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ls am 4. Juli
1997, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag, die Marssonde Pathfinder erfolgreich
auf dem roten Planeten aufsetzte, rückte die Raumfahrt für kurze Zeit wieder
in den Aufmerksamkeitsbereich der Tagespresse und Öffentlichkeit.
Es gab zu diesem Ereignis viele Kommentare, einige bewunderten die Präzision
und technische Finesse, die eine fast punktgenaue Landung auf dem Mars möglich
machte, andere hielten die Sonde und den dazugehörigen Minirover eher für
teures Spielzeug für Männer.
Als im Zuge der Pathfindermission auch Pläne zu einer möglichen bemannten
Landung auf dem Mars und einer späteren Kolonisation angesprochen wurden,
waren die Reaktionen - wie in der Leserbriefsparte einer großen deutschen
Zeitung - schon weniger positiv oder belustigt.
Es gab Stimmen wie "erst zerstören wir die Erde, dann siedeln wir zum Mars
über und zerstören ihn auch", oder aber immer wiederkehrende Kommentare wie
"zuerst sollten wir die Probleme auf der Erde lösen..."
Diese Stimmen machen eines deutlich. Raumfahrt genießt heutzutage ein Nischendasein
in dem Bewußtsein der meisten Menschen. Es gibt einige, wenige Befürworter,
manchmal mit allzu hochtrabenden Plänen, dann aber auch - und dies in der
Überzahl - jene, die vor allem bemannte Raumfahrt für ein eher unnötiges und
kostspieliges Hobby halten, das weder irdische Probleme löst, noch sonstwie
einen besonderen Nutzen hat.
erade jene
Stimmen spiegeln eine eigentümliche Grundstimmung in der heutigen Gesellschaft
wider. Seit dem bösen Erwachen aus dem Atomzeitalter herrscht ein großes Mißtrauen
oder gar Desinteresse den Wissenschaften im Allgemeinen und der Raumfahrt
im Speziellen gegenüber.
Es ist nicht wichtig zu wissen, wie viele natürliche Elemente es gibt, es
ist auch für die meisten absolut nebensächlich zu wissen, wie das Gravitationsgesetz
beschaffen ist - man ist heutzutage "dumm", wenn man nicht weiß, wer Steffi
Graf oder Michael Schumacher ist, nicht aber, wenn man fundamentale wissenschaftliche
Fakten nicht kennt.
Die Raumfahrt ist da noch ein etwas exponierteres Gebiet. Die Raumfahrt ist
für jeden im Alltag mit ihren Auswirkungen spürbar. Satelliten-TV, weltweite
Telefongespräche, neueste Wettervorhersagen - für die meisten sicherlich sinnvolle
Ergänzungen zum Leben. Und wer kennt nicht die Bilder der Mondlandung?
Doch da beginnt schon das Problem. Satelliten bzw. unbemannte Raumfahrt ja,
wenn sie denn spürbaren Nutzen bringt - warum aber eine bemannte Mission zum
Mars starten? Warum überhaupt Kolonisationspläne für das Sonnensystem entwickeln?
Wieso muß der Mensch in den Weltraum fliegen, wo solche Missionen immer extrem
kostspielig sind? Es ist ja alles andere als einfach, einen Menschen im All
am Leben zu erhalten. Und sollte der Mensch nicht zuerst die Probleme hier
auf der Erde lösen, ehe er die Flucht ins All antritt, um seine Fehler dort
auf anderen Welten fortzusetzen?
Die Argumente gegen eine bemannte Raumfahrt sprechen meist diese Punkte an-
zu teuer, sinnlos, wir müssen uns erst um die Erde kümmern...
Wenn man aber nachfragt, wieviel für die Raumfahrt ausgegeben wird - Schulterzucken,
aber gewiß zu teuer...
