© der Geschichte: Ulrike Schilling. Nicht unerlaubt
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Cappuccino mit dem Maulwurf
Eine fantastische Reise nach Bari

Aus den Baumwipfeln eine Krone. Kaiserwetter. Die Früchte sprangen auf -auf Messersschneide- und zeigten ihren Saft. Hagebutten sprossen meterhoch wie Palmen. Da wo Licht hinfiel, war wärmendes Gold. Fußspuren, die sandig waren und den Weg auf Kieselerde freigaben. Wie aus Marmorstein die weißen Häuser. Im Kontrast dazu die abgeblätterten Fensterläden, die verrieten, dass hier Menschen lebten Sonnige schlurfende Hitze, die Glut schlich sanft um die Beine wie eine Katze. In der Ferne ein Segelboot. Weiße Segel wie auf einer naiven Malerei. Weit entrückte Zeit.
Wie lange hatte ich hier am Pier gestanden. Bis Vergangenheit und Gegenwart eins wurden. Wo Schatten sich liebten, sich wälzten im Sand.
Das Meer wirft seine Wellen mit aller Kraft. Wie gegen eine Wand.
Voller Natur gewalzt. Ausweglos. Hier kann keiner sich den Gesetzen der Natur unterziehen, sofern er ein Individuum ist.
Lieben, Leiden, Weiterentwickeln, Stehenbleiben, Laufen.
Menschen lassen die Augen rollen. Ziehen vorbei wie ein Scherenschnitt Sie berühren mich nicht. Der Mann hat ein feingeschnittenes Gesicht.
Sein glänzendes Haar umspielt sein Profil. Die Hände hat er lässig in Bundfaltenhosen gesteckt. Sein Blick gilt der Ferne. Er schaut wie einem entrückten Ziel entgegen, mit braunäugigem Tiefblick. Ihre Blicke waren in eine Richtung gerichtet. Parallele Lebenswege, die sich ein paar Minuten, wie fokussiert überlagerten und nach Begegnung riefen. Der Schrei nach Lebenshunger, Seelenfrieden, Befriedigung der Sinne. Das Meer waberte lasziv wie nachtblaue Seide, wenn man es lange genug betrachtete, bis es dunkel wurde.
Die Kommunikation könnte in der jetzigen Situation die Stimmung stören, die Schwingungen, die wie eine Trauer über ihnen lag.
So gingen sie umeinander tänzelnd ohne sich zu berühren. Nicht wie schnuppernde Hunde, aber mit lang ausholenden Bewegungen. Elfen waren in ihren Charakteren und Zauberer. Als sie sich so bewegten löste sich der Alltag aus ihren Kleidern und der Kloß aus ihrem Hals, der Stein von der Seele.
Noch losgelöster waren die Vögel, die über ihnen Kreise zogen, so übermütig war ihr Flügelschlag und es schien als würden sie schelmisch lächeln. Die Farben erstrahlten von innen her. Zeit war nicht wichtig, auch nicht Raum. Ein wunderbares Vakuum in dem sich diese Menschen begegneten. Fern jeder Zeitempfindung, aber nicht unwirklich genug, denn es konnten tiefe Gefühle empfunden werden.
Sanft legt er seine Hand um ihren Nacken, schaute ihr tief in die Augen, als das Buch zugeschlagen wurde.

Auf der anderen Seite des Kontinents bereitet sie sorgfältig die Speisen zu. Ihre feingliedrigen Hände halten goldgelbe Kartoffeln, die eine feste Einkerbung haben, so wie eine Gravierung. Kein Wunder, wurden sie doch von einem funkelnden silberglänzendem Edelstahlmesser schraffiert. Dieses saftigen Erdäpfel waren hart und doch wässrig. Sie schaut aus dem Holzfenster, da der Blick in den Hof führt.Das Meer quillt wie sprudelndes Gel in Zeitlupe verlangsamt Richtung Fenstersims. Von der Sonne war in diesen Tagen viel zu spüren, dennoch, man sah sie nicht. Es war, als ob die Welt von einer nicht zu ermessenden Größe überlagert wurde, einer Seifenblase in der sie ihr Leben führte.
Sex wurde als laszives Vegetieren empfunden. Man beschäftigte sich still, stillte das Bedürfnis ohne neue Energie zu schöpfen. So war es üblich, sich am Strand zu treffen und sich einander ein wenig Sinnenfreude zu schenken. Männer reckten ihre Kakaoblüten und Frauen mit ihren Grotten waren das zu erforschende Ziel. Als Zeichen der Dankbarkeit trank man nach dem Akt aus Holzschalen dampfendes Vanillewasser, das die Körper mit einem köstlichen Duft verwöhnte, den sie nach dem Genuß verströmten. So war es Brauch. Bis zu dem Tag, an dem ein Mann Mitte Dreißig als Besucher angekündigt wurde...

Der Airport. Ein Mann geht zum Flugschalter. Seine Augen sagen nicht viel über seinen Charakter aus, nur über seine momentane Verfassung. Sie sind nicht mehr sehr erdverhaftet und es ist ein kleines nervöses Aufflackern darin, wie von einer Arglist in die Konturen gezaubert. Der Mann spricht hinter vorgehaltener Hand mit der Schalterdame. Mehr als seinen Namen möchte er nicht preisgeben, er hat Angst, zu viel von sich herauszulassen. Da plötzlich erfährt er, daß sein Ticket schon eingelöst wurde, von jemandem, der seinen Namen trägt und der gerade keck seinen Weg kreuzt. Er lächelt sich selber zu. Sein Staubmantel weht in Windeseile.
"Kann ich Ihnen helfen, Sir?" Die eindringliche Stimme der Schalterdame zwingt ihn wieder in die Realität. Ihre Augen scheinen ihn zu durchbohren, eine Antwort zu fordern. Fragend ruhen sie auf seiner Verwunderung. "Nein, danke, ich muß das selber klären!" bringt er gerade noch heraus.
Die Zeit der Konfrontation ist überschritten, doch es passiert nichts. Er hat nicht das Bedürfnis, Fragen zu stellen oder sich eine neue Identität zu schaffen. Wo die Zeit verpafft, stinkig wie Zigarrenrauch, ist kein Platz zum Aufatmen der Seele und er fühlt sich seltsam beklommen. Er wird sich seiner Gleichgültigkeit und der Schwermut seiner Schritte nicht bewußt, als er sich setzt um auszuruhen von den Gedanken in seinem Kopf die darum kreisen, ob er ein Mineralwasser oder eine Limonade bestellen soll.
Sein Körper wird grundlos getragen. Keiner weiß, warum er darin steckt. Seine Aura ist nicht wichtig,. Er schaut in eine rote Papierserviette, die vor seinen grauen Augen zu einer Rose wird und ihn verschlingt. Er fliegt durch ihre enge Blutader wie durch einen Gummischlauch.
Alles wird erst Schwarz um ihn herum, dann Weiß.

Vor ihm steht ein Puderzuckerberg. Plötzlich wird er ausgespien und landet in der Hängematte. Es schwingt ihn gleichmäßig in einen Engelchenschlaf. Wohlbehütet von der Sonne döst er vor sich hin. Er hat noch keinen Dunst davon, wie sich sein Leben in ein paar Stunden verändern könnte. Noch etwas benommen krabbelt er ein paar Viertelstunden später zum Fernglas, das auf der Veranda steht, um sich die noch nicht erforschte Umgebung anzuschauen. Er ist in der Wärme des Südens angekommen, irgendwo in Italien. Und versucht nun, seinen Standort herauszufinden.

Im Innenraum des luxuriös eingerichteten Apartments findet er einen Atlas. Er schlägt ihn auf, behende. Bari. Der Weg ist ganz klar eingezeichnet von Frankfurt/Main aus. Wieso nur kann er sich nicht erinnern?
Auf dem ausziehbaren Glastisch liegt eine Agenda... für das erste Meeting zur Maulwurfforschung....
Der von einem Einheimischen gelenkte Jeep holt ihn pünktlich ab. Mystisch anheimelnde Trullidörfer fliegen an ihm vorbei..
Er ist etwas zu früh angekommen, hat noch etwas Zeit, sich umzuschauen. Die engen Gassen drängen ihn zur Brücke. Er schaut herab in das grüne Meer, fühlt sich magisch angezogen, so als würde es ihn hinfortreißen, frische Orkane in seinen Lungen und Wellenklänge in seinen Ohren. "Sie sind Alex Windegger", ertönt eine Stimme ganz nah an seinem Ohr. Wir haben sie schon erwartet!"
Ihre ihm vorausgehenden Hüften schaukeln, erinnern ihn an die Meereswogen. Er folgt ihren in den Sand gesetzten Fußspuren, die ihn zu einer alten, fast kargen Trattoria geleiten. Und doch ist es fast ein Schlößchen. Ungewöhnlicherweise wird die Tür mit einem filigranen goldenen Schlüssel aufgesperrt.
Die Tür knarrt. Die Innenverglasungen Kirchenfenstern gleich. Liebevolle Malereien an den Wänden. Ein Fenster ist offen. Es fällt grelles Licht herein und taucht das Haar der Seminarleiterin in saharablonde Farbe.
Die schwarzen Füllhalter wurden auf die Pulte gelegt. Ein Blumenverkäufer trat ein und versuchte sich für sich selbst entschuldigend, buckelnd und stotternd zur Seminarleiterin vorzudringen, die milde gestimmt war und jedem der Anwesenden- es waren alles Männer, die noch etwas zu lernen hatten, eine Rose als Augenweide vor ihr Angesicht platzierte. Die Demut der Blumen. Fleischig glänzend mit hellgrünen Stilen, an denen merkwürdigerweise keine Dornen waren. Die Köpfe schauten leicht zu Seite, sich in Gleichmut wiegend.
Sie waren sie glänzend vom Morgentau. Dann erfuhren sie von dem Stand der Dinge.
In den Trulli-Dörfern gab es einen Eindringling zu vermelden, einen Maulwurf.

"Das kann doch gar nicht sein!" brach einer das Schweigen. Er trug einen Smoking, der seinen leicht untersetzten Körper einschnürte wie eine Leberwurstpelle. Alsdann wurde er eines Besseren belehrt.

"Viele Dinge sind nicht so wie sie scheinen. Auch mit noch so viel Transparenz kann man keine Klarheit gewinnen. Wir müssen nach neuen Lösungsmöglichkeiten suchen. NLP ist nur der Anfang. Kinder spielen doch auch. Und deshalb, meine Herren, gebe ich Ihnen den Auftrag zu spielen. Die Sitzung ist beendet!"
Die Seminarleiterin eilte hinaus und lies zehn verdutzte Männer zurück.
Alex ging hinaus, um Luft zu schnappen. Die Tür fiel hinter ihm schwer ins Schloß. Seine Augen waren grau, nicht nur von der Müdigkeit des Alltags. Die anderen Neun bleiben andächtig sitzen, so als wären sie daran gewöhnt, zu all den Worten der Seminarleiterin Ja und Amen zu sagen. Auch der, der sich zunächst so forsch zu Wort meldete, gab keinen Laut von sich.
Draußen.
Ein Bettler in einem bunten verschlissenen Leinengewand flocht an eine Perlenkette. Die Farben waren pastellig und die Perlen fast so groß wie Tennisbälle, zumindest erschienen sie ihm so. Auffällig waren die wunderschönen Ornamente, mit denen der Alte die außergewöhnlichsten Kreationen schuf. Alex blieb und staunte. Es ging nicht um die präzise Anordnung der Kugeln, sondern seine Fingerfertigkeit gebar ständig neue Individuen. Er kauft eine Kette er wollte sie mit in sein Apartment nehmen um die Bestandteile näher zu untersuchen, eine bessere Einsicht zu gewinnen. Da sah er den Sonnenuntergang.
Und verschob sein Vorhaben auf später.
Die orangerote Glut begeistere ihn, er fühlte sich völlig aufgesogen von diesem beeindruckenden Moment. Er glaubte ein paar aneinandergereihte Buchstaben in diesem Naturschauspiel erkennen zu können ZENAU..Ein Unwort. Z wie Zehn, E wie einer..?? Er notierte die Buchstaben auf einem zerknitterten Zettel, den er in seine Hosentasche fand.
Er schlenderte weiter. Vorbei an Plakaten, die Unternehmungslust wachriefen. Ein grelles kündigte ein Feuerwerk an für den morgigen Samstag.
Solche Lichterschauen waren ihm bekannt. Viel Donner und Getöse, Auflösungen. Und er hatte Heimweh. Nach diesen Gefühlen, die er in der Kindheit empfand, diesem übersprudelnden Quell jäher Lebensbejahung, die einem just in einem Augenblick weggerissen oder zugeführt wurde. Je nach Gemütsverfassung und Lebensumständen- in jedem Fall ein beeindruckendes Spektakel. Der Bus brachte ihn zurück zum Appartement. Er war nicht hungrig oder durstig und nahm mit ein paar Früchten vorlieb. Er fand das Schlafzimmer wohltemperiert vor. Und schlief sogleich ein.

