© der Geschichte: Frank Broszeit. Nicht unerlaubt
vervielfältigen oder anderswo veröffentlichen. Alle Rechte
dieses Werkes liegen bei dem Autor. Diesen Disclaimer bitte
nicht entfernen


Eis

"Ich bin müde", sagte er, wie er es so oft zu sich selbst gesagt hatte.
"Ich will nicht mehr", pressten seine bebenden Lippen hervor.
"Ich", und der Rest ein Wimmern und Schluchzen.
Es war ein schlimmer Tag, wie viele in seinem Leben und wieder war er allein, allein unter Menschen. Es ward Nacht.

Kraftlos lehnte er an dem alten, von Witterung gezeichneten Tisch, den der Sturm eher mit sich zu reißen, gewillt war, als ihn. Wie Pfeile schossen kleine Bäche, des sich schnell abkühlenden Getränks, aus der entglittenen Tasse, legten sich wie ein Spinnennetz um alles greifbare - wurden zu Eis.
Er begab sich in die Arme des Eises. Kälte umspielte ihn, sein Körper zitterte, seine Seele lächelte dankbar im Angesicht dieser Zärtlichkeit. Lächelte dankbar, dankbar nicht allein zu sein. Tränen rannen leise seine Wangen herab. Tränen, die man selbst in einer warmen Sommernacht nicht hört, wenn sie in den Zimmern der Menschen vergossen werden.
Sein Körper versankt im Eis, seine Seele ist es, die sich weigerte ihn zu wärmen, die keinen Grund hatte ihn zu wärmen, der die Liebe fehlte ihn zu wärmen.
Zeit.

Zeit.
- war bedeutungslos, existierte in einer anderen Welt - nicht hier, nicht hier im Eis.
War, ist, sein wird, alles gleich, alles ein, alles Eis.
"Wie schön sie nur sind", dachte er sich. "So schön, dass sie selbst durch Meter dicke Kälte funkeln", ihn fröstelte.
Sie, die die Nacht wärmen, ihr den Weg leuchten - nicht aber ihm.
Ein Stern geht auf, wenn ein Mensch geliebt wird - es gibt viele Menschen, mehr als Sterne, vielleicht sogar mehr als Eis. Nur wer denkt daran, wenn Kufen darüber gleiten - nicht darunter?

Einige knirschen, wieder andere schaben, die nächsten berühren es nur hauch zart. Es ist eine grausame, physikalische Eigenschaft der Kälte, die einem die eigenen Schreie klarer und lauter hören läßt, als es die Kufen je könnten, geschweige denn Menschen, Sterne oder Eis.

zurück