wie ich dich sonst beschreiben soll, so eine Form wie deine habe ich noch nie gesehen".

Immer noch lächelnd entgegnete der Nichtkubus: "ich bin rund".
"Rund?", fragte Ernie verwundert, "aber wie wird man das?".
"Man kann nicht rund werden, man ist es oder ist es nicht, es liegt in meiner Natur rund zu sein, also bin ich es."
"Aha", entfuhr es Ernie, bevor er aber weitere Fragen stellen konnte, zwang ihn die Morgenmüdigkeit zum Gähnen, ordentlich wie es sich gehört, hielt er die Hand vor den Mund, streckte sie dann ruckartig von sich weg um halb gähnend festzustellen, dass er schon die erste Schulstunde versäumt hatte.

Schnell verabschiedete er sich vom Mond, der ebenfalls beteuerte sich auf ein Wiedersehen zu freuen.
In der Schule angekommen, gab es Motze von der Burba und als Ernie vom Mond erzählte, handelte er sich noch Nachsitzen ein. "Gemein", dachte Ernie, "ich hab doch nur erzählt wie es war, aber keiner glaubt mir und bestraft werde ich noch dazu".
Alles Jammern half nichts und so saß der Kleine Stunde um Stunde im Unterricht und hielt sich nur wach, indem er sich die Tollen Geschichten des Mondes vor seinen Augen ausmalte, bis eine plötzlich eine Durchsage des Rektors, ihn aus seinen Träumen riß.
Die Ansprache galt irgend einem Unfall, etwas Gefährlichem und man sollte die Steinfelder meiden sagte er. "Ob er wohl den Mond meint?" , fragte sich Ernie, "ne, das kann nicht sein, wie kann denn der Mond nur gefährlich sein?. Es muss etwas anderes passiert sein."
Und er begann sich Sorgen zu machen um seinen runden Freund.
Eilig lief er am späten Nachmittag in Richtung der Quader, Richtung der Stelle, an der er den freundlichen Besucher kennen gelernt hatte. Doch weit kam er nicht, er sah schon von weitem die Absperrung von der der Direktor erzählt hatte, viele Kubaner waren versammelt.
Politiker, die Presse und das Militär. Beim Lauschen hörte er die einen sagen, dass man es vernichten müsse, andere waren schockiert und erzählten, wie häßlich es sei und es Kubaner verschlingen würde, egal was sie auch sagten, sie alle fürchteten sich. Ernie glaubte, der Mond auch ein bisschen, denn er zeigte nicht sein Gesicht, nur seine runde Gestalt war zu erkennen.
Sorgen machte er sich, immer wieder versuchte er zu erklären, dass es doch nur der Mond sei, der sich von seiner langen Reise ausruhen will, doch alle sagten nur, er solle nach Hause gehen und nicht so wirres Zeug erzählen, es gehe schließlich um die kubanische Sicherheit.
Sehr betrübt ging Ernie nach Hause und beobachtete das Treiben von weitem durch sein Fernquader. Man versuchte den Mond zu bewegen, ihn zu vergraben, sie hämmerten und meißelten auf ihn ein, doch nichts geschah und allmählich wurden die Gesichter der Politiker und Soldaten immer länger und ratloser. Anscheinend wollten die vielen Kubaner den Mond weg haben, ihnen fiel aber nichts Besseres mehr ein, als ein riesiges Vieleck einzufliegen und über den Mond zu stülpen.

"Der liebe Mond, hoffentlich fürchtet er sich da drunter nicht, es ist bestimmt sehr dunkel da", ging es dem Kleinen durch den Kopf. Viel besser fühlte er sich auch beim Nachtessen nicht, als man einige Kubaner verkünden hörte: "Die nichtkubische Gefahr ist gebannt!" und man müsse sich keine Sorgen machen, seine Eltern schienen aufzuatmen, er versuchte nicht einmal von seinem Freund zu erzählen um sie zu beruhigen, es glaubte ihm ja doch keiner. Und noch dazu konnte er den Mond nicht mal besuchen, denn das riesige Vieleck trennte sie ja.

Immerzu dachte Ernie an den freundlichen Reisenden, als er in seinem Bett lag und die Quader zu zählen begann, die am Nachthimmel aufgingen. "Hoffentlich hat der Mond auch so einen schönen Ausblick und sitzt nicht ganz im Dunkeln, blöde Erwachsene, warum wollen sie aus dem Mond nur einen Kubus machen, wissen die nicht, dass er einer wäre, wenn es seiner Natur entspräche?", sagte er leise vor sich hin, auch Mogli, der sich an sein Herrschen gekuschelt hatte, schnaufte zustimmend. Plötzlich erschien ein neuer Quader am Himmel, nein, es war rund und kein Quader und es kam näher. Es war der Mond. Außer sich vor Freude sprang Ernie auf und wartete am Fenster auf den vorbeiziehenden Mond.

Froh dass seinem Freund nichts passiert war, entschuldigte sich der Kleine bei seinem Freund für das Verhalten der Kubaner und fragte ihn, wie er entkommen sei.
Da bedankte sich der Mond herzlich für die Sorge um ihn und beschwichtigte, dass er "nur mal wieder gekitzelt" worden sei.

Und bevor er sich mit einem Zwinkern als Gruß verabschiedete, sagte er zu Ernie: "Es liegt einfach nicht in meiner Natur etwas anderes als der Mond zu sein."

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