Aus einem traumlosen, aber wie er glaubt, erholsamen Schlaf erwachte er am nächsten Morgen.
Spürte er doch eine seltsame Sehnsucht in seiner Seele, der ein paar erquickliche Träum gut getan hätten. Das Badezimmer war mit hellem Licht durchflutet. Alles wirkte, als wäre es kurz vor der Reife, die Früchte, von denen er gestern gekostet hat, waren prall und vollmundig. Sein Frühstück fiel spartanisch aus. Zwei Scheiben Toast und eine Tasse schwarzer Kaffee mussten genügen. Er war neugierig geworden. Das Wasser aus der Dusche war geradezu silbrig, so wohltuend war es. Er lieh sich diesmal selbst einen Jeep und nahm sich vor, die Trullidörfer ein bisschen genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Fahrt zog sich. Die vorbeihuschenden Landschaften sahen alle ähnlich aus, nichts Auffälliges oder Bemerkenswerte geschah während der Anreise. Das Weiß der Trullis, erinnerte Alex an Iglus. Und hier sollte es Maulwürfe geben? Und dann die Botschaft die er am Zenit glaubte zu erkennen... was war das nur für eine wundersame Welt, in die er quasi geboren wurde, aus seiner alten Realität gerissen, die nicht sehr viel Wärme beinhaltete. Hier in Bari war es wunderschön kuschelig warm. Es war so, als ob seine vereisten Denkstrukturen aufbrächen, seine Seele taute. Nur leider konnte er nicht allzu viel an Gefühlen darin vorfinden. Eingraben würde er sich gerne. In ein behagliches Loch und ausruhen. Gar nicht denken. Aber er sollte das Verhalten der Maulwürfe verstehen. Nur-wo beginnen?
Vielleicht war dies die Gelegenheit für ihn, etwas Ungewöhnliches zu tun. Eine wichtige Erfahrung. Nun meldete sich sein Magen, besser gesagt er schlug Alarm. Er aß in der nahegelegenen Pizzeria. Wickelte gekonnte Spaghetti alla Matriciana um seine Gabel, trank von dem tiefroten Hauswein und der dicke Wirt trällerte fröhliche italienische Lieder, es war ein Azzuro zu vernehmen, das er aus vollem Hals den Gästen entgegenschmetterte. Endlich ein Mensch aus Fleisch und Blut, dachte sich Alex. Der Wirt gestikulierte wild mit dem Händen, und Alex glaubte alles zu verstehen., obwohl er der italienischen Sprache nur in Grundzügen mächtig war. Es amüsierte ihn zu interpretieren, ja,dieser Aufenthaltsort war sehr beschaulich. Eine Arena fürs Volk. Alles plauderte munter durcheinander, ein Lachen kullerte die Kehlen hinauf, kein Tuscheln. Er freute sich sehr auf das angekündigte Lebenszeichen am Abend. Das große Feuerwerk. Nach dem Essen unternahm er einen kleinen Spaziergang. Es war windstill, das Meer träge, als wälzte es sich im Mittagsschlaf, der italienischen Siesta. Er wunderte sich. Die Menschen schienen alle beschäftigt zu sein. Nur mit was? Mit Leben, Lieben und Lachen?
Sie hatten aufgeweckte Augen in diesem Viertel. Der kleine Sandstrand, zu dem es ihn immer wieder zog, war fein und er liebte das samtene Gefühl unter seinen Füßen.
Teilweise war der Sand zu Hügeln aufgetürmt. Der Bus bringt ihn in die Altstadt. Die Gemäuer riechen leicht vermodert, Tellerscheppern klingt aus Küchenfenstern. Die Menschen scheinen sich selbst Aufgaben zu stellen. Kein neugieriger Blick ruht auf dem Gegenüber, für Beobachtungen wird sich hier keine Zeit genommen, zu sehr pulsiert das Leben. In den Auslagen sieht er Fossilien, die ihn ansprechen. Relikte. Beweise, dass hier Empfindungen, Gesichtsausdrücke eingefangen werden. Aber keine Maulwürfe.
Die Fossilien sind blau, teilweise auch etwas schilfgrün. Die braunen Glasaugen schauen ihn warm und gleichzeitig fragend an. Da ist nichts von der Kälte der Masse, aus denen die Imitationen gegossen wurden. Beim Betreten des Ladens durch die Perlenkette hindurch taucht er in diese Sphäre ein. Der alte Mann hat ein rosiges Gesicht, seine Falten glänzen nicht speckig wie er das bei seien alten Stammtischbrüdern gewohnt war, sondern es waren Kerben in seinem Antlitz, eingegerbt wie Lebenspfade mit Fähnchen.. Der Mann lies ihm Zeit sich in seinem Trödelladen umzuschauen. Es war so, als hätte hier alles seine Zeit. Die Kinder, die in schmuddeligen Gassen Fußball spielten und um die Wette spuckten, die Alten, die auf abgeblätterten Stühlen draußen saßen und der Jugend hinterher schauten. Auch die Uhren fielen Alex auf. Die Zeiger waren zu Faschingströten geformt, wenn eine Minute herum war rollten sie sich wie auf Kommando aus, um sich dann wieder träge in ihre gewohnte Position zu begeben und darin zu verweilen. Ein Gong ertönte nicht. Die Wände kamen ihm bekannt vor.
Raufasertapeten. Er fuhr mit feingliedrigen Fingern über die Struktur, die sich wie Warzen anfühlten. Er fühlte auf einmal Schmutz und musste gehen. Wind war aufgekommen. Und dann sah er sie. Sie stand auf der Brücke und lächelte geheimnisvoll wissend, als hätte sie eine Botschaft für ihn. Sie trug trotz des Sommers einen dicken Rollkragenpullover mit bunten Blockstreifen. Ihre langen Beine steckten in Röhrensatinhosen. Wellen klatschten ans Ufer. Die Frau hatte etwas vom Pippi Langstrumpf-Charme, obwohl sie bestimmt schon Anfang 30 war Der glutrote Ball am Horizont senkte sich etwas tiefer und bildete einen orangeroten Kontrast zu der femininen Erscheinung am Pier. Wie ein Zahnrad, das rotierend und mitreißend Gefühle und Eindrücke vermischt, in seinem Bann gefangen hält und staunen macht. Mit Leichtigkeit ging er sorgenlos und unvoreingenommen auf sie zu. An einem ihrer Schneidezähne sah er einen Diamant leuchten. Außen herum begannen sich Menschen zu versammeln, sich zusammenzurotten, um ihren Erlebnishunger zu teilen. Bald sollte das Feuerwerk stattfinden. Die Frau sendete ihm einen Satz mit abgehackten Wörtern, was nicht zu ihrer Gestik passte. Ihre Armbewegungen verwandelten sich nicht in Fingerzeige, sie waren ausholend, fast schon rudernd, und es hätte nicht viel gefehlt, und sie wäre auf den Schwingen der Vögel, die am sommerlichen Horizont kreisten und sich ein Stelldichein gaben, abgehoben. Es hätte ihn kaum verwundert danach einen Regenbogen zu sehen. Die Blicke der Alltagsleute die über die Mauer stachen, waren gleichgültig, aber verhaftet am Geschehen. Alte Frauen waren in Kittelschürzen gekommen und kauten auf Fingernägeln, die dem Verfall durch jahrelange Küchenarbeit und Auszehrung preisgegeben und einem hoffentlich besseren Ende geweiht waren. Nun eilten Seemänner herbei, die um einiges kleiner waren als er sonst die Europäer kannte herbei um Bänke aufzustellen. Die allgemeine Geschäftigkeit ließ Hühner braten. Der Geruch nach frischem gerösteten Knoblauch verband sich idyllisch mit der Meeresbrise. Ohne Ankündigung erhoben sie sich dann...knallbunte Luftballons. Ohne Laut. Es waren keine Raketen, die in den Himmel geschossen werden mussten, sobald man sie in Händen hält. Es war mehr ein langsames Loslassen, Eintreten in eine andere Sphäre, ein Hinübergleiten in Schwerelosigkeit. Alex hingegen wären gerne mitgerissen worden von der Begeisterungsfähigkeit der anderen. Er wollte sie beobachten beim Explodieren ihrer aufgestauten Gefühle, wollte Leben und den Augenblick in ihren Augen sehen. Das Mädchen lachte nur. Schallend. Und lud ihn auf ein Rotwein ein. Der Wegweiser waren die ausgetretenen Pfade der Vorgänger, die ihre Spuren durch den Sand der Ewigkeit gezogen hatten. Die Bar erwartete die beiden. Laternenlicht wie Fackeln tauchte die Atmosphäre in magischen Glamour.

Das Mädchen -Elvira-sie betonte das R fast schon gewöhnlich, so sehr drängte es sich ihm auf. Sie schlug lässig ihre Beinen übereinander und lächelte ihm aus ihrem Korbsessel heraus zu schwenkte ihr Weinglas, als wäre es ihre Berufung, hier Wein zu trinken. Das bauchige Glas lag sanft gerundet in ihrer Hand. Sie trank und nippte nicht. "Wein ist wie Blut. Jeder Tropfen ein Schluck Leben." sagte sie. Sie orderte etwas Baguette und schwarze Oliven. Das Brot war trotz der nächtlichen Uhrzeit knusprig frisch und das Mehl zeichnete sich wie sanfter Puder auf ihrer grosszügig geschwungenen Oberlippe ab. Sie hatte keinen Lippenstift aufgetragen. Dennoch erinnerten ihn ihre Lippen an Rosenholz. Elvira hatte eine außergewöhnliche Art, die Oliven von den Kernen zu befreien. Ihr Zunge glitt um die glänzende Frucht, saugte daran bevor sie den Kern blank geleckt, fast vor seine Füße in den schon kühlen Sand spuckte. Erst jetzt stellte er fest, daß er keine Schuhe trug. Seine Füße fühlten den Sand in allen Ebenen und Hügeln, so real war er. Er verankerte sie noch tiefer darin. Als wollte er sich mehr Wirklichkeit geben.. Er wunderte sich wie es sein konnte, dass ausgerechnet er diese Frau geschickt bekam, denn davon ging er aus, es passte, da er sich einsam fühlte. Er konnte nicht ahnen, daß die Menschen in Bari ihn zu sich geschickt hatten. Sie waren in seinen Gedanken. Konnten sie lesen, interpretieren, ändern und machten ihre Aufzeichnungen davon. Den neuesten Stand der Dinge bekam jedoch nur die Seminarleiterin protokolliert. Sie saß jeden Morgen beim Frühstück hinter ihrer dicken Hornbrille, die in Deutschland einmal in den 50- er Jahren der Mode wegen getragen wurde. Sie bestäubte ihre Rosen regelmäßig mit Rosenduft bevor sie ihre Schokoladenzigarette aß und das Toastbrot aus dem amerikanischen Toaster sprang, das dürr und trocken und langweilig schmeckte, weshalb es mit einem kräftigen Espresso hurtig hinuntergespült wurde.
Morgen war die zweite Sitzung . Und er mußte seine erste Lektion lernen.
Den Dingen auf den Grund zu gehen, bedeutet sie zu erforschen, anzuschauen, sie so zu belassen, wie sie sind. Man sieht nur durch Glas eine Illusion, einen Filmtrick. Durch längeres Hinsehen öffnen sich weiter Seiten wie entblätterte Nelkenblüten, die ihre gefallenen Blütenblätter in den Weg streuen und den Weg zu deinem Herzen legen..
Sie machte ihren alltäglichen Morgenspaziergang, schon lange nahm sie den Smog wahr, der über der Stadt lag. Manchmal konnte sie die Menschen nur wie durch einen Nebel wahrnehmen. Da half ihr auch ihre Hornbrille nicht. In den Liegestühlen hatte der noch kühle Morgen bereits zwei etwa 50jährige Frauen Platz nehmen lassen, die sich aus Reclamheften Platitüden vorlasen.
Sie konnte jedes Wort der Sprachmelodie hören, ihren buchstäblichen Sinn jedoch nicht verstehen. Es war geflissentlich so üblich, sich an sprachlichen Tiraden zu erfreuen. Wie man es schon von jeher kannte, ist ja Italien als Land der Schönrederei, Rhetorik und Redekunst bekannt. Mit dem Mikrophon machte sie paar Aufzeichnungen der Wellenklänge und der Töne, die die Frauen geradezu verzückt von sich gaben. Heute konnte man sehr tief in den Sand herabschauen. Er war teilweise weggespült worden, der zum Vorschein kommende lehmige Boden frohlockte und ermutigte zu Ausgrabungen.
Da kam wie ein tosender Sturm der Bayer aus der Seminargruppe herbeigeeilt. "Hallo, Frau Professor" knallte es ihr deftig entgegen. Schmerzempfindlich verzog sie ihr Gesicht. Der Mann schaute an den Fenstern der Hotels entlang. Er war dabei, das Mythos des Fensterlns aufzudecken.

