|
Auch im ausgehenden 20. Jahrhundert ist
der Tod immer noch ein Tabuthema, das die Menschen unangenehm berührt. Zwar
finden Mord- und Totschlag tagtäglich in den Nachrichten und in Kinofilmen
statt, so daß jeder von uns praktisch ununterbrochen mit Schreckensbildern
konfrontiert wird, doch der eigene Tod wird dadurch nicht zum Thema. Wer möchte
auch schon gerne daran erinnert werden, daß jeder Atemzug im Prinzip ein Atemzug
weniger auf der zwar sehr langen (so alles gut geht) aber doch endlichen Liste
der Atemzüge ist?
Wer sich mit diesem Thema auseinandersetzt, landet früher oder später in der
esoterischen Ecke. Kontakte mit Toten, Videobilder von Verstorbenen und Botschaften
aus dem Jenseits sind dort an der Tagesordnung, so daß man - wenn man solche
Werke liest - beruhigt annehmen könnte, daß zumindest irgend etwas vorhanden
ist, das nach dem physischen Ende weiterexistiert.
Hinzu kommen noch um Objektivität bemühte Werke von Medizinern, die Nahtoderlebnisse
untersuchen und einen weiteren Beweis für ein Weiterleben liefern könnten,
wenn man die Berichte entsprechend interpretiert.
Ganz anders sieht hingegen die naturwissenschaftliche
Sicht der Welt aus. Mediziner berichten manchmal - wie es mir scheint - mit
einem triumphalen Unterton, die chemischen Vorgänge beim Sterbevorgang zumindest
grundlegend entschlüsselt zu haben.
Chemikalie X wird ausgeschüttet, die Halluzination Y auslöst. Und in der Tat
lassen sich Nahtoderlebnisse, wie sie z.B. Raymond Moody in seinem berühmten
Bericht vom Leben nach dem Tod schildert, auch ohne Todeserlebnis chemikalisch
zumindest grundlegend nachstellen.
Also doch alles nur Einbildung?
Hinzu kommen praktisch täglich Meldungen über neueste Erkenntnisse der Hirnforscher
und Genetiker, die den Eindruck immer stärker werden lassen, daß Menschen
am Ende vielleicht doch nur komplizierte Marionetten sind. So man muß am Hirn
des Menschen lediglich bestimmte Bereiche entfernen oder aber beschädigen,
um die Persönlichkeit nachhaltig zu ändern. Vormals liebevolle und warmherzige
Menschen können skrupel- und gewissenlos werden, wenn ein Bereich im Stirnlappen
des Hirns beschädigt wird.
Man kann mit Elektroden im Hirn Impulse erzeugen, die entweder Halluzinationen
hervorrufen oder aber die Gliedmaßen bewegen lassen.
Gemüts- oder aber Bewußtseinsverändernde Medikamente und Drogen sind im 20.
Jahrhundert schon etwas alltägliches.
Die Hirnforschung hat vor allem im 20. Jahrhundert
erste grundlegende Fortschritte gemacht.
Erst in den letzten Jahren stießen (wenn auch wohl nicht mit der Absicht,
eine Seele zu finden bzw. nicht zu finden) die Genetiker hinzu. "Treuegen
entdeckt" war erst dieses Jahr eine Schlagzeile. Es wird praktisch jeden Tag
ein neues Gen kartographiert, das irgendwelche Eigenschaften in uns steuern
soll. Manchmal (meist) sind das sehr komplexe Zusammenhänge. Wichtig hierbei
- es sind eindeutig materielle Zusammenhänge.
In der Genetik ist kein Platz für eine Seele. Dort werden neben Faktoren,
die Krebs verursachen, auch Charaktereigenschaften, in Extremfällen sogar
Vorlieben für bestimmte Namen und Nahrungsmittel auf Gene zurückgeführt.