Um mal ein Verhältnis anzugeben: Die Pathfindermission zum Mars im Jahr 1997
war billiger als der Kinofilm "Titanic" von James Cameron... Doch abgesehen
von den reinen Kostenfragen (die natürlich nicht unwichtig sind - erst aufgrund
von Kostenzwängen ging die NASA z.B. dazu über, ihre Missionen so zu planen
und zu entwickeln, daß sie im Vergleich zu den kostenintensiven Missionen
der 60er und 70er Jahre "billig" geworden sind. Siehe Pathfinder.) stellt
sich die allgemeine Frage des Sinns. Brauchen wir eine bemannte Raumfahrt?
Brauchen wir Segelschiffe, die die Weltmeere durchfahren und ins ungewisse
Nirgendwo fahren?
Die Zeiten haben sich geändert, die Mittel haben sich geändert - aber nicht
die Motive. Immer schon suchte der Mensch nach Neuland, gab seinem Entdeckerdrang
nach, seiner Neugierde - um seinen Fuß in immer neue Gebiete zu setzen.
Die Wikinger besiedelten ein menschenleeres Island, damals - mehr wie heute,
wo es Technik gibt - ein Ort, der sehr lebensfeindlich war. Sie behaupteten
sich dennoch. Die Europäer besiedelten Amerika einige hundert Jahre später.
Wiederum etwas später folgte Australien.
Und es stellt sich eine Frage: Warum besiedelten die Indianer oder Aborigines
ihrerseits nie Europa? Warum segelte kein Lakota-Stamm nach Portugal, um dort
eine Kolonie zu errichten?
Diese Naturvölker hatten eine Kultur, die eng mit der Umwelt verwurzelt war,
es war aber auch eine Kultur, die seit Jahrhunderten unverändert geblieben
war. Sie entwickelte sich nicht weiter.
Und so grausam und ungerecht die Kolonisierung der "neuen" Welt ablief - am
Ende ist sie ein Beweis dafür, daß Stagnation, daß allein auf das unmittelbare
Umfeld abgestimmtes Denken in eine Sackgasse und somit in den früheren oder
späteren Untergang führt. Denn die Umwelt, die Gegebenheiten des Lebens, sie
ändern sich immer irgendwann abrupt.
Für die Indianer änderten sie sich dadurch, daß die Europäer in ihr Land einfielen.
Sie hatten der Technik nichts entgegenzusetzen.
as hat das
nun mit der Raumfahrt zu tun?
Nun, wenn der Mensch seinen Forscherdrang, seine Sehnsucht nach neuen und
unentdeckten Welten ablegen würde und allein mit dem zufrieden wäre, was er
bereits kennt und besitzt- so wären wir die Indianer von morgen. Zum Aussterben
bestimmt.
Aber abgesehen von dieser sehr fernen Zukunftsvision - sei es durch den Tod
der Sonne, oder eines eventuell etwas näher liegenden Asteroideneinschlages,
der das Leben auf der Erde unmöglich machen kann - so hat die Raumfahrt heutzutage
auch schon philosophische und kulturelle Auswirkungen.
Die Geschichte der Menschheit ist durch nationale und internationale Spannungen
geprägt. Kriege ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichtsbücher.
Damals, zu Zeiten der Seefahrer, besiedelte jede Nation die neuen Welten noch
für sich - und die USA konnte es sich noch leisten, alleine auf den Mond zu
fliegen. Aber gerade die neue internationale Raumstation macht deutlich, wozu
die bemannte Raumfahrt heute auch führt. Zu einem Verständnis davon, daß die
Menschheit nur zusammen, nicht nach Nationen getrennt, große Ziele erreichen
kann. Die neue Raumstation wird von den USA, den Russen, den Kanadiern, Japanern
und Europäern gebaut werden - von Nationen, die vor wenigen Jahren im kalten
Krieg gegenüberstanden, von Nationen, die vor knapp einem halben Jahrhundert
einen furchtbaren Weltkrieg ausfochten.
Doch all diese Differenzen verschwinden beim Blick aus dem Orbit.
Und die Pionierarbeit heute, die ersten Gehversuche im All mit den Space Shuttles,
der Mir und der bald kommenden internationalen Raumstation - die kurzfristig
betrachtet vielleicht unsinnig erscheint - sie wird den Weg ebnen für die
Erschließung des Alls für alle Menschen.