Alex hatte am Strand geschlafen. Zumindest fand er sich dort äußerst zerknittert vor. Er wusste nun, dass hier wundersame Dinge geschahen. Aber egal, in welche Richtung er auch lief.
Immer war es ein stickiges Labyrinth.
Augen schauten ihn an. Glitschig wie Quallen waren die Blicke der Wabbelmasse auf ihn geheftet und ihre Münder flüsterten sich sonderbare Wortaneinanderreihungen zu. Wurde er beobachtet?
Er hatte so etwas noch nie geträumt. Er hatte wohl etwas zu viel Rotwein gestern Abend getrunken und statt dass ihn das himmlische Getränk belebte, hatte es ihn wohl müde gemacht und im wahrsten Sinne des Wortes in den Schlaf gerissen. Alex war es nicht gewohnt, auf dem Boden zu schlafen. Camping konnte er noch nie etwas abgewinnen. War auch der Natur nicht gewachsen und fand sich in ihr nicht zurecht. So war e mit der Härte der Natur nicht vertraut.. Ohne Notizblock und Kugelschreiber machte er sich auf den Weg zum Seminar. Vorbei an Straßenbistros, aus dessen Türen Putzwasser strömte, als gäbe es nicht Wichtigeres, als den Morgen mit Hygiene zu eröffnen. Kurz vor der Begegnungstätte indem das Seminar stattfand, fand er dann doch noch ein Cafe, das nach Leben roch und wo frisch gerösteter Kaffee pure Lust verströmte. Er bestellte sich einen extra starken Espresso in dem er so lange rührte bis er das Gefühl hatte im Boden eine Fratze zu sehen, animalisch und schnell verschwunden.
Er erhob sich. Die anderen erwarteten ihn bereits. Erst jetzt fiel ihm auf, wie gleich alle aussahen. Die Männer haben eine licht gebückte Haltung und ihre untrainierten Körper sind in silbergraue Anzüge gehüllt. Er geht zur Toilette. Aus dem Waschbecken lugt ihm ein Silberfisch entgegen. Angewidert geht Alex zurück zu seinem Platz.. Die Seminarleiterin hat noch nichts von ihrer Strenge eingebüßt.. Sie spielt den Herren die neuesten Aufzeichnungen vor. Wassertöne. Wellenklänge. Als Echo die Stimmen der italienischen Frauen. Alex hatte ja schon Vogelstimmen auf Cassette gehört und das Zwitschern der Vögel zu Frühlingsbeginn genossen, aber diese Darbietung fand er sehr stereotyp. Alex nahm den Schwanenhals der Seminarleitern wahr.
Wenn er um sich blickte, sah er grunzende Eber und eine Schwänin. Was ihn veranlasste, beschämt zu Boden zu schauen. Wenn das Menschsein bedeutete..
Kein Wunder, dass sich die Maulwürfe verkrochen hatten. Ja, vielleicht waren die Maulwürfe sogar die eigentlichen Menschen, sie wurden vielleicht nur unterdrückt und hatten sich daraufhin zurückgezogen. Nun war er an der Reihe. Er beschrieb als Vortragender sein Erlebnis am Strand, das Zusammentreffen mit Elvira. Bildete er es sich ein, oder war der Blick der Seminarleiterin tatsächlich schärfer geworden? Geradezu schwammig fransten ihre Konturen aus und er glaubte die glitschigen, qualligen Augen aus seinem Traum zu erkennen. Er fragte mittlerweile nicht mehr und war nicht mehr verwundert darüber, Solist zu sein ,Einzelgänger. Gefangen in einem Käfig mit den anderen. Er schwebte aus der Tür, deren Türknauf ihm schwer in der Hand lag und ging fröhlich erleichtert draußen. Da wurde er angerempelt. Ein in edles Tuch gehüllter Mann mit einem Cashmere-Anzug wandte schnell den Blick von ihm ab. Für einen Augenblick hatte er den Eindruck, Dollarzeichen in seinen Pupillen zu erkennen. Der Mann mußte zweifellos reich sein. Das böse Erwachen kam für Alex beim Mittagessen. Seine Geldbörse war weg...entwendet von dem reichen Mann. Dachte er sich zumindest. Die Unheimlichkeit, die ihn beschlich, als wären seine Energien angezapft. Nur-warum sollte ihn ein reicher Mann bestehlen? In seinem Antlitz hatte er für einen Bruchteil der Sekunden ein böse Absicht erkennen können. Etwas, das er nicht kannte, wenngleich ihm sein Innerstes auch nicht wohlvertraut war. Waren diese sonderbaren Menschen eingescannte Wesen, die marionettenartig ihre Rolle dem Betrachter vorgaukelten?. Er wurde neugierig. In der Altstadt fand er einen Schreiner, der geflissentlich und fleißig Holz sägte, als hielte er es für seine Pflicht, den Kontakt zum Bodenständigen nicht zu verlieren. Einem Produkt, das nahe an der Natur war. Eine schweißtreibende Händearbeit, mit der er sich seine Panini verdiente. Bei genauerem Hinsehen erkannte Alex, dass der Mann ein goldenes Kreuz um den Hals trug, dafür keinen Ehering.. Er fand es seltsam, einen Mann über Vierzig vorzufinden, der nicht verheiratet war, und davon ging Alex aus, da er viel für Symbolik und Status übrig hatte. In der nähe der kleinen alten Schreinerei stand ein Kartoffelsack, auf dem seltsamerweise Dollarzeichen zu finden waren. Er schaute in einem unbeobachtete Moment hinein und fand wunderbar und stolz geformte Kartoffeln, an denen noch ein wenig Erde klebte. Kartoffeln enthielten Stärke.Wurde diese Stärke hier in Bari in Geld aufgewogen? War er direkt auf einer Schatzsuche? Er sah Kutschen über den holprigen Gehsteig rattern, Schwarze Kutschen aus einer weniger geschmückten Zeit. Die Bilder sind ausgefranst und schwarzweiß, alles läuft in Zeitlupe vor ihm ab. Er sieht einen Mann in einem schwarzen Cape vor sich niederknien und um Vergebung bitten. Das Meer ist die Kulisse. Es ist Hook. Plötzlich, im gleißenden Morgenlicht, wendet er sich Alex zu. "Hättest Du doch nur an deine Jugend geglaubt, Alex" sprach er. Dann flatterte zuerst sein langer Mantel in die Höhe, bevor er ihn mitriß und am Himmel nur noch eine Feuerkugel zu sehen war.

Ja, Alex erinnerte sich. Da waren die Klippen. Die Brandung, das Meer rauschte, genauso wie das Blut in seinen Ohren. Und er war besinnunglos vor lauter Lieben. Er dachte, es sei für immer . Die Gefühle, die ihn derart ungestüm mitrissen, jeder Augenblick neu und von unantastbarem Zauber. Dir trägen Schritte, die verlorenen Umarmungen, die Parisreise, die in einmaliges Erlebnis werden sollte. Er erinnerte sich noch an den Geruch der frischen Würste, die bei der Charcuterie auslagen. Kleine, alte vorbeihuschende Menschen, die Baguettestangen, ihr Brot des Tages transportierten. Es war etwas grau und schmutzig in der Stadt. Es war nicht der Strahlehimmel, was ihn fasziniert hatte. Es war Nadine. Im Licht der Straßenlaterne hatte er sie geliebt.
Er liebte auch , wie sie morgens ihr Croissant aß und auf ihre eigene Weise schmunzelte. Für sie war er ein nonchalanter Typ. Hand in Hand zog es sie über weite Plätze und in die verwinkelten Gassen der Stadt der Liebe.
Schnell verschwanden die Erinnerungen, die oberflächlichen Berührungen, der flüchtige Hautkontakt, sein Blick rennt die Straßen entlang, hastet um Ecken, um Wurzeln zu suchen. In seiner Jugend war er ansonsten sehr fleißig gewesen. Er tat mehr als. Er musste. Lernte von Büchern in den Zeiten, wo die Blumen wuchsen und ihm zu Schlingpflanzen wurden. Ihre Grazilität. Die Zeit einer Eieruhr, ihr Taille, Minuten die wie im Sand verlaufen erschienen. Er sah sich aus dem Fenster seines Studierzimmers schauen. Wie Rapunzel wartend auf die Errettung aber nicht darum wissend. Er versuchte den Dingen auf den Grund zu gehen, sie in Büchern zu finden, und wenn es vom Fenster her zog, dann schloss er es. Kein Frühlingswind konnte ihn erreichen. Die anderen spielten mit Drachen draußen, erprobten die Freiheit. Sie konnten ihr Sein loslassen. Nadine hatte diese gewisse Spontaneität. Trug Satinkleider mit Spaghettiträgern und rauchte Cigarillos, wenn ihr danach war. Sie hatte einen Papagei, den sie Pepe nannte. An seine Worte erinnerte er sich noch genau. Ihre Zärtlichkeit war eher wie ein Hauch gewesen Ihr Füße steckten meist in Ballerinas oder schlüpfrigen Sandalen. Ein langer Chiffonschal umwehte stets ihren schlanken Hals und das Flaschengrün ihrer Augen hatte ihn bestochen. Einmal aus seinem Gedankengefängnis auszubrechen und einen Schritt auf das Leben zuzumachen. Die Spaziergänge an der Seine. Der Blick auf das trübe Wasser, das etwas nach Fisch stank . So empfand er es zumindest . An seine Gefühle konnte er sich wenig erinnern, jedoch an die Orte, an denen sie gewesen waren. Im Centre Pompidou wurden sie von einem raupenähnlichen Gefährt aufgesogen und fast gezwungen, der Kunst ins Auge zu schauen. Wieder ausgespien trafen sie Araber in Glasscherben gekleidet, die gegen Umweltverschmutzung demonstrierten. Er wusste noch, dass Nadine es liebte, in Second Hand Läden zu stöbern. Er verachtete den Geruch von getragener Kleidung , während Nadine Kleider, die gelebt hatten, liebte. Immerzu fasste sie die Stoffe an und drehte und wendete sich vor dem Spiegel, um zu sehen , ob sie zu ihr passten. Es war wie ein Spiel, dessen Regeln er nicht verstand. Und wenn er sich nicht an Regeln halten konnte, fühlte er sich unruhig und unzufrieden. Der Eiffelturm bedrohte ihn , so als schwanke er auf ihn zu . Aber es brach auch so alles über ihn herein. Die Erinnerungen... Jetzt war er 35 und schleppte sich durch sein Alltagsleben, das ihm in Bari genommen wurde. Ständig fühlte er sich vor neue Aufgaben gestellt, ohne daran zu reifen. Wäre Nadine damals nicht ohne ein Wort verschwunden, dann hätte er vielleicht heute eine Erklärung. In solchen Momenten konnte er nicht gut allein sein. Er beschloss nach ein paar gedrehten Runden um das Straßencafe, zu einer Selbsthilfegruppe zu gehen. Zu einer Selbsthilfegruppe für Clanning. Er wußte selbst nicht so genau, was ihn so sicher machte, eine Clanning-Gruppe ausgerechnet in Bari zu finden. Aber da er sich mit Suchsystemen gut auskannte, war es für ein Leichtes, die gewünschte Adresse ausfindig zu machen. Schon bald hatte er in den Printmedien eine Adresse entdeckt. Er fühlte den Herdentrieb in sich, sich zusammenzurotten , und erst da wo die Individualität aufhört anzufangen. Ein Clanning, das keine neue Seifenoper schrieb. Er beschloss schon Morgen zu einer ersten Sitzung zu fliegen mit einem Jet, um wie Ikarus der Sonne näher zu sein.
Alex genoss den Ausblick auf den azurblauen Himmel. Die dunklen Abende waren ihm fremder. Da war so viel geheimnisvolles, Mystisches, mit dem er nichts anfangen konnte. Umherstreunende Paare wie Katzen überall. Er konnte mit dem Austausch von wie er es nannte- albernen Zärtlichkeiten nicht viel anfangen. Wenn er um etwas warb, dann um einen guten Job. Außerdem fühlte er sich zuweilen in quallenartige Depressionen hineingezogen, so als würde eine unbekannte Macht sein Herz verschlingen und nur die tiefe Sehnsucht nach irgendeiner Zeile, nicht nach einem Ziel könnte seine Persönlichkeit wieder zutage befördern. Er fühlte dann Schmerzen, es war ein Brennen in der Nähe des Sonnengeflechtes. Was er jedoch nicht einzuordnen vermochte.
Er liebte es allein spazieren zu gehen. Durch die klare Luft mit vernebelten Gedanken, die Schwermut war dabei immer öfter sein Begleiter. Auf einer seiner Streckenausflüge fand er einen zu Hügeln aufgetürmten Minigolfplatz. Der Platz wirkte wie eine Oase und machte ihn seine seiner Einsamkeit bewusst. Maulwürfe lugten aus der Erde um dann wieder nach Heimeligkeit zu forschen sich in der Erde zu versenken.. Sie wühlten sich durch Staub und Dreck, um Kallewirsch zu treffen. Ihm zu erzählen, dass es die Märchen noch gab. Entdeckte er auch nichts Zauberhaftes, alles sah ganz normal aus, nicht von Zauber berührt, es wirkte nach Essen und Trinken und Schlafen..