Und die Forschung auf diesem Gebiet ist sehr erfolgreich. Es wird irgendwann
sicherlich das Designerkind geben, das resistent gegen Krebs ist, dem Partner
stets treu, hochintelligent, mit Lieblingshaarfarbe der Eltern, und wenn es
geht ohne allzu obskuren Musikgeschmack. Allzu rebellisch sollte es auch nicht
sein... Die Möglichkeiten sind lang und sicherlich auch irgendwann umsetzbar.
Gewiß wird den meisten sehr unwohl
bei diesem Szenario. Wo ist da der freie Willen, wo das eigene Wesen, für
das man sich hält? Kaum einer wird sich als Komposition von Genen betrachten?
Was ist also diese Stimme in unserem Kopf?
Das, was wir Seele nennen? Doch welche Eigenschaften soll diese Seele noch
haben, wenn man anscheinend Charaktereigenschaften nachhaltig chemikalisch
oder per Hirnverletzung bzw. Operation ändern kann, oder gar schon vor der
Geburt genetisch bestimmt?
All unsere Marotten, unsere Vorlieben, unsere Denkweisen, unsere Ideale -
also all das, was nach dem Glauben der meisten eine Seele wohl ausmachen würde,
kann, wie ansatzweise (bei weitem noch nicht vollständig natürlich) schon
gezeigt wurde, auch operativ oder chemisch erzeugt bzw. geändert werden.
Dies ist ein materielles Bild der Welt.
Das materielle Bild der Welt war und ist äußerst erfolgreich.
Das materielle Bild der Welt, die Wissenschaften, haben uns solche Dinge wie
das Auto, das Flugzeug, den Computer, das Internet geliefert.
Das materielle Bild der Welt hat uns nach Jahrhunderten der intellektuellen
Dunkelheit in Europa endlich vom Aberglauben und dem Joch der Kirche befreit.
Galilei sah Jupitermonde durch sein Teleskop, die nicht abzuleugnen waren.
Die Wissenschaft mit ihren Prinzipien und experimentellen Methoden hat dem
Geist bzw. dem Menschen den Schlüssel zum Verständnis gegeben.
Er war nicht länger hilfloses Blatt im Winde, sondern plötzlich formten sich
aus all den Naturgewalten, aus all den Götterkräften, klar reproduzierbare
und erklärbare Phänomene, die man sogar steuern und vorhersagen konnte.
Wenn heute niemand mehr (die meisten zumindest...) daran glaubt, daß Zeus
sein Zepter schüttelt und Blitze vom Himmel schleudert und deshalb regelmäßig
Opfergaben den Göttern reicht, sondern daß verschieden warme Luftschichten
Reibung und somit Elektrizität erzeugen und ein Blitzableiter auf dem Dach
der ideale Schutz ist, dann ist das allein der Wissenschaft zu verdanken.
Man muß schon Bewunderung zeigen: die Wissenschaft
hat in recht kurzer Zeit sehr viel erklären können und dem Menschen sehr vieles
gebracht.
Erst seit sich unter diesen Errungeschaften auch Atombomben befinden, hat
sich das Bild der Wissenschaft ein wenig gewandelt.
Aber dies kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Wissenschaft Nährboden
aller großen Erfindungen ist.
Allerdings fühlen sich viele Menschen nicht sehr zur Wissenschaft hingezogen.
Gerade die materielle Weltsicht, die kein Platz für eine Seele scheinbar läßt,
schreckt viele aus diversen Gründen ab.
Sekten, die Esoterik, die ganze New Age Bewegung findet in den letzten Jahren
vermehrt Zuspruch.
Und wenn eine Zeitung auf Horoskope verzichten würde, so wäre der Protest
der Leser gewiß.
Wie ist dieses scheinbar schizophrene Phänomen
zu erklären? Zum einen hat die Wissenschaft klar nachweisbare Errungenschaften
vollbracht, doch nichtsdestotrotz sprießen wildeste esoterische Phantasien
überall aus dem Boden und finden dabei reichlich Licht und Nahrung, um zu
wachsen.
Nun, für viele ist Wissenschaft gleichbedeutend mit Kälte, mit Seelenlosigkeit,
mit rein materiellem Denken, das keinen Platz für Wunder läßt.
