© der Geschichte: Elken Schlüfter. Nicht unerlaubt
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Für Meinen Sohn

Nach düsteren Prophezeiungen deiner Großmutter, die immer sagte, ich würde nie ein Kind bekommen, wenn doch, dann sei es nicht normal, wurde ich unerwartet schwanger.
Im Hinterkopf war die Vermutung auch ich könne dieses Virus, von dem damals immer so viel geschrieben wurde, haben.
So kam es, dass auch ich einen HIV-Test machen ließ.
Er fiel Virus-positiv aus.
Ich war wie betäubt.
Ich dachte nur: Nein, dass kann nicht sein!
Sterben? Jetzt? Wo es so aussieht als ob sich das Blatt noch wenden lässt?
Nein, ich werde jetzt nicht sterben und mein Kind wird nicht infiziert sein!!!
Du wurdest in einer Klinik mit einem Kaiserschnitt auf die Welt geholt.
Als ein schreiendes, kleines Bündel Leben, mit schwarzen Haaren wie ein Äffchen, sah ich Dich das erst mal, noch benebelt von der Narkose.
Bewusst sah ich Dich dann erst einen Tag später. Ich wagte nicht Dich anzufassen so winzig und zerbrechlich sah alles aus. Die kleinen Finger, der Mund.
Wahnsinn!!! Das soll mein Kind sein?
Ich konnte es gar nicht glauben. So ein wunderschönes Baby.
Lange habe Ich nach dem richtigen Namen für Dich gesucht.
David gegen Goliath - du sollst den Namen David tragen.
Und du hattest das Virus nicht, so wie ich es in meinem tiefsten Inneren immer wusste!
Ich nahm Dich aus dem Krankenhaus, brachte Dich in unsere Wohnung, die Dein zu Hause werden sollte. Ganz vorsichtig legte ich Dich aufs Bett, versprach dir dass du nie weinen sollst.
Es sollte so schön werden.
Wir zwei, Mutter und Kind. Ich wollte Dir die Welt erklären, Dich groß werden sehen. Du solltest eine sorgenfreie Kindheit haben.
Alles kam anders!
Dein Vater, wobei mir dass Wort "Vater" nur schwer über die Lippen geht, tobte sich aus. Er, der immer betonte er sei "Christ", verkaufte Dich und mich als aids-krank für ein "Aufenthaltsrecht" an die Presse. Er dachte nicht an Dich und die Konsequenzen seines Handelns. Er sah auch nicht, dass er auch nur missbraucht wurde, von Anwälten, die glaubten mit AIDS tue sich ein neuer Einkommenszweig auf.
Zu dieser Zeit, im Jahre 1987, kam dann für uns eine Hexenjagd in Gang.
Die Mieter in unserem Haus hatten auch diesen Zeitungsartikel gelesen.
Keiner wollte uns im Flur begegnen, die gleiche Luft im Raum atmen wie wir.
Mitleidig wurdest du angesehen. "Das arme Kind, - AIDS!". Die Wohnungstüren schlossen sich sobald wir den Hausflur betraten. Es hätte nicht lange gedauert bis diese Neuigkeit auch zu den Kinderspielplätzen im Park gelangt wäre.
"Dank" deinem Vater warst Du nun mit einem Kains Mal versehen. Du solltest nicht in einen Kindergarten kommen. Das wurde uns verweigert. Eine Tagespflegestelle für behinderte Kinder war vom Jugendamt geplant. Von anderen Kindern solltest Du isoliert werden.
Ein unbelastetes aufwachsen war so für Dich hier nicht mehr möglich.
Wenn du mich mit Deinen großen, dunklen Augen so vertauensvoll angesehen hast, hat es mir das Herz gebrochen.
Ich war in Zugzwang, musste schnell reagieren.
Ich suchte für Dich eine Pflegefamilie die Dir das geben konnte was hier nicht möglich war.
Die Familie, in der Du so aufwachsen solltest wie ich es für Dich wollte.

Der klare Verstand hat gehandelt - nicht mein Gefühl.
Ich musste Dich viel schneller loslassen als ich dachte.

Wenn ich Dich heute sehe, spreche ich von Glück.
Du bist fast erwachsen.
Alles hat sich doch noch so entwickelt wie ich es für Dich vorgesehen hatte.
Jetzt ist die Zeit für andere gekommen Dich loszulassen.

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