Die Frau auf der anderen Seite der Welt hatte die Kartoffeln al dente zubereitet. Sie glänzten jetzt, denn sie waren mit Trüffelöl bezogen und sie kostet davon mit eine silbernen Gabel. Die schweren Brokatteppiche verschluckten jeden Laut, den ihre Schuhe hätten hervorrufen können. Etwas gelangweilt war sie schon.
Mit ihrem Fernglas konnte sie alles gut beobachtet. Das Treiben der Seifenblasen in allen irisierenden Farben, wie Inseln auf einer Landkarte schwebten sie durch die smogdurchzogene Luft.
Die Clanning-Selbsthilfegruppe erreichte Alex vorbei an blauen Zauberbergen, Wolken, die sich vor seinem Auge verfremdeten. Das Auf und Ab der Maschine bereitet ihm Unbehagen.. Er war an nicht zu kontrollierende Bewegungen nicht gewöhnt. Immer hatte er das Gefühl im luftleeren Raum abzusacken. Da endlich legt sich eine Hand auf seinen wunden Solarplexus und er fühlt sich versinken in einen Traum von einer Frau.
Der Atem des Windes zaubert sie vor sein Antlitz. Kandierte Rosenblätter mit weißer Nusscreme. Stimmt sie auf die Liebe ein. Er ist auf der Suche nach den beruhigenden Schatten und dem lodernden Feuer, das seinen Hunger nach Leidenschaft stillt. Sie spürt seine wohlgeformte auf ihrem feuchten Moos. Das Tau glänzt auf ihren Brustspitzen. Der Kuss brennt in ihrer Mitte, als sich seine ebenmäßigen Hände auf ihren Bauch legen. Am nächsten Morgen steckt eine Gänseblume in ihrem Bauchnabel. Das Fenster nach Süden ist offen. Leicht und behutsam wie eine Feder kann die Liebe sein, wenn sie spielerisch ist. Liebesspiele. Wie Scherenschnitte. Tänze hinter venezianischen Masken. Narren, Interpretationen und Rondos. Die Farben brechen sich vor seine Augen.
Alles dreht sich, wird schneller und leichter. Lieben fliegen vorbei. Sphärenkänge. Das Tambourin einer anderen Welt. Dumpf klingende lange Hölzer Einsamkeit. Die Klangkörper durchdringen ihn. Sie betritt das Cafehaus. Ohne Schmäh. Kein Gigolo in Sicht. Nur Schokotrösterchen. Inspirierend süß und träge. Sie verzehrt Marzipansahne. Glück Gäbelchen für Gäbelchen. Da sieht sie ihn. Vital und mit einem atemberaubenden Lächeln. Ihr Blick fällt auf seine verwaschenen Jeans, die seine Oberschenkel stramm umschließen. Ihre Lippen sind süß wie Schokolade. Warm und weich. Er streicht sich das Haar aus der Stirn mit einer Lässigkeit, die sie vermisst. Ein Schokotiger. Elegant und hungrig. Nach ihrer Weiblichkeit. Er sieht ein verlorengegangenes Profil im Cafehausspiegel, der sein Silber über ihm bricht. Facetten eines venezianischen Fächers hinter der Maske. Sie ist echt. Verführerisch wie eine knackige Praline. Eine schwimmende Nixe am Rande der Verzweiflung. "Auf zu neuen Ufern!" ruft eine innere Stimme, die pure Sinnlichkeit. Draußen ruhen die Bäume vom Sommer aus. Die Ähren, die Mitternachtsbowle, das tiefsandige schon orangegefärbte Landschaftsbild einer Liebe, die einsam macht. Sie denkt nicht darüber nach, was er tut. Er ist "on drugs", die Liebe verändert sein Bewusstsein. So sehr, dass sie sich hier mitten in diesem Cafe küssen, wo die Natur doch eine erotische Arena ist. Und er einfach seiner Natur nachgibt und ihren Kuss hingebungsvoll erwidert.. Sie nehmen einander mit nach Hause. Die Arme der Nacht halten sie gefangen wie Seide. Stadtlichter machen sie ausfindig. Menschen huschen vorbei. Sie gehen einen Umweg. Landen in einem kleinen Bistro aus Holz mit Kerze und Schlichtheit. Seine Augen ruhen auf ihr. Tauch en tiefer nicht in ihren Ausschnitt. Der glutrote Wein schaukelt in bauchigen Glasern. Er fühlt die Anziehungskraft zwischen ihnen. Zärtliche Gefühle umschleichen sie wie ein Kätzchen. Es ist so, als ob sich ihre Seelen berühren. Und gleichzeitig möchte sie ihn spüren. So tief wie ihre Sehnsucht. Sie entfliehen.
Draußen klatscht ihnen die Realität entgegen. Sie ist wundervoll. Hält ihrer Phantasie stand. Es ist alles noch genauso aufregend. Der Duft der Erde, wenn sie vom Regen reingewaschen wird. Wie Ton. Der Wind berührt ihn. Er fächert ihm Liebe zu. Wie lange ist es her, das er Gesichter in den Bäumen sah. schützenden Schwingen der Natur über sich spürte. Purzelbäume ihrer Phantasie. Feuerball der Empfindungen. Wie leicht kann man sich daran verbrennen Auf ihren Lippen ein zartbitterer Geschmack von Sehnsucht nach Gefühlen. Er hat eine seidige Mähne wie ein Wildpferd. Ungebändigt. Stark, kraftvoll und geschmeidig zugleich sind seine Bewegungen Sie sitzen Rücken an Rücken. Atmen die Natur. Die Lust dämmert. Sie schauen auf den noch immer blauen See. In seinem Innern prickelt es wie Champagner. Die Sonnenblumen neigen sich im Winter.. Neige. Daher die Wortbedeutung. Weißer Schnee und bunte Natur. Grüne Seide. Saxophonspiele im Park. Üppig Desserts recken sich in die Höhe. Sahnetupfen in Erregung versetzt. Tacos knacken und knistern wie Kastagnetten. Die Stille wartet. Auf den Gesang. Rascheln der Seerosenblätter. Der Boden ist warm. Feuchtes Gras riecht grün.. Huschende Schatten wie Liebe machen lautlos. Die Schwüle des Tropenhauses verschmelzt die Körper. Klebende Hitze wie Honig. Flatternde Paradiesvögel und Schlingpflanzen wie Fesseln aus Plüsch. Ineinander verschlungene Körper. Versunkene Seelen Wie ungeborgene Paläste. Eintauchende Kakaoblüten. Liebesreigen. Der Mund ist eine Erdbeere. Der eine andere Frucht isst. Planetenstaub. Wie Puderzucker. Flaum wie Pulverschnee. Sonnenuntergang wie schwerer Samt. Er fliegt zum blauen Planeten. Taucht in eine sinnliche wasserfarbene Welt ein. Blue Curacao, Blues, blaue Augen. Er raucht mit sich selbst die Friedenspfeife und fällt in sein Himmelbett ohne blaue Flecken. Da sind ihre sanften Hände unter dem Satinlaken Bunte Seidenbänder folgen tänzerisch ihren Körperlinien. Er wird vielmals berührt. Nicht nur durch ihre Hände, ihren Körper. Es ist multivisuell. Hochsensitiviert. Und unbeschreiblich unwirklich. Allgegenwärtig. Vom rostigen Dach tropft Wasser wie Tränen. Ölig verschmierte Augenlider. Der Blickwinkel ist verloren. An eine Kaleidoskop, das nach Indien reist. Organzablätter statt Herbstlaub. Der Liebesbiss geht ihm tiefer als unter die Haut. Gibt seine Lust frei. Zungen, die sich umkreisen. Vibrierende Gefühle. Unbändige Leidenschaft. Voller Durchdringung. Echo in seinem Innern. Flirrendes Licht. Schleiereulen tanzen ihren trägen Tanz. Orientalische Augen. Es ist wie eine Zeitreise durch die Farbsequenzen, Feuerwerk des animalischen Atems, das brennen der Sehnsucht, im Schoße der ureigensten Natur. Geschöpfe aller Zeitalter berühren ihn, pochen in seinem Innern. Er befindet sich im Moment in der Zeit der Mohnblüten. Der Hitze des Sommers und der Kühle des Winters. Es ist jedoch nur eine Reflexion ihrer roten Lackschuhe. Er liegt in diesem Bett und spielt mit dieser Frau Liebesspiele, die er sein eigen nennt. Die Liebe hat von ihm Besitz genommen.Droht ihn zu verschlingen, als sie mit einem Ruck in einem Luftloch landen und er um Vergebung bittet. Rauchende Berge ohne feuerspeiende Drachen bahnen den Weg zu einem Ausflugsziel, das in die Allgemeinheit führt. Das Clanning. Der abrupte Halt bringt Ordnung in Alex Gedanken. Beim Maulwurf-Seminar vermisst man ihn heute nicht.Er klopfte an die Tür, die offen stand.
Er nimmt auch die Blumenkästen wahr, die an einem kanariengelben Haus hängen . Die Blumen sind klassisch Rot. Es könnten Nelken sein.
Es ist voll im Sitzungsraum,. Die Gruppenmitglieder müssen eng zusammenrücken. Alex trägt gerne enganliegende Kleidung. Es gibt ihm ein Gefühl von Konformität, passend gekleidet zu sein. Am Boden liegen lauter goldene Ölkreide umgibt den Zauberkünstler. Alex reibt sich über die Augen. Ein magischer Nebel, Rauchwolken überall. Der Mann der neben ihm sitzt raucht eine Zigarette. Er ist aus Österreich gekommen um an diesem Pilotprojekt teilzunehmen.Seine Bewegungen sind lässig, er hat warme erzählfreudige Augen Er komme aus Wien, sagt er. In seiner Studienzeit habe er öfters an der Eisdiele ausgeholfen. Es waren sehr fröhliche Morgen gewesen, wenn er die Pastellen Eiskugeln leckte. Der Vorhang aus Pergamentpapier knistert enthusiastisch als Kulisse zu den plaudernden Stimmen die wie Bienen durch den Raum schwirrten. Das sanfte toskanische Licht, gab dem Zimmer einen Anflug von Wärme. Die Besucher waren aus verschiedenen Himmelsrichtungen gekommen. Einer der Teilnehmer erzählte von Gummimatratzensommern und Schlauchbooten. Von Nächten auf Capri und Riviera-Urlauben. Anbeißenden Fischen und Familienbarbecues, bei denen Alt und Jung an die Grenze ihrer Toleranz stießen und Meinungen nicht vereinbar waren wie nach reiflicher Überlegung. Die Oma, die ihm gewogen war, aber nicht der Schnelligkeit der Entwicklungsstufen folgen konnte. Wo Stricknadeln klapperten und Küsse fielen.. Der Staub der Erinnerungen in alten Strickjacken . Es war wie Fotos anschauen, die durch Daumenkinos zum leben erweckt wurden.. Nach diesen gemeinschaftlichen Stammtischgesprächen war Alex gerne wieder allein. Er fühlte die Leichtigkeit der Einsamkeit.Als er am Strand leichtfüßig entlanglief, unter den Sohlen den rauen Sand das heiße Prickeln der Sommermittagsglut schmerzte ihn süß und er dachte daran, wie einfach es früher war ein Würstchen am Schwimmbadkiosk zu erstehen oder eine mit knallpinkfarbener Schaummasse gefüllte Waffel, wenn man gerade zehn Jahre alt war. Die Wälder wurden als Indianer durchstreift und im Wald duftetet noch das Laub nach Leben. Mann hatte noch keine Vergangenheit abzustreifen. Die Brause prickelte und das essen schmeckte. Die Fußballspiele nach den Hausaufgaben waren das wichtigste Element des Tages. Damals. Er dachte an seine Apartment. Der Boden war heute morgen frisch aufgewischt worden und es roch nach Putzmittel, nicht nach Leben. Ein Marmorsteinhaufen. Alex beschließt, sich auf den Heimweg zu machen und etwas in seiner Hängematte auszuruhen. Und wird gezwungen zu träumen. Alex läuft auf dem blankgeputzten Boden der großen Hotelhalle. Alles vor ihm schwankt. Das Nobelhotel mit seiner weißen Gipsfarbe gibt ihm ein ungutes Gefühl. Berechtigterweise. Der Boden unter seinen Füßen gibt nach wie Kaugummi. Er fühlt sich in den Untergrund gezogen und sein Aufschrei wird durch eine gallertartige Masse erstickt. Gerade in diesem Moment betritt ein neuer Gast die sterile grell durchflutete Halle. Er bewundert die außergewöhnlichen Statuen im Foyer. Menschen zu Mumien erstarrt. Die Gesichter spiegeln die Gefühle, die sie beim Anblick der grausamen Tat hatten, wider.
Die Eleganz hat etwas Tödliches. Mit Nonchalance wird hier einer nach dem anderen getötet , erstarrt um quasi als Fossil der Hotelhalle zu dienen. Heute sollte ein großes Meeting mit einem Kaugummi-Konzern stattfinden. Die Businessmänner sind korrekt gekleidet und haben ein breites Chewinggum-Grinsen. Der Hotelchef ist vorbereitet. Er lässt die verschlingende Masse analysieren und am Ausgang in ein kleines Lesegerät installieren. So macht man aus einem Diensthabenden an der Rezeption einen neuen Hotelchef. Auferstanden aus Schutt und Asche um einmal in Glanz zu erstrahlen. Weit ab von morgen, Mondrechnungen und Raketenplanungen. Aus Präsentationsgründen soll der Leiter des Konzerns den neuartigen Kaugummi bei Tages-und Neonlicht vorführen. Just in dem Augenblick wo Mr.Chew, der Konzern-Chef durch die Schwingtür mit der Masse schreitet, versenkt es ihn synchron zu einem langgezogenen Chew-Schreie, wie er nur unter Kaugummi-Kauern möglich ist. Unter der Eingangstür bäumt sich die Erde auf und der Eingang schmückt sich mit immensen Gummibäumen.
Alex erwacht mit Herbstgedanken.
Am Boden krabbelnde Plastiksoldaten. Quietschende Gummienten, feilgeboten von grinsenden Chinesen.
Die Touristen begannen bereits damit, sich Bari zu erobern. Schauende Menschen im Takt ihrer Kopfbewegungen. Man hat nichts mehr zum Staunen. Die moderigen Steinhäuser erzählen Geschichten. , die es zu entdecken gilt.. Alex ist erstaunt, wie oft es ihn zum Meer zieht. Wie ein Magnet ist das blaue Nass für ihn.- Er läuft, ist dem Meer ganz nahe ist und will zunächst seinen Augen nicht trauen, dass auf einem kleinen Felsen, der aus dem Wasser ragt, ein Mensch sitzt. Zusammengeknüllt in sich selbst wie eine verbogene Statue aus dem Museum. Was mochte die Kreatur wohl dazu veranlassen hier zu sitzen? Das Meer begehrte auf wie ein scheuendes Pferd bei dem Anblick von Gefahr. Und so schrie er aus Leibeskräften zu dem Felsen hinüber." Hallo, was tun Sie da? Sehen Sie nicht, wie die Wellen immer höher steigen und sie immer stärker umspülen?" das Lebewesen nahm anscheinend keine Notiz von ihm und so entledigte er sich seiner Garbadinhose, wobei er darauf verzichtete seinen männlichen Körper vollends preiszugeben. Trotz dem Anblick der Not war er noch in der Lage seine Kleidung zu kontrollieren. Das Wasser war um diese Zeit eisig. Mit kräftigen Schwimmbewegungen erreicht er den Felsen und sieht zu seiner Überraschung, dass es sich bei dem Wesen um eine junge Frau handelt. Alex steigt schlotternd aus dem Wasser und schreit:" Was um Himmels Willen tun Se hier?" Worauf sie nur gelassen antwortet: "Am besten wir schwimmen zurück!". "Sie sind wohl durch nichts zu erschüttern?" fragte er fast enttäuscht, denn er war nicht so kühn wie sie. "Aber ja" antwortete sie. "Nur habe ich beschlossen, eine resolute, unverwüstliche Natur zu sein. Ich übe die Überlebenskunst, denn wenn man sich nicht wappnet, geht man ein." Alex hielt sich bisher für jemanden, der stets auf der Hut war. Auf alles vorbereitet. Aber was bewog die hübsche junge Frau gegen etwas anzukämpfen. Er erinnerte sich an seine Meditationslehrerin, die ihm seien Eltern einst zur Verfügung gestellt hatte und der hatte sich wohl oder übel durch diese Privatstunden gequält. Nie hätte er gedacht, noch einen ihrer Sätze in seinem Gedächtnis vorzufinden. "Schwebe im luftleeren Raum "hatte sie immer gesagt, dann kann Dir garnichts passieren, so kannst du nirgends anecken. Die Seele muss befreit werden, von ihrem schloß gelöst, erst dann ist es Dir möglich aufrecht zu gehen, mein Sohn. Hatte sie ihn auf diese meditative Reise geschickt? Nach langer Zeit war ihm heute zum erstenmal nicht langweilig, als er das gleichmäßige Schlagen der Kirchturmuhr vernahm. Das Gefühl verführte ihn zu einer Rast im Straßencafe. Ein Cappuccino mit aufgeschäumter Milch war jetzt genau das Richtige. Er war froh, dass er die junge namenlose Frau abschütteln konnte. Sie hatte keinen besonderen Eindruck auf ihn gemacht. Denn schon hatte sie etwas bei ihm ausgelöst, die Erinnerung an Gesprächsfetzen und an seine Geburt.. Er glaubte die Wehenschreie seiner Mutter zu hören und ihm rauscht das Blut in den Ohren, es konnte aber auch das sich aufbäumende Meerwasser sein, das ihm dieses Klangwellen sandt. Er fühlte wie er ausgestoßen wurde, freigegeben an eine Welt, die ihn mit tiefer Trauer umfing anstatt die ungestüme Lebensfreude und Neugier zu erzeugen. Die Wisbegierde trieb ihn jetzt...fünfundreissig Jahre später durch Bari um etwas zu erforschen von dem er nicht genau wusste was es war, spürte er doch die Notwendigkeit und das Hasten machte seiner sehnsüchtigen Seele Platz. Er hatte keine Geschichte. Das war ihm aufgefallen, als Thorsten von seiner Affäre mit der Sängerin Juliana erzählte. Als er so sprach schienen sich Wortblasen aus seinem Munde zu formen, die wie Quallen über Alex Aufmerksamkeit schwebten. GONE. Alex merkte wie seine Gedanken abschweiften und es ihm fast unmöglich war zuzuhören, das Gesagte von seiner Bedeutung her zu erfassen und auch von den Gefühlen her mit denen es unterlegt wurde, Er dachte an den warmen Sommertag , den er mit einer langen S-Bahnfahrt zubrachte und dabei verweilte, aus dem Fenster zu sehen, um die Setzlinge zu beobachten, die einmal die junge Natur ausmachen sollten.GONE hatte wie eingraviert auf dem Fensterglas gestanden. Er fühlt sich wohl aufgehoben wie nicht abhanden gekommen. Thorstens Affäre mit der Muse. War für den Augenblick. Nicht beständig hob sie sich vom Nebel ab , dem Taumel der anderen, Tanzenden, sich umschlingenden Leiber. Im Licht zuckender Flammen kaum auszumachen. Die Herrlichkeit des Guten Ewigen. Wahren . Schönen. Gefühle zur Ware abgestumpft wie Urwaldschaukeln.. Prickeln wie Champagner sei ihr Lachen , ein Rondo ihre Beziehung. Luxusstrümpfe und Glamourgewänder entlarven ihr Verhältnis nicht zu den Außenstehenden, die die Beziehung beurteilen, da sie in die Beobachtungsrolle gezogen sind, das Leben Beteiligung fordert. Vorbei ist es mit manchen Entschwindungen wenn man fünfundreissig ist und sich auf sein Gefühl nicht mehr so leicht verlässt. Wie eine Elfe, die in ihren tannengrünen Wald abtauchen kann. Ohne Gedanken an Moos an Sommerhitze und Wintergefühle ohne Weihnachten. Wie eine Handspielpuppe sich die Zweige entlanghangelnd.