Wer möchte auch gerne seine Seele wegerklärt bekommen?
Dieses negative Image der Wissenschaft bestand
nicht immer.
Sie erzielte triumphale Siege seit dem 17. Jahrhundert, dem Geburtsjahr der
materiellen Weltsicht.
Kein anderer als Newton war Initiator einer ganz neuen Denk- und Fühlweise.
Newton, dem auch heute noch jeder in der Schule begegnet, hatte mit der Gravitationstheorie
ein Werkzeug gefunden, das exakte Berechnungen von Planetenbahnen und anderen
Objekten möglich machte.
Viel wichtiger aber noch: zusammen mit Keplers Modell des Sonnensystems, nachdem
die Erde nicht im Mittelpunkt stand, war nun wenig göttliches übriggeblieben.
Es ging soweit, daß man mit Hilfe von Newtons Theorien und der Beobachtung
der bekannten Planeten im Sonnensystem eindeutig andere - bisher nicht beobachtete
- Planeten vorhersagen konnte. So wurde der Neptun gefunden, als man Bahnstörungen
in der Umlaufbahn des Uranus feststellte (und später dann in diesem Jahrhundert
der Pluto).
Es sind übrigens auch Newtons Theorien, die die NASA nutzt, um Menschen zum
Mond zu bringen oder Marssonden punktgenau auf dem Mars landen zu lassen.
Mit Newtons Theorie konnte der Mensch zum ersten Mal Dinge von wahrhaft universalem
Ausmaß berechnen.
Was folgte, war die logische Vollendung dieser Tatsache. Wenn man Planeten
berechnen kann - warum dann nicht auch Atome oder Moleküle?
Kurz formuliert: wenn man von jedem Teilchen im Universum die Position und
die Geschwindigkeit kennt, kann man mit Newtons Bewegungsgesetzen alles weitere
berechnen, so die Überzeugung bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Das Uhrwerk-Universum
wurde ein beliebtes Bild.
Alles scheint exakt vorherbestimmt, also determiniert zu sein. Und da auch
der Mensch letztendlich nur als Atomen besteht, kann man ihn anhand ihrer
Bewegungen auch exakt berechnen.
Der freie Wille war somit von Newtons Bewegungsgesetzen, die Planeten- und
Raumschiffbahnen berechnen lassen, wegerklärt worden.
Es gibt in der Wissenschaft Ockhams Prinzip:
kurz gesagt schneidet dieses Prinzip alles überflüssige von einer Theorie
weg, wenn man ein Phänomen auch identisch ohne diese Extras erklären kann.
So kann man sich denken, daß kleine Leute im Radio sitzen, die Musik machen
oder Nachrichten vorlesen, sich aber sofort unsichtbar machen, wenn jemand
das Radio aufmacht, um nachzuschauen. Jeder wird einsehen, daß man all diese
überflüssigen und abergläubischen Dinge getrost wegschneiden kann, um statt
dessen die Existenz von Radiowellen als einfachere Erklärung für die Musik
im Radio zu verwenden. Alles, was nicht beobachtet oder irgendwie gemessen
werden kann, wird somit in der traditionellen Wissenschaft Ockhams Rasiermesser
unterzogen und weggeschnitten.
So ist es gewiß erklärlich, warum die Wissenschaft
sich nicht die Mühe machte, eine Seele zu finden. Sie ist weder meßbar noch sonstwie
experimentell nachprüfbar. Die wissenschaftlichen Theorien kommen komplett
ohne Seele aus.
Ganz im Gegenteil - in der Biologie ist der Materialsmus die Methode schlechthin,
dort wird alles auf chemische Prozesse reduziert.
Dies fängt bei hormonellen Prozessen an und endet bei der DNS in der Zelle.
Die Biologie und somit auch die Medizin steht voll und ganz auf der Grundsäule
des Materialismus. Somit ist auch das Bild des Menschen ein materielles. Wir
werden auf unsere Einzelteile, die Zellen, die Eiweiße, die DNS reduziert.
