Der Stoff, aus dem der Kosmos ist

von Brian Greene.

Der Stoff, aus dem der Kosmos istRaum und Zeit. Zwei Dinge, die jeden von uns ganz natürlich umgeben. Wir bewegen uns alltäglich mit Autos, Zügen, Flugzeugen oder Space Shuttles im Raum umher und die Zeit verstreicht dabei für jeden Menschen gnadenlos, immer vorwärts, von der Geburt bis zum Tod. Doch was sind Raum und Zeit eigentlich? Warum läuft die Zeit eigentlich immer nur vorwärts? Könnte sie nicht auch rückwärts laufen? Läuft die Zeit überhaupt? Fünf Jahre nach seinem Bestseller "Das Elegante Universum" beschäftigt sich Brian Greene in seinem zweiten Buch mit eben jenen Fragen. Wie schon im Vorgängerbuch führt Greene den Leser ganz behutsam ans Thema, ist nie um anschauliche Metaphern und Bilder verlegen und ehe man es sich versieht, ist die alltägliche Weltsicht erschüttert und macht einem sehr viel fundamentaleren und spannenderen Bild Platz.

Brian Greenes Buch beginnt dabei ganz simpel mit einem Eimer voll Wasser, der an einer Kordel hängt. Die Kordel wird verdreht, und der Eimer fängt an, sich zu drehen. Nichts besonderes, mag man denken. Was aber ganz alltäglich beginnt führt schnell durchs Kaninchenloch ins Wunderland der Wissenschaften und zu fundamentalen Fragen über die Natur des Universums.

Hier und da überlappen sich die Erkenntnisse mit denen aus "Das Elegante Universum", was aber auch unvermeidlich ist, weil die Frage, was nun Raum und Zeit eigentlich genau sind, letztlich wieder zur heiß gesuchten Weltformel führt, die erklären kann, aus was der Raum vielleicht besteht und warum die Zeit einen Pfeil zu haben scheint, der gnadenlos von der Vergangenheit in die Zukunft führt.

"Der Stoff, aus dem der Kosmos ist" ist eine aufregende Achterbahnfahrt durch die physikalischen Erkenntnisse des 19. und 20. Jahrhunderts bis hin zur Gegenwart und beleuchtet das Thema "Raum und Zeit" dabei so ausgiebig, daß man nur noch staunen kann. Am Ende bleiben dabei unsere vertrauten Begriffe "Vergangenheit", "Gegenwart" und "Zukunft" nur als bloße Illusionen des Alltagsverstandes auf der Strecke, wenn auch sehr hartnäckige, wie schon Einstein attestierte.

Die auf den ersten Blick einfachen Grundfragen des Buches, warum die Zeit immer nur vorwärts läuft und zerbrochene Gläser nicht wie von Geisterhand sich von selbst wieder zusammensetzen oder ob der Raum ein starres, teilnahmsloses Etwas ist oder nicht doch etwas anderes, führen schließlich auch bis hin zu den Anfängen des Universums. Das bisher bekannte Weltbild wird radikal erneuert und der Leser wird sich bei der Lektüre des Buches der Faszination über diese neuen Ansichten kaum entziehen können.

Wer anfänglich glaubt, es handele sich dabei nur um abstrakte und weltfremde Gedankengebäude, die für uns Alltagsmenschen keine unmittelbaren Auswirkungen haben und von irgendwelchen irren Wissenschaftlern im Elfenbeinturm aus purem Zeitvertreib aufgebaut werden, wird eines besseren belehrt. Die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaften können sehr spürbare Auswirkungen auf uns alle haben. Teleportation (von Star Trek Fans auch gerne als "Beamen" bezeichnet) schien bisher eine irre Idee der SF zu sein, was aber weit gefehlt ist. Man kann heute schon Elementarteilchen "beamen", wie Greene schildert. Der Grund, warum so eine Teleportation überhaupt möglich ist, ist so wundersam, daß man einfach über die Mechanismen des Universums bzw. der Quantenmechanik erstaunt sein muß. Und wer Zeitreisen bisher für unmögliche Phantastereien der SF-Autoren hielt und dabei eher an fliegende DeLoreans und Marty McFly und Doc Brown denkt, bekommt von Greene die Möglichkeit aufgezeigt, warum Zeitreisen doch möglich sein könnten - und wie man sie prinzipiell bewerkstelligen könnte. Gleiches gilt für Paralleluniversen. Sie sind ein gern gebrauchtes SF-Konzept. Aber am Ende vielleicht physikalische Wirklichkeit?

Brian Greenes Buch ist eine brillante und anschauliche Tour zu den äußersten Randbereichen der modernen Wissenschaften und widerlegt das vorherrschende Image, Physik wäre etwas das man erfunden hat, um Schüler mit staubtrockenen Formeln zu quälen. So greift Greene bei seinen anschaulichen Vergleichen auch gerne mal auf Charaktere der "Simpsons" oder von "Akte X" zurück. Vor allem gelingt es Greene erneut, dem Leser dabei eines der größten Wunder zu vermitteln: daß der Mensch nämlich all diesen Geheimnissen der Natur auf den Grund gehen kann. Die paar Pfund graue Masse, die jeder von uns hat, können erkennen, was Raum und Zeit wirklich sind. Wäre es da nicht schade, nur an Dschungelkönige, Fußball oder Weihnachtsgeschenke zu denken? "Der Stoff, aus dem der Kosmos ist" ist ein wunderschöner Einstieg in eine um vieles reichhaltigere und spannendere Gedankenwelt.

Brian Greene hat sich als einer der talentiertesten Wissenschaftsautoren etabliert, der nicht nachläßt, den Menschen, die sonst nichts mit Physik und Kosmologie zu tun haben, das Universum ein ganzes Stück näher zu bringen. Das Buch sollte, zusammen mit seinem Vorgänger "Das Elegante Universum", in jede Volksbibliothek gehören.

[geschrieben von Thomas]

 

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