Unüblicherweise. In Bari hatte man keine Affären. Wenn, dann ging es um das ganze Leben. Man liebte mit Geist, Seele und Körper. Zumindest stand das so in den alten Überlieferungen.. Im Windschatten einer Hexe, die die Magie der Verzauberung auslöst und auf den tosenden Wind wartet um sich mit ihm zusammen zu verewigen wie ein gravierter Baumstamm im Land der alten Hölzer geliebt von Indianern. Umzingelt von Tannengrün. Man hatte wieder angefangen Bodenschätze zu sammeln. Kartoffeln. Wie Gold. Das Meer war Blau wie immer. Männer in Businessanzügen eilten in Banken und Ateliers. Niemand ist aufgehalten worden. Jeder bahnt sich seinen Weg durch enge Gassen, das Meer im Nacken. Die Sängerin ist etwas Mytisches. Exotisch und fast schon skurril in diesem reinlichen Charakter Baris. "Für mich ist das Realität- die Sängerin Dora!" sagt Thorsten. Die Realität und der Beweis noch lieben zu können. Mit allen Fasern und Pochen im Herzen. Die Frühstücksbar war mit Schwaden durchzogen und alte dickbauchige Herren spielten Skat und hockten auf knorpeligen Holzbänken, gebückt vor Aussenständen die das Spiel mit sich brachten oder Schuld an ungelebtem Leben. In diesem Moment betritt Dora die Szenerie. Sündig und schön. "Hallo" haucht sie den beiden Männern Leben ein bevor sie sich neben den einen-Alex-setzt und zu lächeln beginnt, ganz tief von innen heraus. Ihren Begleiter-Pedro-hatte sie zu Hause gelassen, er musste das goldenen Saxophon putzen, das sonst Erinnerungen ansetzte und dann nicht mehr mit Leichtigkeit zu spielen war. Ihre Wimpern lagen wie Gitter über ihren stahlblauen Augen. Das Gespräch fliegt über dampfende Kaffeebecher hinweg. Wie ein Karussell das immer schneller wird. In drei Minuten ist diese Kommunikation schon nicht mehr wahr. Gone.
An der Wand hängt ein Bild mit einer starken Baumwurzel. In einem braunen Holzrahmen.
Dora liebt Ratten, sie sind ihr nicht so gefällig wie Mäuse. Raschelnder, scharfsinnige. Bari sieht aus wie von einer Maske überzogen. Wie nach einer Bildbearbeitung. Früher muss doch hier Natur geflossen sein. Bilder von Leuten , die mit leichter Laune zum Strand hinuntergingen und und abends sonnengebräunt und fröhlich wieder zurückkamen. Aber nirgends in den Bars konnte er den unverwechselbaren Geruch von dem After Sun aus seiner Kindheit riechen. Keine Touristenbeine wurden unter die spärlich eingedeckten Tische gesteckt. War er überhaupt hier im Süden Italiens oder nur in einer virtuellen Welt? Seinen eigenen Körper spürte er auch kaum. Der war mehr ein Vakuum.Vogelgesang und summende Hummeln in seinem Kopf, tänzelnde Elfen und bunt gefiedert Papageienvögel, die in einen Zirkus aber nicht nach Bari passten. Schon Gestern war ihm das Grau der Stadt aufgefallen, wenn es sich zur Nacht versenke, verneigte vor dem Abendhimmel. Gähnende Gesichter und träge Roben wandten sich zum Gehen, tanzten umeinander wie alle Jahreszeiten und die Figuren einer Kuckucksuhr. Irgendwo von weither klang das Putzen des Geschirrs bevor es gewaschen wurde in grossen Bottichen, nicht in handelsüblichen Spülmaschine, die heutzutage leicht zu bedienen waren. Es war so, als hätte heute das Gestern Einzug gehalten und würde noch der alten Zeit wehmütig hinterhergehen.