Der Reduktionismus basiert auf der Ansicht,
daß sich ein System bestens erklären läßt, wenn man seine Einzelteile untersucht
und herausfindet, wie diese aufgebaut sind und funktionieren.
So kann man einen komplexen Gegenstand wie einen Tisch z.B. zuallererst auf
Holzzellen reduzieren, dann auf die Moleküle, bis schließlich Atome und subatomare
Teilchen übrigbleiben.
Der Gedanke dahinter - wenn man weiß, wie die subatomaren Teilchen funktionieren,
ergibt sich alles andere von selbst.
Die Biologie ist dabei allerdings die letzte
große Naturwissenschaft, die praktisch noch das gleiche Weltbild wie im 19.
Jahrhundert verwendet.
Für viele vielleicht unbemerkt, oder allenfalls am Rande verschwommen wahrgenommen,
hat sich nämlich in der gesamten Physik (die der Chemie und damit letztlich
auch der Biologie zugrundeliegt) das Weltbild drastisch verändert.
Es würde zu weit führen, dies alles hier zu schildern - kurz gesagt kann man
festhalten, daß die Entwicklung der Quantenmechanik das mechanistische Weltbild
Newtons, das bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts in der Physik
vorherrschte, jegliche Grundlage entzogen hat.
Da wo Newton noch exakte Positionen berechnen konnte setzt die Quantenmechanik
das Prinzip der Unbestimmtheit und Unschärfe. Grob ausgedrückt: in der Quantenmechanik
hat ein Teilchen PRINZIPIELL keinen exakten Aufenthaltsort und keine exakte
Geschwindigkeit. Diese Werte sind solange in einem gewissen Rahmen unbestimmt,
bis jemand nachschaut und diese Werte mißt. Allerdings kann immer nur EIN
Wert genau gemessen werde, auf Kosten des anderen Wertes, der nur sehr verschmiert
und unscharf registriert werden kann.
Dies mag alles sehr verwirrend oder abstrakt
klingen. Es bleibt festzuhalten, daß die Quantenmechanik ein sehr exotisches
theoretisches Gebilde ist, das soweit weg vom Alltagsempfinden entfernt ist
wie die nächste Galaxie von unserem Sonnensystem. Und doch hat genau diese
Quantenmechanik das gesamte philosophische Weltbild der Physik geändert. Experimentelle
Nachweise für die bizarren Effekte der Quantenmechanik gibt es genug. Letztlich
basiert jeder PC auf der Quantenmechanik.
Halbleitertechnologie macht sich einige Effekte der Quantenmechanik zu nutze.
Newtons zu einem Uhrwerk reduzierte Welt ist zu einem offenen Kosmos diverser
Möglichkeiten geworden. Und sehr wichtig - makroskopisches Verhalten läßt
sich NICHT durch die Untersuchung der Bestandteile erklären.
Es ist das große Mysterium in der Quantenmechanik, warum die Welt der Elementarteilchen
so vollkommen bizarr ist, die übergeordnete makroskopische Welt hingegen ganz
andere Eigenschaften aufweist.
Doch genau diese Unbestimmtheit, dieses
Umdenken in der Physik, ist wie schon erwähnt an der Biologie praktisch ohne
Wirkung vorbeigezogen.
Biologen tun heute immer noch so, als wäre nach Newton nichts geschehen.
Man muß sich hier noch einmal vor Augen halten, daß die Biologie und Chemie
auf fundamentalen Kräften basieren, die allesamt durch die Quantenmechanik
erklärt werden.
Und während Ockhams Rasiermesser in der Biologie noch emsig geschwungen wird,
vielleicht sogar emsiger als zuvor, hantiert die Quantenmechanik mit Dingen,
die prinzipiell nie beobachtet werden können (wie die Quarks z.B.)
Szenenwechsel...