Wenn erst einmal der normale Arbeiter sich eine Reise zum Mond leisten kann
- oder vielleicht irgendwann auch zum Mars - und zum ersten Mal in seinem
Leben diesen Anblick am eigenen Leib erfährt, von der kleinen blauen Kugel
da "unten" - wo Grenzen und Konflikte so weit weg und unnahbar scheinen, wo
die Zerbrechlichkeit der Ökosphäre allzu deutlich wird, so wird es das Bewußtsein
der Menschheit nachhaltig ändern. Und die Forderung "erstmal die Erde zu retten",
wird so vielleicht am ehesten umgesetzt werden können, wird vielleicht auch
dazu führen, daß alle Nationen auch hier an einem Strang ziehen.
Ein Urlaub auf dem Mond in einer Biosphäre mag ja aufregend sein, der Mars
mag mysteriös erscheinen - aber diese Planeten ermöglichen das Leben allein
nur unter einer Kuppel, im Raumanzug, das unbeschwerte Herumtollen auf einer
Wiese ist nur auf einem Planeten im Sonnensystem möglich - auf der Erde.
Gerade der Blick aus dem All, er macht diese Tatsache allzu deutlich.
Nicht aber das Begrenzen des Horizonts auf die Probleme der unmittelbaren
Umgebung.
Vieles wird deutlicher, vieles wird auch so viel einfacher, wenn man es aus
einer anderen Perspektive sieht - wenn man nur kurz den Kopf hebt, 250 km
in den Orbit hinaufsteigt und von dort hinabblickt. Dazu reicht kein Photo
- das persönliche Erleben ist durch nichts zu ersetzen.
Und wie schon angedeutet: abgesehen von der Tatsache, daß gerade das Erfahren
des Weltalls die Kostbarkeit der Erde um so deutlicher werden läßt, so vereint
die Raumfahrt, so vereint der große Wissensdurst und Entdeckerdrang der wenigen
Enthusiasten die Nationen wie kaum eine andere Sache.
Denn eines ist jetzt schon klar: Wenn der Mars von Menschen angeflogen werden
wird, dann nur gemeinsam von mehreren Nationen. Keiner allein kann sich so
etwas mehr leisten, weshalb zuerst sicherlich auch ökonomisches Denken im
Vordergrund steht. Heute noch.
Aber erst über dieses Denken hinweg entwickelt sich auch allmählich ein gemeinsames
Bewußtsein, ein "Wir-Gefühl". Man kann es hier auf der Erde predigen und auf
Umweltkonferenzen fordern. Solange jeder nur seinen eigenen kleinen Horizont
hat, seine eigene kleine oder große Nation, wird es nicht zum Erfolg führen.
Doch im Weltall gibt es nur noch einen Horizont, eine Erde, die man sieht.
Keine individuellen Landstriche. Wenn der Mensch das Weltall erfährt - dann
wird er auch aufhören, in begrenzten Horizonten zu denken.
ie Raumfahrt
heute ist unsere größte Hoffnung. Sie ist ein Vehikel für die besten Eigenschaften
des Menschen - für Kooperation, für Gemeinsinn, für Ökologie.
Wenn im Jahre 1998 ein Amerikaner mit zwei Russen auf der Mir seinen Dienst
tut, so mag das jetzt schon fast normal erscheinen. Aber es versinnbildlicht
etwas sehr Wichtiges: Im All kann man nur gemeinsam das Überleben sichern.
Jeder ist auf jeden angewiesen. Grenzen fallen. Auf Landkarten - doch vor
allem auch in den Köpfen.
Und wenn der Mensch zu den Sternen strebt, wenn die Nationen heute Raumfahrt
betreiben, so flüchten sie nicht etwa aus der Realität, aus dem Alltag, so
wollen sie nicht irgendwo auf dem Mars oder Mond eine zweite Erde aufbauen
und zugrunde richten. Der Mensch im All - und nicht eine seelenlose Raumsonde
- der Mensch im All schafft unsere Zukunft hier auf der Erde.
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