Nirgendwo ein Platz, wo man seine Jacke aufhängen konnte. Lehne. Stühle, die eng aneinandergerückt wurden und flüsternde Stimmen, Gewirr wie Hummeln einen brabbelnden magischen Spruch stammelnd. Es waren die Gedanken der Leute in Bari, die sich um ihn sorgten, da er so ganz anders zu sein schien als die meisten und sie selbst. Er hatte kein Ritual oder keine Aufgabe ausser die ihm gestellte. Der Schatz war ihm jedoch bisher noch verborgen geblieben. So setzte sich jeden tag mehr Staub auf das zu findende Gut. In den Änderungsgalerien hingen verstaubte Hochzeitskleider . Ein Vogelsänger geht mit zerfetzten Kartoffelsackkleidern die schmutzigen Strassen entlang In der Hand hält er zwei goldenen Vogelkäfige...
Die Maulwürfe machten sich auf die flucht vor ihm, denn sie kannten nicht das Gefängnis, das alles Leiden zu Ende machte. Sie wühlten sich in ihrem Dreck, gruben in ihrer eigenen vertrauten Erde ohne neue Gefilde aufzumischen. Aus diesem Grund spürten sie auch nichts von den Detonationen, die eine Lavalandschaft aus einem Inselbereich machten, von denen man erst im Jahre 1999 las. Naja, vielleicht gingen die Uhren-hier in dieser teilweise fiktiven Welt schneller. Da wo Licht ist, ist auch Schatten, und nicht alle Dinge sind so wie sie sein sollen. Doch für Alex ist alles nur das, was es für ihn ist. Die Oberfläche. An der er so ungern kratzte wie die Maulwürfe. Was sich nach der Explosion erhob waren vier veschiedene Inseln- Die der Ruhe, die der Gleichmut, die der Lust im verborgenen und die der Liebe im Herzen.
Ein altes Kapitänsschiff wird seine Anker werfen. Es wird den Boden der Gerechtigkeit aufbuddeln, keine Angst vor Quallen oder dem Untergang haben und dein Kapitän wird einen immensen Schatz finden. Das Leben . In seiner ursprünglichsten Form. Irren auf Tausenden von Wegen, die doch immer nur den gleichen Trott entlang gehen. Rivieragefühle. Das heisst Sonne, Strand und Badeschlappen. Zum Frühstück ein Brötchen mit klebrigem Gelee und starken Kaffee. Eine Touristenreise. An den Angelhaken nur Andenken. Schmiedeeisern wie klopfende Laute von sich gebende Türeingänge.. In den Kochtöpfen brodelt einfaches Gemüse bunt durcheinandergemischt vor sich hin. Die herzen machen nicht draus. Wie Uhrgehänge schlagender Pendel des zeitlich segnenden. Verräterísche Blicke in giornali. Auffällig war auch, dass die Leute gar nicht lasen sondern über die Zeilen zu fliegen schienen, als würden sie über etwas hinwegfegen, dessen Bedeutung sie verstanden wie Zeichensprache ohne Worte und hässliche Grimassen.
Dort war der Espresso graubraun wie eine dreckige Suppe, ein Sumpf der zeitverschleudernden Menschheit. Die Kneipen lebten von den Menschen früher einmal. Heute jedoch war kein Empfang da. Die Tische wurden bedient und die Daransitzenden taten das Nötigste . Nämlich Essen und Trinken. Das Reden hatten sie nahezu verlernt oder ignoriert. Es handelt sich um eine sich einschleichende Stummheit und immer mehr zur Landessprache wurde. Keine Depression, aber ein hauch von nicht erforschter Seltsamkeit. Die Fensterbänke sind mit Kakteen ausgekleidet. Zu manchen Zeiten fühlte er sich auch beobachtet, wie von einer geheimnisvollen Macht angezogen und zum nachdenken gezwungen. Angehalten wie ein tramp ein Auto anhält um mitgenommen zu werden auf den richtigen Weg. Die kleinen engen Strassen in Bari hatten ihn müde gemacht. Mann wunderte sich über Viehtransporter , die wie alte Kutschen durch die Sträßchen schlingerten. Alex erinnerte sich an seine Lieblingsbiersorte. Zuweilen glaubt er in einem Mallorca-Urlaub zu sein. Entspannung pur und keine müden Gedanken, die nutzlos in seinem Memory hingen, die beschäftigt werden wollten, hervorgeholt bei Vollmond und Wolken blitzen, die mir die Erhellung bringen wollten. Das Bestreben stehenzubleiben. Die Verwunderung zu vollziehen. Auf einem Kreisel sitzend. Die Karussells auf den Jahrmärkten. Flitzende Kabinen im Lauf der zeit. Dagegen der Alltag. Angeraut. Verstaubter Smoking. Ganz Bari war mit feinen Schmutzpartikelchen überzogen. Feiner beiger Sand wie von einem anderen Stern hergewühlt. Es war in Bari jedoch in letzter Zeit sehr windstill. Kaum ein Hauch von Lüftchen wollte seinen Lungen erfüllen. Da er auch kaum atmete merkte er nicht viel davon. Das Knistern des Pergamentpapiers war wie ein Zischen , ein Knistern aus der Stromleitung., eine Lichterkette, die bei Gartenparties nicht fehlen durfte. Das Meer schäumte ungewöhnlich. Seine Gischt auf. Die Clanning-Gruppe machte einen Ausflug in Richtung Blumenhaine: Raus aus der Stadt. Dorthin, wo Mensch und natur zusammengewachsen waren wie Baum und Stamm mit tiefer Wurzel und Heimeligkeit, die fremden Bodenständigkeit gab oder aber auch Anderssein, Abgrenzung, Touristendasein demonstrierte. Der Bayer empfand es wie das Alpenglühen. Zuweilen spürte man eine Tretmühle oder war es das Echo der Wellen, die sich brachen und an den Strand klatschten. Die Öde drohte das Menschsein aufzufressen. Überall Gitterstäbe einer verlorenen Zukunft. Einer Inhaltsgabe ohne Spirograph, der in der Jugend graphische Künste bewies und den Blickend er Erwachsenen standhielt. In jedem Licht sah es anders aus. Keiner wollte Alex heimleuchten. Die Auffahrt zu den Blumenhainen verlief beschwerlich. Man war es nicht gewohnt, die Schwere seines Körpers zu fühlen oder dass er einem gar Sorgen machte, weil etwas zwickte. Die Sehnsucht nach Grüne Meergrün wie in Disneyfilmen. In Bari schimmerte das wasser in den letzten Tagen gar nicht mehr Lagunengrün. Es hatte etwas Aufbegehrendes, Exzentrisches.. Die Gruppe bewegte sich zum Eingang. Man besichtigte, schaute. Es war wie in einem Palmengarten, einer Bundesgartenschau.. Die Blumenglocken schaukelten, die Verständigung klappte. Der Horizont zeigte Dreiecke. Überall Zipfel zum Glück.Verschachtelte Wünsche in Richtung Wohlergehen. Fahnen im Wind. Aufstrebend. Jung und pudrig ausdampfende Samenkörner, die ihre eigen Flugbahn finden im Himmelskanal, pastelliger Farbe. Bekanntmachungen von Wundern, die an keinem Brett hängen, da dort die Katze schläft und knurrt und sich nicht aufwecken lässt. Katzen jagen Mäuse und keine Maulwürfe. Ab und zu greift manch einer nach einem Stern, der aus Porzellan ist. Schwer und zerbrechlich, dass er leicht vom Himmel fällt und keine Wunder mehr verspricht. Weil er anders geworden ist. Fad der faden der himmelwärts zeit und auf Erlösung hofft. Umsonst. Es scheint, als seien diese Menschen sich selbst überlassen; vereinsamt in ihren Entscheidungen dazugehören zu wollen ohne anders zu können. Die Gespräche finden nicht statt und so auch keine Aufzeichnungen zum Seminar, eine Heilung im Schreibfluss. So können sie nur aus dem Meer der Erinnerungen das ziehen, was sie gerade brauchen. Ein Rettungsseil, eine Gliederkette, eine Clanninggruppe mit globalen Meinungen , die alle vertreten. Bari ist eigentlich schon aufgegeben., eine Dunstwolke. Eine Ahnung, was da mal war. Ein Fragment. Ein Firmament. Ein düsteres schloss, das seine Blitze aussendet, wo Seminarräume zu Altaren werden, und stachelige Rosen das Knabbergebäck ersetzen. Dort, wo es nicht leuchtet, wird es heller. Wie ein Regenbogen sehen sich die vor der Iris verschwimmenden Farben an, die die Nacht der Leidenschaft trägt. Überall Abfalleimer. Gedachte und abgelegte Gedanken ohne Platz in Aktenordnern zu verschwenden. Alex fühlt sich nirgends so gut aufgehoben wie in der Eckneipe aus der er nicht fallen kann, auch wenn es rund geht, wenn die alten Männer trancemäßig Skat spielen und der Wind durch die Karten saust. Nutzlose Luschen. Verschwinden unauffindbar. Keiner hat Sehnsucht. Aufgehoben zu werden in einer Beziehung, die Halt und Eleganz verspricht, mit Würden den Kopf zu tragen und von den schweren schultern zu recken, in die Höhe zu heben um zu übersehen. Keinerlei Allerlei gesagt. Gerötete Wangen sitzen beim Bier wie von Aufregung durchzogen, doch nicht auszumachen, wo die Berufung des Unterschieds liegt. Wenn es unentschieden ausgeht im Kampf zwischen Langeweile und Erschöpfung und da erklingt das "Prost" wie ein "Amen", jedoch erleichteter und freundlicher. Fast warmherzig wirken die männlichen Gestalten, selig wie kleine Kinder. Nirgends ist man so freizügig und gibt freizügig etwas preis, das nichts kostet ausser einen Atemzug. Des Staunens für die anderen, wenn die gemurmelten Worte verstanden werden. Und wie in einem Comic Sinn ergeben. Über wen gelacht ist, der ist glücklich. Zumindest hier. Wo sich die Dinge ständig verändern, umkehren, sich ihre eigene Basis schaffen. Am Himmel kreisen Möwen. Sie sind den Menschen vom Meer her gefolgt. Beziehungen, die wie Splitter in Wunden sitzen. Durchbohrend. Das glück ist verschleiert. Es ist, als ob sich die Erde hebt und senkt zwischen Katastrophen, die innerlich wahrnehmbar sind. Überall Blitz und Donner und rennende Menschen nach Oasen über Rolltreppen, die nicht den schmerz fühlen, eingekesselt in schwüle klebrigen Empfindungen. Nirgends ein Entkommen der Gefühle vor sich selbst. Schattenspiele Lichtschatten Lachende höhnische Fratzen. Überall makabres Grinsen. Pierrots Traurigkeit. Fledermäuse wie hängende Seelen im Kleiderschrank. Es donnert. Das Gewitter reinigt. Und bringt Klärung, Klarheit . Bari zeigt sich hellgrau.
Zurück in der Stadt kommt es zu Klavierspielen. Einer geradezu farbig enthusiastisch angestimmten Melodie. Unterlegt mit Gebrabbel, von Toni, dem Lederhosenitaliener, der irgendwie fleischig wirkt und sich im takt auf seien Lederhosen haut. Die Stadt unterhält sich selbst. Und da sie in so guter Stimmung ist, lässt man sie beruhigt hinter sich.. Am nächsten Morgen geht's weiter -ins grüne Land, auf einen imaginären Tripp zu Schluchten, die wie Dinosaurier ihre Hälse recken und Mäuler drachenweit aufsperrren. Schummeln gilt nicht. Auch kein Augenblinzeln. Vor der Realität. Wo der Himmelspförtner gebückt die Tore öffnet wie zu einer Rutschbahn ins Elend hin. Der Alltag ging vonstatten mit Leichtigkeit-wäre da nicht dieses ohnmächtige Leiden gewesen, das sich immer mehr verdichtet wie Nebel ohne Abzug ohne Dunstwolken, die im besten Fall zu rosaroten Wölkchen werden konnten. Es war so traurig. Dass er nichts fühle ausser der Einsamkeit um sich herum, wo sie doch in ihm selbst lag. Das waren Augenblicke, wo die Gischt grün aussah, als wollte sie wie ein Chamäleon etwas anzeigen, , versuchte, die Glühwürmchen zu ersetzen. Die Tränen ruhten vom Rollen aus wie die Billardkugeln in ihrem Untergrund und die Maulwürfe schauen dabei zu. Gedeckt ist der Tisch.
Gaben und Gabeln. Überall streben die Menschen danach, den Horizont zu erweitern. Versuchen, sich Puzzleteilchen des schlechten Geschmacks zusammenzusetzen. Gehen hinaus und lassen ihre Blicke schweifen Sitzen auf ihren Platzhaltern wie dahingegossene Ölgötzen. In dieser Zeit waren die Blumen abgeerntet und keiner sorgte sich darum. Überall waren fragenden Zeichen. Die Intuition hatte sie verlassen, wie man eine Ruine verlässt. Die Ausgänge schmückten Trullidörfer und man war sich nicht sicher, was die Maulwürfe zu dieser Uhrzeit machten. Manchmal warfen sie neue Hügel auf, die dann im Fragenkatalog wiederzufinden waren. Alles Auswegen sind spurenlos. Haben sich verkrochen im Müllhaufen der Einsamkeit hinter den Strassen, in deren Winkeln die Einsamkeit anfängt und es zur Sonne hinzieht. Vermeintlich war auch das legere Grau, das seit Tagen über der Stadt lastete und keine Leidenschaft freigab, die wie unter verstopften Poren lag. Die inspirative Frische des Meeres spielte ihre Kapriolen. Den Trumpf aus. Das Ass. Weltenbestimmend umspült das herrliche Wasser den sandigen Lehmboden. Aufbrechend zu neuem um dann wieder nach dem Aufbegehren zu zerfließen. Überall wohin man blickte, konnte man Ferngläser sehen. Auf ein oder zwei gerichtet. Stechend als Ersatz für Augen die kreisend wie Adler die Trulli Hügel auf und abwärts wanderten. Die natur schien Rätsel aufzugeben, zu spinnen, was sie nicht zu sagen vermochte. Die Gischt schaümte Dinosaurier hoch auf und man sah kein Lächeln in den Gesichtern der behäbig und gemächlich Spazierenden.Ein Lebensrhythmus wurde Verlorenen vorgegaukelt. Schatten, die es zu bezwingen galt, Drachen zu bekämpfen, Maulwürfe zu suchen, die sich unmissverständlich durch die Erde bohrten, als würden sie ihre Herkunft erforschen. Nirgends war es so interessant gestaltet wie in den Cafes der Innenstadt, wo alles normal zu verlaufen schien. Es gab noch Tageszeitungen, die das Datum dokumentierten. Die Tageblätter fielen mit dem Herbstlaub. Ordentlich gebündelt gar nicht auf. Champagner auf trockenem Grund Dürre, die die Hitze umschließt wie die Mutter Gottes. Am Boden die Rosen, die zu Schlingpflanzen werden, wenn man sie nicht rechtzeitig in eine Emailbrosche verwandelt. Die Dinge waren sich selbst überlassen, in der Konzentration auf das Unwesentliche im Redefluss. Bari erholte sich an solchen Tagen wo keiner wusste, was damit gemeint war. Weil die Augen leergeweint und die Seele vertrocknet, da die Oase der Liebe nicht so schnell wiedergefunden werden konnte, wie die erde sich drehte! Da half es auch nichts, auf die Balkons heraus zu treten, die wie eine Empore waren, ein Mahnmal. Absehbar und überschaulich.Wild entschlossen zum Schweigen. Menschen schauten durch Schlüssellöcher. Die Leute in Bari verständigten sich in ihrer eigenen Sprache, literarisch mit Zitaten, die einen Henry Miller nicht erfreut und auch einer Francoise Sagan nicht gereicht hätte, zur Beobachtung, da sie nichts wert waren. Ungelebte Phantasien, die die Einsamkeit hervorrief, gebar, in ihren Bruchteilen nach Verwirklichung schrie wie ein Pfingstochse zu Weihnachten.
Ein Trugschluss wurde nicht zugelassen. Wimpertusche vertuscht und Laszivität unterstrich die Bewegungen. Der Körper ist nur eine Hülle. Man hätte auch nach Indien fahren können. Doch da reizt das Unbekannte nicht. Die Schärfe der Gewürze scheint unheimlich und das brennende Gefühl könnte im Inneren unerwünschte Wirkung zeigen. Provozieren, nach außen drängen., dringen. .Dringend war das Bedürfnis zu verstecken. Wie einen Schatz zu hüten. Lämmer ohne Herdenführer vom Regen in die Traufe.Auf und ab galoppierende Gedanken, die das Herz hüpfen machen. An den Bistrotischen stehen Gestalten, die ersetzbar durch Leselampen wären. So traurig beleuchtet wie ein Feld ohne Energiequelle.Ohne Maisgelb. Ohne Raps. Ohne Tastsinn. Nur schemenhaft feststellbar. Ausmachbar ist der Staub der Tage, der auf den Alltagskitteln liegenbleibt wie Hagelkörner im Sommer. Die Tiefe der depressiven Landschaft ist nicht so bezeichnend wie ihre Bewohner die aus ihr Bari gemacht haben. Es ist wie ein Verließ. Ein Aufenthaltstort Verlassenener und gefangener. Die menschliche Natur bleibt sich fremd. Wie abgestoßene Teilchen im Mikrokosmos. Keine beben. Kein Atmen der Natur. Vor Beklommenheit. Auf.Erfahrungen machen die Menschen hier im Alltag, nicht im Leben. Man lernt durch Beobachtung und Lesen von Gedanken, die die Eindrücke verfestigen und die Natur wiedergeben, wie ein verzogener, verformter Spiegle, der lügt.Und so ist nirgends so viel geschlafen worden wie hier. Hier in der Einöde ohne Kühe und Aufheiterung, einer melancholischen Melodie unterworfen, einem Takt, einem Herzschlag, der alle Kreaturen in Bari vereint Seltenheit hat hier keinen Wert. Wo doch schon das material, der Stoff zum Träumen, abhanden gekommen ist. Rosa wird wenig getragen. Aber Mit Regenschirm und Regenmantel kein Problem. Der irisierende Regenbogen wurde so kaum bemerkt. Ein Zeichen,welches er sehr gerne mißachtete. Die Ungeheuer waren wiedergekommen. Hatten ihn mit Macht in die Tiefe, einen unbekannten Gefühlsstrudel gerissen, ohne ihn freizugeben. Es war unangenehm, wie von einer Regenhaut ueberzogen zu sein, glitschig. Und das gute Einvernehmen stehlend. Das Schönwettergesicht, für das er ein Feeling hatte.Er geht in die Kapelle. Er sieht nicht die Umzingelung, den gespuckten Spinnenfaden, der sich feinglänzend und klebrig um das Gotteshaus zieht. So tritt er ein. In der Kapelle findet er ein Buch, er schlägt es auf. "Verlange nichts" steht dort geschrieben. Und so sei es. Denkt er. Und so wurde es. Für ihn. Er versteht nicht.