Stellen wir uns eine einsame Insel vor,
die von einem kleinen Völkchen bewohnt ist. Die Insulaner leben in primitiver
Einfachheit. Technik oder Wissenschaft kennen sie nicht, sie sind dennoch
aufgeschlossen und durchaus neuen Dingen gegenüber aufgeschlossen. Kontakt
mit anderen Menschen haben sie nicht.
Da wird eines Tages ein TV-Apparat an den Strand gespült. Da dies hier ein
Gedankenexperiment ist, wollen wir das Problem der Stromversorgung außer acht
lassen. Vielleicht ist es ja auch ein wasserdichter Fernseher mit Solarzelle,
jedenfalls funktioniert er einwandfrei, als er an den Strand gespült wird.
Erstaunt stürmen die Insulaner an den Strand, als das Objekt gesichtet wird.
Was beobachten die Insulaner?
Sie sehen einen Kasten, der Bilder und Töne von sich gibt. Da die Insulaner
nicht dumm sind und auch nicht allzu furchtsam, wollen sie natürlich wissen,
was dieses Ding sein soll und was es bedeutet. Ist es eine Botschaft der Götter?
Die Insulaner werden erstmal stumm den Bildschirm betrachten. Sie sehen bunte
Bilder und hören Stimmen, die ihnen nichts sagen, da sie natürlich nur ihre
eigene Sprache verstehen.
Die Insulaner schaffen den Fernseher ins Dorf und so wie Menschen nun mal
sind, werden einige denken, es wäre ein Zeichen der Götter. Andere Insulaner,
die vielleicht ein wenig mehr praktisches Interesse haben, werden die Knöpfe
und Regler am Gehäuse bemerken.
Diese eher wissenschaftliche Richtung wird anfangen, die Knöpfe zu drücken
und an den Reglern zu drehen.
Jahre vergehen. Mittlerweile haben sich
zwei Strömungen entwickelt. Da sind zum einen die Materialisten - sie haben
mitterlweile den Fernseher bis ins letzte Detail studiert und sind zum folgenden
Ergebnis gekommen:
Die Fernsehbilder werden mechanisch direkt im Fernseher erzeugt. Die Beweise
dafür sind überdeutlich. Wenn man einen bestimmen Knopf drückt, erlischt das
Bild, drückt man ihn erneut, kommt das Bild wieder zum Vorschein. Wenn man
bestimme Regler betätigt, kann man das Bild nach Belieben verfärben und verzerren,
man kann die Bilder farblos machen, sie durchlaufen lassen, man kann sogar
die Bilder selbst ändern, indem man andere Knöpfe drückt, die anscheinend
zwischen den Bildern oder Programmen umschalten.
Die Insulaner haben auch das Gerät geöffnet und die klügsten Köpfe sind dahintergekommen,
daß die Bildröhre (natürlich heißt die nicht so bei den Insulanern) anscheinend
die Bilder erzeugt. Mit entsprechendem Geschick hat man herausgefunden, daß
die Regler am Apparat die Bildröhre beeinflussen. Es besteht also kein Zweifel,
so interessant die Bilder auch sind, sie sind keine Botschaft der Götter,
sondern mechanisch im Gerät erzeugte Phantome, die sofort ein Ende nehmen,
wenn man das Programm wechselt oder aber den Apparat ausschaltet bzw. zerstört.
Dann gibt es noch die religiöse Strömung.
Sie widerspricht den Materialisten entschieden, nach ihrer Meinung haben die
Bilder eine göttliche Bedeutung, die direkt von den Göttern zum Apparat gesandt
wird, der lediglich der Abbildung dient. Einen Beweis oder eine Erklärung
hierfür kann die religiöse Fraktion natürlich nicht liefern, es ist einfach
ein inneres Gefühl, das sie unzufrieden sein läßt mit der rein mechanistischen
Deutung.
Doch dieser Standpunkt steht sehr schwach da - alle Beweise liegen eindeutig
bei den Materialisten. Ihre Fähigkeit, die Funktionsweise des Apparats anschaulich
durch drücken von Tasten und drehen von Reglern zu erklären, ist beeindruckend.