Alex geht aus der Kirche. Mit dem frühen Nebel und den sich langsam zu verdichtenden Wolken, sieht er sein bisheriges Leben vor sich aufsteigen. Eine Seifenblase, nichts als schöner Traum. Er stößt einen sarkastischen Laut aus. Ihm ist es mittlerweile völlig egal, warum er hergekommen ist. Er geht noch einmal in das angrenzende Cafe um sich zu verabschieden.
Schon am frühen Morgen wälzt sich träge Musik aus den Lautsprechern und Frank Sinatra singt "I did it my way". Er ist zu müde vom Ausruhen und nimmt dennoch Platz. Rauchschwaden und Kaffeeduft schlagen ihm gleichermaßen entgegen. Die Bedienung ist sehr quirlig und freundlich mit Grübchen in den Wangen, überhaupt ist heute einiges los im "Staccato". Die Wände sind Azurblau gefliest, was Alex sehr ungewöhnlich findet. Cappuccinotassen fliegen wie Ufos die Wände entlang, eine nahezu poppige Malerei hat sich auf die Wand gebannt.
"Ciao, darf ich mich zu Ihnen setzen ?" Eine frische Stimme weckt sein Inneres. Ihre katzengrünen Augen blitzen ihn fröhlich an. "Entschuldigung, aber da haben wohl mehr Leute die Gunst der Morgenstunde genutzt als ich dachte! Und am Tresen ist es mir zu rauchig!" Das stimmte allerdings. Rund um die Theke hatte sich eine regelrechte Rauchwolke aufgebaut. "Ich bin Gina, und wenn Sie mir Ihren Namen verraten, wäre das schon ein erster Schritt zu einer Unterhaltung!" "Klar, setzen Sie sich ruhig!" entgegnet er seinerseits. En wenig monoton zwar, aber immerhin.
Ihr warmes Lachen nimmt ihn gefangen. Gina scheint zu den Menschen gehören, die völlig neuerschaffen aus der Dusche steigen, ein neuer Tag, ein neues Ich, mag da kommen was will. Alles perlt an ihnen ab wie die Wassertropfen auf der Haut.
Ihr langes Haar wellt sich über ihre zierlichen Schultern, die von einem Trägertop sanft umhüllt sind. Ihre Art dem Tag zu vertrauen, denn so richtig warm ist es heute Morgen noch nicht. Gina lacht ein helles Lachen mit erotischem Unterton. "Der Cappuccino im "Staccato" ist einfach der Beste!" Wissen Sie, ich bin nur auf der Durchreise. Bari ist fast zu schön zum Verweilen. Da werde ich nur sentimental und melancholisch." "Was machen Sie, Gina?" fragt Alex jetzt geradeheraus. " Ich organisiere Events. Das macht die Menschen fröhlich und mich nicht gerade ärmer!" Wieder dieses Lachen. "Nein, Gina, ich meinte, was machen Sie nur mit mir?"

Ihm fällt es schwer, die Augenlider offen zu halten, wie unter einem Bann scheint er zu stehen.. "Heute ist ein schöner Morgen" beschließt Gina zu sagen. "Wieso sagst Du das?" "Weil mir danach ist." Die Straße riecht nach Putzeimern, das stark aromatisierte Wasser ergiesst sich in die Gullis. Die Tür des Cafes ist geöffnet, so dass der Salmiakgeruch sich mit den frisch gerösteten Kaffeebohne mischt. Erst jetzt fällt Alex auf, dass an fast allen Tischen Menschen zu zweit sitzen. Ein Herr beugt sich über den kleinen runden grau-weissen Marmortisch als wolle er das Wort in seine Gesprächspartnerin drängen. Sie reden über das Theaterstück am Abend zuvor. Ein Stück über die Liebe. Eine Hochzeit. "Tja, manche Sachen sind ganz umsonst. Das Hoffen, das Bangen..." philosophiert er fast schulmeisterlich. Sein sehr weibliches Gegenüber ist genauso tief entsetzt wie ihr Dekollete.
"Er hat sie bereits am Abend vor ihrer Hochzeit betrogen! Betrunken und wimmernd vor Selbstmitleid. Wie eine Kreatur!" Der braungebrannte galante Herr ist nicht tief beeindruckt von den Einwänden seiner Partnerin " Es ist ein Stück über das Leben. Es ist der genormte Mensch, der das vermag. Einer ist so gut oder schlecht wie der andere. Ein Austausch findet ohne grosse Komplikationen statt. Nichts, was nicht zu erwarten wäre." "Aber wo bleibt da der Reiz des Neuen?" "Es ist der feige Mensch, der betrügt. Er braucht Sicherheit. Unter meinen Geschäftspartnern gibt es welche mit guten, stabilen Beziehungen. Und trotzdem brechen sie aus. Eben weil sie sich sicher fühlen. Immer wieder zurückkriechen zu können hinter den warmen Ofen. Außerdem machte eine funktionierende Beziehung selbstbewusst, was sich wiederum auf die Ausstrahlung, die Aura auswirkt."
" Willst Du damit sagen, ein Ehering löst Magnetismus aus?" "Ich dachte immer ein weisses Kleid sei ein Zeichen für Romantik, nicht für Selbstaufgabe. Wenn dem so ist, dann halte ich es für ein trauriges Stück, wenn nicht gar für eine Tragödie. Das Lachen macht sie noch beissender, brennender in den Wunden. Und der Applaus der Publikums ist der geweihte Untergang, die Absolution zur Untreue." "Es ist doch nur Theater, Marlene." "Na, ich weiss nicht" meint Marlene und rührt in ihrem zuckersüßen Espresso, sicher voller schwarzer Gedanken.
Ein paar Meter weiter sitzt ein älterer Herr. Das Buch, das er aufgeschlagen hat, hat viele weisse Seiten.
Jetzt winkt er den Kellner heran. "Sagen Sie mal, können Sie mir nicht das Rezept für diese vorzügliche Marmelade della Nonna verraten?" "Das ist erstaunlich, dass Sie mich gerade danach fragen. Es ist ein Rezept meiner Großmutter. Erdbeeren in Lambrusco eingelegt." Und die kulinarischen Höchstleistungen Ihrer Großmutter haben nicht auf Sie abgefärbt?" "Wissen Sie, das Leben hat manchmal andere Pläne mit einem." Ganz im Eck beobachtet Alex ein verliebtes Pärchen. Sie flirten. Das Spiel hat noch einen unbekannten Ausgang. Hände die dem andern schmeicheln, Fingerkuppen streichen über Aprikosenhaut.

Gina sucht den Augenkontakt zu Alex. Alex ist sich der Gesprächspause gar nicht so bewusst.
"Also, du bist mir immer noch die Nennung deines Namens schuldig!" "Oh, sorry, ich bin Alexander." Du meinst, Du heißt Alexander. Aber wer bist du?" "Frag mich was Leichteres. Ich komme mir vor wie ein einem Labyrinth oder in einer verrückten virtuellen Story. Irgendjemand scheint mich auf die Reise geschickt zu haben." "Dein Boß ?" "Nein, nein, um Gottes Willen, der ist viel zu schwerfällig dazu. Kennt nur seine Bilanzen. Ich weiss nur, dass ich dringend Urlaub nötig habe.Gina, du stellt ganz schön viele Fragen !" Jetzt muss Alex grinsen. "Und ich habe beschlossen mit so einer unverschämten Frau heute Abend auszugehen. Gina, was hältst Du davon?" "In Ordnung. Sei 19 Uhr vor der Kirche."

Als er nach draußen tritt, umfängt ihn bereits die Wärme des späten Vormittags. Was ist schon dabei, wenn er einen Tag länger bleibt, denkt er sich. Er lässt die letzten Minuten noch mal Revue passieren. Er hat so viele Gespräche mit angehört. Und alles war so lebendig. Es wäre schön, einen Freund zu haben denkt er sich so ganz für sich selbst. Eigentlich hat er schon lange kein richtiges Gespräch mehr geführt. In der Familie wurde nie über Gefühle geredet, nur über Siege und Machtkämpfe. Alex Vater war bis zu seiner Rente in der Kreditabteilung in der Bank in der gegenüberliegenden Strasse beschäftigt gewesen. Stets korrekt vom Scheitel bis zu Sohle, ganz der Askese hingegeben. Seine Mutter musste wohl ganz schön darunter zu leiden gehabt haben. Er erinnert sich noch an ihre blasse Haut und den manchmal leeren sehnsuchtsvollen Blick in die Ferne. Sie machte einen unbeholfenen geknickten Eindruck auf ihn. Wie ein unbestimmtes Selbst. Oft hatte er damals in den Sternenhimmel geschaut, nach einem Bezugspunkt gesucht, doch im Himmel konnte er keine Antwort finden. Und auf Erden auch nicht. Dennoch hatten ihn die leuchtenden Tupfer fasziniert, strahlten sie doch so etwas wie Wärme aus. Seine um zwei Jahre ältere Schwester war ihm auch nicht gerade eine Seelenverwandte. Ein arrogantes zickiges Modepüppchen war innerhalb von knapp achtzehn Jahren aus ihr geworden. Wenn er als Kind vor sich hin träumte zog sie ihn auf. Sie war sie gleiche verkappte Realistin wie sein Vater. Alex hätte damals stundenlang durch sein Kaleidoskop schauen können und mitverfolgen wie die Farben sich brechen. Er hatte es überwältigend schön gefunden einfach so da draußen zu sitzen. Er erinnert sich. Er kam auch immer gut mit seinen Klassenkameraden aus, weil er bei Zwistigkeiten gut zwischen den Streithähnen vermitteln konnte. Doch sein Vater hatte ihm diese Kontakte und diese einfühlsame Fähigkeit regelrecht abgewöhnt. Alex war ausgesprochen froh darüber, dass er seine Familie so selten zu Gesicht bekam.

Er schreitet durch den sich just teilenden Tag. Es ist Halbzeit. Die meisten Läden schließen gerade, was nicht sehr vorteilhaft für Alex ist, denn er braucht ja schließlich etwas Schickes zum Anziehen für den Abend. In den Auslagen sieht Alex bunte glitzernde Steine und Perlen an einer schlanken silbernen Kette. Wenn er genau hinsieht, auf die einzelnen Glassteine starrt, verschwimmen sie vor seinem Auge zu Seifenblasen. Ein Schaumbad in Regenbogenfarben. So eine Kette muß wunderschön an Ginas Hals aussehen. Ihr helles Lachen fällt ihm ein. Und es berührt ihn. In der Magengrube.

Gina holt sich einen frischen Sonnenblumenstrauß vom Marktstand. Wie goldene Ähren leuchten ihr die Blütenblätter entgegen. Für ihre Begriffe genau das Richtige für ihren Glastisch im Büro. Sie fühlt sich einfach gut. Ihre kleine Eventagentur läuft hervorragend. Sie grinst. Ja, sie weiss, sie hat das gewisse Etwas. Die Magie des Augenblicks war damals ihr Ausgangspunkt. In so einen alten Schmöker aus Teeniezeiten hatte sie davon gelesen. Es war eigentlich mehr ein Gedicht. Sie versuchte damals es sehr zu verinnerlichen, zu visualisieren. Klar, sie war jung. Stunden hat sie damals zugebracht über so einen Ausdruck nachzudenken.Sie schließt die Augen. Noch immer riecht sie diesen intensiven Duft von Blüten und Kräutern, die Ahnung des Frühlings und die Verführung des Sommers. Es war so als würde ihre Seele ganz weit aufmachen. Und sie fing sie ein. Diese Magie.Gina hätte eigentlich ein Junge werden sollen. Ihre Mutter hatte sich sehnlichst einen Stammhalter gewünscht, doch dann war sie da und alles war anders. Ihre Kindheit war glücklich. Sie durfte toben und durch schlammige Pfützen stapfen. Ihre Mutter war direkt stolz auf sie wenn sie sich rüpelhaft aufführte. Doch als dann die anderen Mädchen zu den rosaroten Brillen auch sanfte Rundungen bekamen und ihr Geburtstag sich zum sechzehntenmal jährte, da fühlt sie sich alleingelassen. Sie wusste nichts anzufangen mit sich. Ihr Körper hatte nichts mit ihr zu tun. Und dann kam der späte Julitag an dem sie Xenia traf. Xenia wurde ihre beste Freundin.
Ihr Lächeln zog jeden in den Bann und sie konnte die Männer aller Altersstufen in Rage bringen. Xenia hatte damals einen kleinen etwas verschrobenen Laden am Ende der Stadt. Von weitem sah er bloß wie eine einfache Holzhütte aus. Gina kam gerade aus der Bücherei, schwerbepackt mit den Pamphleten der Surrealisten unter dem Arm und nahezu allen Werken von Camus. Der Weg war etwas steinig und holprig und Gina fluchte leise. Ein warmer Luftzug fast wie ein Sog schien die Zeit stillstehen zu lassen. Sie sieht es, fühlt es als wäre es gerade geschehen. Ein leichtes Drehgefühl, ein pulsierendes Lachen wie ein Echo, langsam verebbend. Sie sieht einen Strand vor sich, das freimütig wabernde Wasser, das im Sand versinkt, dahinschlüpft, schon vergessen, im Hintergrund eine Turmuhr leise schlagend. Ein Lichtstrahl blendet sie. "Oh, lassen Sie sich doch helfen" sagt die herzliche Frau hinter der Kasse. Gina kann sich nicht erinnern, den Laden zuvor schon einmal gesehen zu haben. "Das sind aber ganz schön viele Bücher für so eine junge Person!""Haben Sie denn Zeit sich hinter den ganzen Büchern zu verstecken? Das Leben wartet doch nicht." "Ich bin Xenia und du bist...ich darf doch du sagen?" Entschuldigend lächelnd putzt Xenia sich die staubigen aber grazilen Hände an ihrer zerfledderten Jeans ab. Sie mochte vielleicht acht oder neun Jahre älter als sie selber sein.
"Mein Name ist Gina" entgegnete sie. "Verzeih bitte, aber ich habe dich hier noch nie zuvor gesehen, glaube ich." Glaubst Du?" Du musst dir die Dinge gefügig machen, junge Gina. Nichts geschieht von allein." Die Ladeneinrichtung war eher schlicht gehalten. Dunkle Brauntöne und helles Beige wechselten einander ab. In den Regalen standen als Kontrast allerlei in Glitzerpapier gehüllte Bücher. Der Geruch in dem Laden war vanillig und würzig zugleich. Er erinnerte an frische gebackene Vanillebrezeln und vermittelte ihr Vertrauen."Aber was rede ich da so auf dich ein. Magst du eine Tasse Tee?" Gina nimmt dankend an. Eigentlich ist dies eine willkommene Ablenkung für sie. Hinter ihren Büchern verkriechen kann sie sich später immer noch. Gina findet Xenia sympathisch. Sie hat ein offenes Gesicht mit ausgeprägten Konturen. Ihr rotes haar wallt nicht über ihre zierlichen Schultern sondern wurde von einer steinenbesetzten Spange gebändigt. Ihre Unterarme sind von Kratzspuren gezeichnet. Xenia sieht, dass Ginas Blick innehält. "Das ist von Timo. Meinem Kater. Wie Männer halt oft so sind-immer mit dem Kopf durch die Wand und gegen jedes Gesetz. Er ist ein kleiner Rebell." Jetzt vernahm Gina das Maunzen, das aus dem Lager zu kommen schien. Ein schwarzer junger Kater streckte neugierig sein Näschen in den Ladenbereich. "Nimm doch Platz!" Gina nahm auf dem zotteligen verschlissenen Sofa Platz und wurde sogleich von dem charmanten Timo umschmeichelt. Ihr fiel auf, dass er diegleichen smaragdgrünen Augen besaß wie sein Frauchen. "Darf ich ehrlich sein"? fragte Xenia Gina. "Irgendetwas mit Deiner Aura stimmt nicht." "Aber das haben wir gleich." Mit eine Naturhaarbürste strich Xenia ein paar Mal über Ginas kupferfarbenes Haar bis es glänzte und rote Funken sprühte. Gina trank von dem Tee, der wohlig von innen wärmte und ihre Wangen färbten sich in sanftem Rosa. Mit jedem Schluck war ihr, als würde etwas in ihrem Bauch, in der Nähe des Sonnengeflechts gelockert. In hastigen Schlucken trank sie den Rest. Als sie die Tasse abstellen wollte, fiel ihr Blick auf die geschwungenen Lettern darin. "Das ist nur der Boden der Tasse. Auf den Grund musst du selber gehen."Du solltest Dir heute Abend ein Hühnchen mit Chillis kochen! Glücklicherweise hat eine Freundin von mir auch frischen Paprika aus Ungarn mitgebracht."
"Noch was. Komm Morgen wieder" Und schon wurde sie zur Tür hinaus geschoben. Ab diesem Tag kam Gina täglich vorbei. Die Frauen plauderten bei Schwarztee und Wein. Ginas Lachen wurde zusehends verwegener, ihre Kleidung gewagter. Was kein Wunder war. Xenia nähte für sie, was das Zeug hielt. Natürlich alles aus reiner Seide oder Wildleder, in flammenden Farben und warmen Erdtönen. Xenia beglückwünschte sie zu ihrem geheimnisvollen Lächeln das stets ihr Antlitz umwarb, wenn der Blick eines attraktiven Mannes sie traf.Ginas Leben war eine Spur aufregender geworden und es beunruhigte sie kein bisschen, dass ihre beste Freundin eine Hexe war. Auch heute hatte sie gerne ein paar Minuten voller Inbrunst verschwendet um mit Xenia zu telefonieren. Du weißt ja, sinnliche Hexen ab 30 sind sich ihrer weiblichen Energie bewusst. Und sei großzügig mit Luxusgütern-wenn sie für Dich selbst sind." Xenia lachte ihr unverwechselbares übermütiges Lachen.
"Ja, ich denke er ist bereit für mich." Sie atmete aus und ein Drache kam seinem Besitzer aus , drehte sich ein wenig, zauderte, und brauste mutig gen Himmel.

Alex sieht die Schönheit der Waren, nicht ihre Preise. Es sind kleine alte Läden mit aufgearbeiteten Fensterrahmen und verschrobenen Türen. Die Türklinken sind durch derbe Holzknöpfe ersetzt. Er glaubt das Haus atmen zuhören. Es knirscht und schwankt ein bisschen vor ihm. Vielleicht ist es aber auch nur der gestiegene Koffeinpegel, er fühlt das Blut in seinen Adern pulsieren. Schon lange hat er sich nicht mehr so lebendig gefühlt. Kofferpacken müsste er eigentlich. Doch wer weiß, wohin das Schicksal ihn diesmal entführt. Einen Augenblick kokettiert er mit dieser Möglichkeit. Ein flüchtiges Grinsen überzieht sein markantes Gesicht. Ein Schatten des Frohsinns. Es ist noch früher Nachmittag, Katzen dösen in den engen alten Gassen. Er läuft zurück. Packt das Nötigste. Er will auf einen plötzlichen Abschied gefasst sein. Er hat noch Zeit. Alex legt sich auf das schlichte Bett und schläft sogleich ein. Er träumt. Von Ebbe und Flut. Und Wiederkehr. Er ist Kapitän auf einem Schiff, dann reißt Mn ihm die Verkleidung herunter, er ist Pirat, stürmt voran, kentert fast, das scharfkantige Boot färbt das Meer Rosa. Es donnert. Das rauschen der Wellen wird unerbittlich. Sie züngeln nach ihm, hungrig nach einer Vollendung, doch Alex blick gen Himmel. Die Wolken scheinen durcheinanderzuwirbeln. Er hat nie um Hilfe gebeten, jetzt bettelt er darum, streckt seine langen Arme nach den verheissungsvollen Rettern aus, ergreift sie spürt sie, hat sie wirklich berührt und erklimmt sie wie ein Berg als sie ihn schon davontragen. Er entert das Glück, denn nun segelt er unsäglich davon. Er landet. Auf dem Boden der Tatsachen. Alex reibt sich das malträtierte Hinterteil. Ist er doch tatsächlich aus dem Bett gefallen. Jetzt braucht er eine erfrischende Dusche. Das ganze Bad ist bald von dem Duft frischer wilder Minze erfüllt. Schnell kommt er wieder zu sich. Und auch die Kleidungsfrage scheint kein Problem heute Abend für ihn zu sein. Er steigt beherzt in seine Wohlfühlklamotten, wie er das bisher nur aus dem Fernsehen gekannt hat und spürt, daß er sich ohne innere Anspannung einfach auf seine Verabredung freut. Warum sie als Treffpunkt die Kirche gewählt hat, ist ihm noch nicht klar.

Fast hätte Gina vergessen, die vorbestellten Rosen bei dem Marktstand abzuholen. Ein ganzer Wagen voll war es geworden-es würde eine schöne Feier in der Kirche werden. Eine unter Freunden. Die Rückführung, Vereinigung aller Seiten.Was gibt es Schöneres zu feiern als wenn ein Mensch seine Ganzheit wiederfindet?
Es ist 19 Uhr. Die Kirchturmuhren läuten. Gina ist da. Alex ist da. So treten sie ein. Die rosaroten Rosen wirbeln durcheinander. Alle Menschen, die ihm auf seiner Reise schon einmal begegnet sind, habe sich versammelt.. Sie reichen ihm die Hände, bilden mit ihm eine Kette. In ihren Augen glitzert es. Ob Schalk, ob Lebensfreude, die Augen spiegeln sich, ahnen den anderen, erfühlen was er sein, wer er werden könnte. Der Schleier wird Alex vom Antlitz genommen. Kein Nebel mehr. Kein Tappen im Dunkeln. Es ist ein rauschendes Fest. Mit Musik von Treibhölzern. Trommelwirbeln, die an eine neue Zeit anklingen. Gina schlägt einen anderen Ton an und richtet das Wort an Alex. "Die Verdrängung hat Dir eine Reise geschenkt. Das Labyrinth hat nun keine Wege mehr offen." Erst jetzt erblickt Alex den Off-Schalter. Nur einen Klick war er die ganze Zeit von einem Reisestopp entfernt. Sein leicht zitternder Zeigefinger berührt den roten Knopf. Er findet sich in seinem Büro wieder. Ein Luftzug kommt von der Tür. Es ist ihm, als wäre jemand gerade erst hindurchgegangen. Er hat diesen Raum verlassen. Alex schliesst die Tür.

Gina ist zufrieden mit ihrem Werk. Und was tut man nicht alles für einen Freund, der seelenverwandt mit einem ist. Seine Seele hatte schon lange Verbindung zu ihr aufgenommen. Ihre energiegeladenen Antworten schickten ihn in eine andere Welt. Eine virtuelle.Was für Alex Kommunikationsstörungen waren, waren für Gina Versuche, Kontakt zu diesem interessanten männlichen Menschen aufzunehmen. Er schien mit seiner weiblichen Seite zu kämpfen. An der gleichen Stelle, wo sie damals ihre verloren hatte. Den Zugang dazu. Jetzt öffnet sie die Tür. Sie spricht die Zauberformel "Errare humanum est." "Lass es geschehen" will sie sagen.

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