Und ein Insulaner hat das insulanische Gegenstück zu Ockhams Rasiermesser
erfunden. Kurzum, da die Theorie des Fernsehers wunderbar ohne ein göttliches
Signal auskommt, das der Apparat empfängt, gibt es dieses schlicht und ergreifend
auch nicht.
Die Materialisten kommen zum Schlußpunkt, daß der TV-Apparat ein mechanisches
Gebilde ist, das die Bilder selbst erzeugt.
Die religiöse Fraktion zieht sich allein auf ihren Glauben zurück und beginnt,
die Fakten mehr oder weniger zu ignorieren, da sie nicht in das religiöse
Bild passen. Einige sehr kluge Köpfe unter den Insulanern schlagen eine Lösung
vor, indem sie vorschlagen, daß es vielleicht doch unsichtbare Signale gibt,
die mit den Mitteln der Insulaner nur nicht zu entdecken sind, ob diese göttlich
seien, muß aber dahingestellt bleiben, vielleicht gibt es ja Dinge, die bloß
noch nicht entdeckt wurden.
Der Streit der Insulaner ist für uns sehr
leicht lösbar natürlich. Wir wissen von den Fernsehwellen, die der Fernseher
empfängt.
Die Insulaner, die zwar clever sind, aber keinerlei Elektromagnetismus kennen
und somit auch niemals etwas von elektromagnetischen Wellen gehört haben,
können nicht mal ansatzweise in diese Richtung denken, und wenn doch, dann
rein spekulativ und ohne Beweis.
Die Beweise liefern allein die Materialisten.
In gewisser Weise befinden wir uns in der
gleichen Situation wie die Insulaner. Haben wir eine Seele?
Gibt es ein "Signal" (um kurz noch im Gleichnis zu bleiben), das der Mensch
"empfängt"?
Mediziner und Biologen können mittlerweile gekonnt an unseren Reglern drehen
und umschalten.
Alle Beweise sind bei ihnen.
Doch was wäre, wenn der Mensch eine Seele hat? Wenn das Gehirn (oder der Körper
als ganzes) die Schnittstelle für diese Seele wäre?
Die Bilder im TV-Apparat werden definitiv nicht im Fernseher erzeugt. Sie
werden projeziert und abgebildet. Erzeugt werden sie im Studio, transformiert
in Strahlung und dann von der Antenne des Apparates wieder in Schwingung umgewandelt,
die einen Elektronenstrahl steuert.
Nun soll die Analogie nicht zu weit getrieben werden, doch ich denke, das
Prinzip ist klar.
Ich denke, daß die Existenz einer Seele nicht hinwegerklärt wird, indem man
die physikalische Manifestation der Persönlichkeit scheinbar beliebig ändern
kann. So wie die Fernsehwellen als solches auch nicht verändert werden, wenn
man am Apparat die Farbe wegdreht oder das Bild mit Magneten schlimm verzerrt.
Scheinbar kann man die Funktionsweise des Menschen wunderbar ohne Seele erklären.
Alle "Bilder" - also Gedanken, Ideen, etc - scheinen allein und nur im Gehirn
erzeugt, verändert man etwas am Gehirn chemikalisch oder physikalisch durch
Entfernen gewisser Hirnbereiche, ändert man dann scheinbar auch den Inhalt.
Wie wäre es, wenn aber etwas existiert, das wir lediglich nicht physkalisch
momentan (oder auch prinzipiell) nachweisen können?
Es erscheint aus Sicht der Insulaner nur
vernünftig, anzunehmen, der TV-Apparat erzeugt die Bilder selbst. Schließlich
sprechen alle Fakten dafür.
Und so scheint es auch vernünftig zu sein, anzunehmen, daß das Gehirn alleiniger
Erzeuger der Persönlichkeit ist.
Es bleibt die Frage, inwiefern die zweite Ansicht genauso inkorrekt ist wie
die erste.
Aber wir können auch einmal einige wissenschaftliche
Methoden anwenden, um die Existenz einer Seele zu hinterfragen.
So postuliert die Evolutionstheorie ganz klar, daß sich Lebewesen nicht einfach
"so" entwickeln, sondern daß es stets einen äußeren Reiz oder Anlaß für eine
Entwicklung gibt. Unterstützt durch den Zufallsfaktor Mutation sollen so immer
wieder neue, besser angepaßte Lebewesen entstehen.
Nehmen wir einmal genau dieses Prinzip und stellen die Frage, warum der Mensch
(und unzählige andere Lebewesen) Augen besitzt.
Nun, die Antwort ist sehr einfach. Der Mensch (und die meisten anderen Lebwesen)
besitzt Augen, weil die Sonne existiert und die Erde mit Photonen flutet.
Anders ausgedrückt - weil es Licht gibt, existieren Augen. Dieses Sinnesorgan
hat sich allein aus dem Grund entwickelt, daß es eine Sonne gibt, die Licht
emittiert und somit das Sehen erst ermöglicht.
Dies ist leicht zu beweisen, indem man die Lebwesen sich betrachtet, die in
ewiger Dunkelheit leben und entweder gar keine Augen mehr haben oder aber
nur noch rudimentäre Reste aus einer früheren Entwicklungsphase.
Hätte sich die Menschheit in ewiger Dunkelheit entwickelt, würde wir keine
Augen besitzen.
Gleiches läßt sich vom Gehör sagen. Das
Ohr hat sich nur deshalb entwickelt, weil es in unserer Erdatmosphäre Schallwellen
gibt. Die Tatsache, daß es Geräusche gibt hat letztlich dazu geführt, daß
sich ein Sinnesorgan entwickelt hat, daß diese Geräusche auch wahrnehmen kann.
Lebewesen auf dem Mond - der keinerlei Atmosphäre hat - würden gewiß keine
Ohren besitzen. Dort fehlt jeder Schall und jedes Geräusch.
Nun wird niemand auf die Idee kommen zu
sagen, daß die Augen die Sonne hervorgebracht haben oder das Ohr die Geräusche
erfunden hat - es ist wie oben erwähnt nicht so, daß zuerst die Augen existierten
und daraufhin die Sonne kam. Wer so etwas annähme, würde sich absurden Gedanken
hingeben, kein logisch denkender Mensch und erst recht kein Wissenschaftler
würde auch nur ansatzweise so etwas in Betracht ziehen.
Und sicherlich würde auch niemand etwas erwidern, wenn man erwähnt, daß selbst
dann, wenn über Nacht alle Menschen erblinden, die Sonne immer noch existiert.
Die Sonne hört nicht auf zu scheinen, nur weil kein Auge es mehr sehen kann.
Betrachten wir nun mit derselben Methode
ein extrem wichtiges Organ des Menschen - das Gehirn.
Evolutionsforscher sagen, daß sich das Gehirn deswegen so entwickelt hat,
weil die Intelligenz einen evolutionären Überlebensvorteil bietet, den die
Wesen nicht haben, die dümmer sind.
Es ist meiner Meinung nach zweifelhaft, dies so zu sagen. Nicht der Mensch,
sondern die Bakterien und Einzeller sind die Weltmeister im Überleben. In
der Tat haben Einzeller schon lange vor dem Menschen und sozusagen am Beginn
des Lebens auf der Erde das Überleben als solches perfektioniert - sie sind
nämlich praktisch unsterblich.
Und all dies vollkommen ohne Intelligenz oder bewußtes Denken.
Warum also hat sich das Gehirn immer weiter entwickelt?
Sicherlich ist es nur ein Vergleich, durch und durch "unwissenschaftlich"
und nicht beweisbar - aber wir haben weiter oben gesehen, daß sich Sinnesorgane
deswegen bilden, weil es etwas gibt, das wahrgenommen werden kann.
Wie wäre es, wenn es ein außerkörperliches Bewußtsein - Seele - gäbe, das
letztlich dazu geführt hat, daß sich immer komplexere Gehirne bilden, die
ein immer besseres Abbild dieses Bewußtseins in der Welt ermöglichen?
Das Auge und das Ohr wurden auch nicht über Nacht sozusagen "erfunden", primitivste
Augen konnten nur Hell und Dunkel unterscheiden, es hat recht lange gebraucht,
bis das stereoskopische Farbsehen entwickelt war, das - wenn auch immer noch
unvollständig (man denke an UV und Infrarotstrahlung) - ein einigermaßen realistisches
Bild der Welt ermöglichte.
Daß die optische Welt keine Erfindung der Augen ist, sollte man einsehen können,
wenn man bedenkt, daß wir uns schließlich recht gut in dieser Welt zurechtfinden
können. Und daß es dennoch manchmal fehlerhaft ist weiß jeder, der schonmal
eine optische Täuschung erlebt hat.
Was kann uns dies zum Thema Gehirn/Seele vermitteln?
Sicherlich nichts objektiv greifbares. Vergleiche müssen nicht stimmen. Analogien
sind nicht immer zulässig.
Aber was wäre, wenn das Gehirn primär dem Zweck dient, dem Bewußtsein, der
Seele, sozusagen als äußerer Reiz als Rezeptor zu dienen?
Man kann Menschen blenden, ihnen die Augen
rausreißen, die Ohren durchstechen - Sonne und Schall existieren immer noch.
Auch wird man beim Studium der Augen kaum die Natur und Gestalt der Sonne
erkennen können. (Man könnte allenfalls sagen, daß es ein Objekt geben muß,
daß Photonen aussendet, auf die die Rezeptoren reagieren) Kann man einem Menschen
sein Gehirn, seinen Körper rauben - und das Bewußtsein, die Seele existiert
immer noch?
Beim Studium des Gehirns wird man wohl - wie beim Auge - kaum die Natur und
Gestalt dieses Bewußtseins erkennen können.
Beides kann man manipulieren, man kann farbige Linsen ins Auge setzen, Sehnerven
durchtrennen oder mit falschen Impulsen füttern, man kann das Gehirn chemisch
fluten, Bereiche entfernen oder durchtrennen - in beiden Fällen werden sich
nachhaltige Effekte zeigen. Einmal beim Bild der Welt, das gesehen wird, dann
wiederum bei der Persönlichkeit, die von außen wahrgenommen wird.
Doch die Welt an sich, das, was außerhalb der rein materiellen Ebene existiert,
wird zumindest bei der Manipulation am Auge nicht verändert.
Die Diskussion über eine Seele ist schwierig,
dieser Artikel hat einen kleinen Versuch unternommen.
Jeder muß seine Antwort selber finden - die klassische Wissenschaft und hier
vor allem die Medizin und Biologie verläßt sich allein auf den materiellen
Bereich der Welt. Die Religion vergißt ihn leider fast immer.
Die Quantenmechanik zeigt einen etwas anderen Weg auf - Aussagen über eine
Seele liefert jedoch keine einzige wissenschaftliche Theorie.
Allein die Quantenmechanik macht in einer (von mehreren) Interpretationen
ein Bewußtsein erforderlich.
Was nach dem Tod geschieht ist auch weiterhin
das letzte ultimative Rätsel. Ob Videobilder und Seancen einen Beweis liefern
kann man bezweifeln. Zu groß sind Betrugsmöglichkeiten und Selbsttäuschung.
Gerade in Bereichen, die uns emotional berühren.
Ich denke, daß der beste Weg der wäre, wenn sich die klassische Wissenschaft
auch der Möglichkeit öffnet, daß nicht immer Ockhams Rasiermesser das beste
Mittel ist. Die Biologie und Medizin hat diesen Weg noch vor sich.
Bis dahin hat ein jeder von uns diese Stimme im Kopf, die Tag für Tag beharrlich
darauf besteht mehr zu sein als eine Ansammlung von Neuronen...
zurück
|

|